Archiv


Lob der Tartuffoli

Friedrich der Große, König von Preußen, wird landläufig auch als Kartoffelkönig gehandelt. Im Januar wäre er 300 Jahre alt geworden. So gibt es nun die Schau "König und Kartoffel - Friedrich der Große und die preußischen 'Tartuffoli'" im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam.

Von Cornelius Wüllenkemper |
    "Mythos und Wahrheit sind da ziemlich vermischt. Friedrich soll ja die Kartoffelfelder haben bewachen lassen, um die Neugier seiner Untertanen zu wecken. Und nachts wurden sie weniger stark bewacht, um den Leuten die Möglichkeit zu geben, die Kartoffeln zu stehlen und selber anzupflanzen. Diese Geschichte stimmt wahrscheinlich nicht. Im Gegenteil: Sie hat einen französischen Ursprung. Denn auch Frankreich hat seinen "Vater der Kartoffel", einen Apotheker namens Parmentier, und von dem wird dieselbe Geschichte erzählt, allerdings viel früher. Und wir glauben, irgendjemand hat die dann auf Friedrich übertragen."

    Antonia Humm und ihre Kollegin Marina Heilmeyer räumen bereits zu Anfang der Schau über "König und Kartoffel" mit den Mythen der preußischen Geschichte auf. In sieben Abteilungen zeigen die beiden Kuratorinnen den Weg der Erdfrucht von Südamerika über Spanien und Rom nach Preußen. Und dokumentieren die volkstümlichen Erzählungen über den Kartoffelkönig und die Bedeutung der Feldfrucht für Landwirtschaft und Ernährungsgewohnheiten. Nicht Friedrich II. hat die Kartoffel in Preußen eingeführt. Bereits Ende des 16. Jahrhunderts baute Kürfürstin Katharina von Brandenburg die Frucht als Zierpflanze in ihrem botanischen Garten an. Den Namen Kartoffelkönig hat Friedrich II. also nur insofern verdient, als er etwa 150 Jahre später seinen ersten sogenannten Kartoffelbefehl gab.


    "Es stand drin, die Untertanen sollen Kartoffeln anbauen und jährlich darüber Bericht erstatten, wie viele Kartoffeln ausgesät und wie viel geerntet wurden. Es stand aber auch etwas drin über die Motivation des Königs. Wenn die Leute Kartoffeln essen, könne man Getreide einsparen. Und das war kriegswichtig, denn die Soldaten wurden nicht mit Kartoffeln ernährt, sondern mit Getreide, weil das Getreide länger haltbar und leichter zu transportieren war. Und so wollte er das Getreide lieber sparen und magazinieren, um es für die Soldaten bereit zu haben. Und die Untertanen, die zu Hause blieben, sollten Kartoffeln essen."

    15 solcher Kartoffelbefehle haben Antonia Humm und ihre Co-Kuratorin Marina Heilmeyer im Brandenburgischen Landeshauptarchiv entdeckt. In ihrer Ausstellung "König und Kartoffel" sind historische Berichte über die Entdeckung der Kartoffel durch den Spanier Fracisco Pizarro und ihren späteren Gebrauch als Tiernahrung, Weihnachtsbaumschmuck, Zierpflanze und Armenspeise zu entdecken. Zudem gibt es eine Dokumentation über die heutige Bedeutung des Mythos' über den Kartoffelkönig und zahlreiche Archivalien über Friedrichs Anstrengungen zur Verbreitung der bis ins 18. Jahrhundert im Volk weitgehend unbekannten Frucht. Interessant auch die Hörstation mit dem Bericht vom Volkshelden Joachim Nettelbeck über die schwierige Präsentation der Kartoffel durch königliche Gesandte im Brandenburgischen Colberg.

    "Dagegen nahmen die guten Leute die hochgepriesenen Knollen verwundert in die Hände, rochen, schmeckten und leckten daran, kopfschüttelnd bot sie ein Nachbar dem anderen, man brach sie auseinander, und warf sie den anwesenden Hunden vor, die daran schnupperten und sie dann liegen ließen. Nun war ihnen das Urteil gesprochen."

    Nur langsam entdeckten auch die Gutsherren die Vorzüge der unspektakulären Erdfrucht, gingen von der Dreifelderwirtschaft zur Fruchtwechselwirtschaft über und steigerten so die Ergiebigkeit ihrer Felder und ernährten zunächst die Tiere und später auch das Gesinde mit den in Preußen übrigens auch Tartüffeln, Artttoffeln, Nudeln, Pantoffeln, Pataten und Erdtoffeln genannten Feldfrüchten.

    "Es geht auch um die Frage, wie haben die Bauern sie angebaut, wer hat sie angebaut? Und: Wie konnte sie sich als Nahrungsmittel durchsetzen, was bedeutete es, das man plötzlich die Kartoffel hatte? Da gehen wir zum Beispiel auf das Thema Hunger ein. Weil Hungersnöte hatten eine ganz entscheidende Funktion bei der Durchsetzung der Kartoffel. Dann gehen wir auch auf die Frage ein, wer Kartoffeln gegessen hat, und versuchen die Frage zu klären, ob der König selbst Kartoffeln gegessen hat."

    Hat er nicht. Zumindest sind auf keinem der zahlreichen archivierten königlichen Küchenzettel Kartoffeln vermerkt. Wieso die Rede vom Kartoffelkönig dennoch nicht ganz falsch ist, wie man anhand der Verbreitung einer Frucht die Gesellschafts- und Landwirtschaftsgeschichte Preußens erzählt und wieso die Kartoffel aus der deutschen Küche längst nicht mehr wegzudenken ist, all das zeigt die Schau über "Kartoffel und König" lehrreich und augenzwinkernd zugleich.