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Lithografie außer Kontrolle

Nach vielen Jahren, die er ausschließlich der Malerei gewidmet hat, hat Matthias Weischer es als Herausforderung empfunden, sich mit alten Druckverfahren zu beschäftigen. Im Unterschied zur Leinwandmalerei, die man ständig wieder übermalen kann, sind hier kaum Korrekturen möglich.

Von Carsten Probst |
    So smart auch Matthias Weischer mit seiner gewissen äußeren Ähnlichkeit zum jungen Robert Rauschenberg daherkommt - sein Werk und seine ganze Inszenierung als Maler zeigen ihn doch eher als einen Künstler alter Schule. Das beginnt mit seinen recht traditionellen Sujets, den Gartenbildern und Interieurs, die zuweilen an die Spuren der Frühmoderne bei van Gogh, Cézanne und Matisse anzuknüpfen scheinen, um dann mit leichter Hand die geometrischen Malereien eines Kenneth Nolands, vor allem aber das Werk von David Hockney und Richard Hamilton zu streifen.

    Es sind diese freien Stilcollagen, sein eigenwilliges Spiel mit dem Wohlbekannten, das Weischer international bekannt gemacht hat. Anders als andere Maler aus seiner Generation wie (die in Dresden ausgebildeten) Frank Nitsche oder Eberhard Havekost bezieht sich Weischer weniger auf die Welt der digitalen Medien, sondern bleibt der klassisch modernen Kunstgeschichte treu. Weischers gemalte Ansichten von Galerieräumen mit flüchtig angedeuteten Gemälden an den Wänden - eigenen oder fremden -, seine Blicke in Wohnzimmer mit ihren kleinen Bilderrähmchen, seine Zitate von Fotografien der 50er- oder 60er-Jahre deuten eine Reflexion über die altbekannte Frage an, was Kunst heute überhaupt noch für das Leben bedeutet, was sie wert ist, unabhängig von den Verkaufserlösen des Kunstmarktes.

    Hinzu kommt, dass Weischer sich gern bei der Arbeit ablichten lässt. Auch das erinnert an die heroischen Jahre der klassischen Moderne, als von Picasso über Hans Hartung bis zu Joseph Beuys Künstler diese neuen Medien der Selbstauratisierung nutzten. Heute gilt die gravitätische Demonstration der Meisterschaft eigentlich als deplatziert. Doch auch im Katalog zu seiner Leipziger Ausstellung gibt Matthias Weischer wieder bereitwillig Einblick in sein Handwerk. In diesem Fall tritt er nicht als Maler, sondern als Grafiker und Zeichner auf, und es wirkt, als wolle er das Publikum an seiner eigenen Faszination für einige althergebrachte künstlerische Techniken wie der Litho- und Zinkografie teilhaben lassen, Techniken, die unter vielen jüngeren Zeitgenossen heute so vergessen zu sein scheinen wie das Handwerk eines Stellmachers oder Seilers, die man oft allenfalls noch in Museumsdörfern antrifft.

    Traditionelle künstlerische Handwerke sind nicht nur Pflichtteil des Kunststudiums an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, wo der gebürtige Westfale zwischen 1995 und 2003 ausgebildet wurde. Weischer sagt, ihn hätten im Gegensatz zu vielen anderen Studenten diese alten Techniken schon damals interessiert. Nach vielen Jahren, die er ausschließlich der Malerei gewidmet hat, habe er es als Herausforderung empfunden, sich vor allem noch einmal mit alten Druckverfahren zu beschäftigen. Ihr Unterschied zur Leinwandmalerei, die man ständig wieder übermalen kann, ist, dass beim Druck kaum Korrekturen möglich sind. Wenn in der Lithografie mit verschieden gefärbten Steinen oder bei den Druckplatten der Radierung die einzelnen Farbfelder aufgetragen werden, überlasst der Künstler seine Entwürfe letztlich einem mechanischen Prozess und gibt einen Teil seiner Kontrolle auf.

    Weischer reaktiviert auch die selten verwendete, dabei überaus faszinierende Technik des "Pulp Painting", die auch von David Hockney und Kenneth Noland zeitweilig angewandt wurde. Dabei wird der Zellstoff gefärbt, aus dem das Papier handgeschöpft wird, und auf ein frisches Büttenblatt aufgetragen. Die gefärbte Zellstoffmasse lässt sich dabei mit verschiedenen Methoden wie ein Relief modellieren.

    Und so nötigt einem die Leipziger Ausstellung Bewunderung ab für Weischers souveräne Beherrschung unterschiedlichster Techniken, für seine Geduld bei der Arbeit, zugleich auch für seine natürliche Beherrschung des Kolorits, der räumlichen Aufteilung des Bildfeldes in kleinsten wie in größten Formaten.

    Was sich am Ende nicht erschließt, bleibt die Frage, ob damit auch der ganze heutige diffuse, offene, verstörende, auch zweifelhafte Begriff von Kunst umfasst ist, den Weischers große Vorbilder schon vor vielen Jahrzehnten thematisiert haben.

    Mehr Infos:
    Museum der bildenden Künste Leipzig