Was macht nun aber ernsthafte Literatur aus? Das zu beantworten, ist hier nicht der Raum. Was sie jedoch NICHT ist, davon gibt Stuckrad-Barre ein beredtes Beispiel. Nach seinem Liebeskummerbuch "Soloalbum" ist jetzt sein "Livealbum" herausgekommen, das nicht mehr beinhaltet als die Lesetournee nebst eben diesem Liebeskumrnerbuch. Über Studentenheime, Provinz- und Grossstadtbühnen verläuft diese Ochsentour, die Stuckrad-Barre zu einem Paradigma des süßen und harten Lebens als Popstar stilisieren möchte. Dabei verrät er allerdings keine soziale oder politische und nur wenig kulturelle Kompetenz, was ja einige Aspekte sein könnten, die seinem Buch Bedeutung vermittelten. Er selbst betrachtet sich allen Ernstes als gesellschaftskritischer Schriftsteller, beschreibt sein Anliegen in einem Interview etwa als das, "was um einen herum passiert, zu recherchieren und präzise festzuhalten."
Genau dies gelingt ihm in seinem "Livealbum" fast immer nicht. Ganz selten nur werden hier gute Detailwahrnehmungen eingestreut von Menschen und Dingen, kleine Essentials, Äußerlichkeiten, welche dennoch ausreichen, um Personen oder Situationen zu charakterisieren. Das kommt so verschwindend gering vor, dass man es nicht einmal mehr als die Ausnahme der Regel bezeichnen kann. Ziel seiner literarischen Ambitionen ist es nach seinen Worten, "die kranke Medienwelt" zu demaskieren. Das glimmt hier und da auf, den Grundwiderspruch aber, dass er selbst sich bewusst und willens in eben diese Maschinerie einspannen lässt, den löst er nicht. So laviert er unentschieden zwischen Affirmation und Opposition und versucht gleichzeitig die Unterhaltungsbranche unter ethischen Gesichtspunkten zu analysieren, die ihren kultur-konservativen Hintergrund nur mühsam verbergen. Wenn er zum Beispiel seinem Abscheu vor dem Volksfest-Charakter einer Provinzlesung Ausdruck verleiht, linst da ein ganz elitäres Verständnis von Kultur als heiliger Ware durch, das vielleicht seinem FAZ-Redakteurstum angemessen ist, nicht aber einem sogenannten Pop-Autor.
Was dann gleich zur nächsten Frage führt: wenn es denn keine "ernsthafte Literatur" ist, handelt es sich dann wenigstens um "Pop-Poesie"? Auch das wohl nur bedingt - schon aufgrund der erwähnten Widersprüche -, und mehr noch, weil "Livealbum" schlicht langweilig ist. Gute Pointen sind rar gesät, unsägliche Wortungeheuer wie "Kragenaufrechthalteplastikschienen" oder "Meisterschalenhochhaltgefühl" beschweren das ohnehin etwas holprig-unbeholfene "parlando" des Textes wie Wackersteine. Das wirkt wie eine Parodie auf die Rechtschreibreform, ist aber leider komplett emst gemeint.
WAS er erzählt, reisst einen auch nicht vom Hocker. Lesung hier, Lesung da - immer neue Leute, schon noch drei Auftritten setzt der Verschleiss ein. Armer Popautor. Da muss man sich mit Buchhändlerinnen, nervigen TV- und Hörfunkreportern herumschlagen, das Selbstrnitleid schlägt Blasen, Ironie für das Eigene ist Stuckrad-Barre fremd.
Wenn er ab und an den autobiografischen Hintergrund verlässt, um "romanhaft" fiktionale Ingredienzen beizufügen oder gar Intertextuelles (merke: "Zitatpop") einzuflechten, ist das stets transparent, erscheint bemüht und künstlich. Einigermaßen witzig ist an sich nur ein Kapitel, in dem Stuckrad-Barre gemeinsam mit Christian Kracht auftritt und beide im Kokain-Rausch eine feine Parodie von "Rockismus" feilbieten, sich über das eigene Auftrittsverhalten lustig machen. Da wird dann zügiger erzählt und nur das, was geschieht - die Situationsbeschreibung gerät plastisch und nachvollziehbar. Ausgerechnet dort also, wo sich Stuckrad-Barre wirklich jeder Analyse-Absicht enthält - und das hat schon was von POP.
Ob dies allerdings ausreichte, das Buch zu retten, wäre es insgesamt so geraten, bleibt zu bezweifeln. Selbst der Rezensent des SZ-Jugendmagazins "Jetzt" mahnte milde mehr Deutungsqualitäten an, und deren Fehlen ist wirklich nicht zu übersehen. Die Stärken des Jungautors liegen gewiss nicht im erzählerischen Verdichten, dem Aufdecken von Zusammenhängen, welche die Einzelheiten verbinden und bewerten, sondern eher in der Oberflächenbeschreibung, im Blick fürs Detail. Doch vertraute er sich dieser Gabe an und schilderte einfach, was ihm geschieht und was er sieht, lauerte dort bereits die nächste Sackgasse. Sein narzistisch-autobiografischer Ansatz dreht ja jetzt schon leer. "Livealbum" - im Unterschied zu seinem Erstling - zeigt Leben aus der Retorte: nackte Künstlichkeit, die Existenz einer Mitarbeiters der Unterhaltungsindustrie. Das Romanthema ist eben das Erstbeste Mögliche, das sich aus seiner jungen Existenz heraus wringen ließ - was aber will er als nächstes schreiben? Hoffentlich kein "Doppelalbum".
Ein "Remix" mit seinen Reportagen, Zeitungsartikeln und Glossen der Jahre' 1996-99 ist gleichzeitig mit "Livealbum" erschienen. Stuckrad-Barre erweist sich darin als herber Medienkritiker, ohne moralinsauer auf die Verkommenheit unseres TV-Zeitalters abzuheben. Er schreibt aus einer amüsiert-zynischen Distanz heraus, mit einer lakonischen, böse funkelnden Sprache. Der Biss, welcher dem Roman gänzlich abgeht - hier entwickelt er sich von ganz alleine. Stuckrad-Barres Qualitäten liegen offensichtlich nicht im narrativen, sondern im feuilletonistischen Bereich, denn dessen Sujet ist nun mal die Welt des Scheins, die Oberfläche. Schon einmal fühlte sich ein Rezensent von Stuckrad-Barres Werk an "Fritz the Cat", eine Comicfigur Robert Crumbs aus seligen leppietagen, erinnert. Crumb zeigte seinen Protagonisten als abgewrackten, ausgelaugten, menschenverachtenden Filmstar, der am Ende von einem enttäuschten Groupie erstochen wird. Wünschen wir Stuckrad-Barre, dass ihm ein anderes Schicksal beschieden sei. Dass er zum Beispiel auf einen dritten Roman verzichtet und statt dessen ein wirklich ätzender Kolumnist und Kulturschreiber wird - die brauchen wir nötig genug!
Genau dies gelingt ihm in seinem "Livealbum" fast immer nicht. Ganz selten nur werden hier gute Detailwahrnehmungen eingestreut von Menschen und Dingen, kleine Essentials, Äußerlichkeiten, welche dennoch ausreichen, um Personen oder Situationen zu charakterisieren. Das kommt so verschwindend gering vor, dass man es nicht einmal mehr als die Ausnahme der Regel bezeichnen kann. Ziel seiner literarischen Ambitionen ist es nach seinen Worten, "die kranke Medienwelt" zu demaskieren. Das glimmt hier und da auf, den Grundwiderspruch aber, dass er selbst sich bewusst und willens in eben diese Maschinerie einspannen lässt, den löst er nicht. So laviert er unentschieden zwischen Affirmation und Opposition und versucht gleichzeitig die Unterhaltungsbranche unter ethischen Gesichtspunkten zu analysieren, die ihren kultur-konservativen Hintergrund nur mühsam verbergen. Wenn er zum Beispiel seinem Abscheu vor dem Volksfest-Charakter einer Provinzlesung Ausdruck verleiht, linst da ein ganz elitäres Verständnis von Kultur als heiliger Ware durch, das vielleicht seinem FAZ-Redakteurstum angemessen ist, nicht aber einem sogenannten Pop-Autor.
Was dann gleich zur nächsten Frage führt: wenn es denn keine "ernsthafte Literatur" ist, handelt es sich dann wenigstens um "Pop-Poesie"? Auch das wohl nur bedingt - schon aufgrund der erwähnten Widersprüche -, und mehr noch, weil "Livealbum" schlicht langweilig ist. Gute Pointen sind rar gesät, unsägliche Wortungeheuer wie "Kragenaufrechthalteplastikschienen" oder "Meisterschalenhochhaltgefühl" beschweren das ohnehin etwas holprig-unbeholfene "parlando" des Textes wie Wackersteine. Das wirkt wie eine Parodie auf die Rechtschreibreform, ist aber leider komplett emst gemeint.
WAS er erzählt, reisst einen auch nicht vom Hocker. Lesung hier, Lesung da - immer neue Leute, schon noch drei Auftritten setzt der Verschleiss ein. Armer Popautor. Da muss man sich mit Buchhändlerinnen, nervigen TV- und Hörfunkreportern herumschlagen, das Selbstrnitleid schlägt Blasen, Ironie für das Eigene ist Stuckrad-Barre fremd.
Wenn er ab und an den autobiografischen Hintergrund verlässt, um "romanhaft" fiktionale Ingredienzen beizufügen oder gar Intertextuelles (merke: "Zitatpop") einzuflechten, ist das stets transparent, erscheint bemüht und künstlich. Einigermaßen witzig ist an sich nur ein Kapitel, in dem Stuckrad-Barre gemeinsam mit Christian Kracht auftritt und beide im Kokain-Rausch eine feine Parodie von "Rockismus" feilbieten, sich über das eigene Auftrittsverhalten lustig machen. Da wird dann zügiger erzählt und nur das, was geschieht - die Situationsbeschreibung gerät plastisch und nachvollziehbar. Ausgerechnet dort also, wo sich Stuckrad-Barre wirklich jeder Analyse-Absicht enthält - und das hat schon was von POP.
Ob dies allerdings ausreichte, das Buch zu retten, wäre es insgesamt so geraten, bleibt zu bezweifeln. Selbst der Rezensent des SZ-Jugendmagazins "Jetzt" mahnte milde mehr Deutungsqualitäten an, und deren Fehlen ist wirklich nicht zu übersehen. Die Stärken des Jungautors liegen gewiss nicht im erzählerischen Verdichten, dem Aufdecken von Zusammenhängen, welche die Einzelheiten verbinden und bewerten, sondern eher in der Oberflächenbeschreibung, im Blick fürs Detail. Doch vertraute er sich dieser Gabe an und schilderte einfach, was ihm geschieht und was er sieht, lauerte dort bereits die nächste Sackgasse. Sein narzistisch-autobiografischer Ansatz dreht ja jetzt schon leer. "Livealbum" - im Unterschied zu seinem Erstling - zeigt Leben aus der Retorte: nackte Künstlichkeit, die Existenz einer Mitarbeiters der Unterhaltungsindustrie. Das Romanthema ist eben das Erstbeste Mögliche, das sich aus seiner jungen Existenz heraus wringen ließ - was aber will er als nächstes schreiben? Hoffentlich kein "Doppelalbum".
Ein "Remix" mit seinen Reportagen, Zeitungsartikeln und Glossen der Jahre' 1996-99 ist gleichzeitig mit "Livealbum" erschienen. Stuckrad-Barre erweist sich darin als herber Medienkritiker, ohne moralinsauer auf die Verkommenheit unseres TV-Zeitalters abzuheben. Er schreibt aus einer amüsiert-zynischen Distanz heraus, mit einer lakonischen, böse funkelnden Sprache. Der Biss, welcher dem Roman gänzlich abgeht - hier entwickelt er sich von ganz alleine. Stuckrad-Barres Qualitäten liegen offensichtlich nicht im narrativen, sondern im feuilletonistischen Bereich, denn dessen Sujet ist nun mal die Welt des Scheins, die Oberfläche. Schon einmal fühlte sich ein Rezensent von Stuckrad-Barres Werk an "Fritz the Cat", eine Comicfigur Robert Crumbs aus seligen leppietagen, erinnert. Crumb zeigte seinen Protagonisten als abgewrackten, ausgelaugten, menschenverachtenden Filmstar, der am Ende von einem enttäuschten Groupie erstochen wird. Wünschen wir Stuckrad-Barre, dass ihm ein anderes Schicksal beschieden sei. Dass er zum Beispiel auf einen dritten Roman verzichtet und statt dessen ein wirklich ätzender Kolumnist und Kulturschreiber wird - die brauchen wir nötig genug!