Andreas Schwab: Aus meiner Sicht handelt es sich hierbei um theoretische Erwägungen, die mit der Praxis wenig zu tun haben, denn wenn Sie sich mal Ihren Privathaushalt anschauen und überlegen, was Sie als Sonderausgaben nicht bei der Steuer, sondern Ihrer Frau erklären, dann wissen Sie auch nicht, was da alles drunter fallen soll. Deswegen glaube ich, dass man bei einem so wichtigen Punkt, der die europäische Währung und ihre Stellung in der Welt betrifft, sich nicht auf Formelkompromisse wird einigen können.
Klein: Aber zumindest, wie es aussieht, will Jean-Claude Juncker den Stabilitätspakt als solchen ja erhalten - auch das Drei-Prozent-Defizit-Kriterium - ihn nicht abschaffen, aber eben lockern und das ist auch durchaus, was Experten inzwischen längst fordern.
Schwab: Ja, Experten fordern, dass der Rat ausreichende Stabilität bietet. Wenn Sie sich an die Diskussionen erinnern, die im Zusammenhang mit der Einführung des Euro stattgefunden haben, da haben damals alle Experte erklärt, der Stabilitäts- und Wachstumspakt bietet ausreichend Flexibilität. Und Sie müssen ja sehen, dass drei Prozent Neuverschuldung pro Jahr nun auch kein Pappenstiel ist in den Mitgliedsstaaten. Schon heute war ja vorgesehen, dass dieses Drei-Prozent-Kriterium ausnahmsweise Anwendung findet, wenn Infrastrukturmaßnahmen, wenn übermäßige wirtschaftliche Probleme hier sind und damit eben ausnahmsweise eine Verschuldung stattfinden muss. Aber das Drei-Prozent-Kriterium nun zum Standard zu erklären, so zu tun, als ob drei Prozent Neuverschuldung ohnehin normal wären jedes Jahr und jetzt noch neue Ideen hinzugezerrt werden könnten, wie beispielsweise neue Autobahnen oder mehr Geld für die Bildung, das halte ich für absurd. Wir brauchen im Prinzip, und da hat der luxemburgische Premierminister durchaus Recht, das Prinzip, dass wir bei Zeiten guter Kassenlage Einsparungen vornehmen und keine Neuverschuldung haben, um dann dieses Geld in Zeiten schwieriger Wirtschaftslage ausgeben zu können. Nur, nachdem die Regierungen seit Jahrzehnten sich nicht dran gehalten haben, brauchen sie jetzt eine Aufweichung des Paktes. Und da muss man schon drüber nachdenken, ob wirklich die Flexibilisierung dieses Paktes im Vordergrund steht, oder ob nicht einfach haushaltspolitische Probleme in Deutschland und Frankreich der Grund sind. Ich glaube, dass Letzteres in der Tat das realistischere Szenarium ist.
Klein: Schauen wir uns mal die Kriterien an, die der Kanzler noch einmal in der Financial Times Deutschland formuliert hat, Kriterien für Ausgaben, die eben nicht herausgerechnet, aber berücksichtigt werden sollen, zum Beispiel Reformen, die kurzfristig zu Wachstumseinbußen führen können, oder zu Defiziterhöhung mittelfristig, aber auf Wachstum und Beschäftigung gerichtet sind. Kann man das akzeptieren?
Schwab: Wissen Sie, in einer Zeit, in der Deutschland bei den Stabilitäts- und Wachstumskriterien vier mal hintereinander daneben gelegen hat, fällt es dem neutralen Beobachter schwer, dem Kanzler die treuen Worte zu glauben, denn wie gesagt, drei Prozent mehr Ausgaben, als man einnimmt, sind ja ohnehin nicht normal, deswegen wäre aus meiner Sicht durchaus angebracht, in der Regel eben nicht bei den drei Prozent zu liegen, sondern für diese Mehrausgaben, genau die Argumente heranzuziehen, die der Kanzler hier erwähnt. Und ich frage mich, wenn jetzt Juncker im Beitrag erzählt hat, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt erhalten bleibt und alles beim Alten bleibt und man nur das eine oder andere überlegt, da frage ich mich, warum er das nicht schon bisher gemacht hat. Es ist so, dass bisher das Europäische Parlament gar nicht mitentscheidet, sondern dass vor allem der Rat sich selbst kontrolliert und die großen Mitgliedsstaaten ja schon in den letzten vier Jahren die Kontrolle des Rates über die Haushalte der großen Mitgliedsstaaten mehr oder weniger restriktiv gehandhabt haben, so dass ich mir nun beim besten Willen nicht erklären kann, wie man nach vier Jahren jetzt neu klären möchte, dass man jetzt das Sparen anfangen wird, sobald die Konjunktur besser wird. Denn leider sehe ich auch am Konjunkturhimmel keinen Sonnenstreif und insofern, finde ich, ist das alles heiße Luft, was hier passiert.
Klein: Nun ist Jean-Claude Juncker erst seit Beginn diesen Jahres europäischer Ratspräsident, ganz turnusmäßig, und der versucht natürlich auch zu vermitteln bei den großen europäischen Staaten, Deutschland und Frankreich, eben einen Kompromiss hinzubekommen. Glauben Sie, dass er da versagt in seiner Funktion?
Schwab: Nein, ich glaube, dass Jean-Claude Juncker einen sehr schwierigen Job zu tun hat und ich habe gehört, dass er eine Verbindung hergestellt haben soll, zwischen der Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und der Finanzierung der Europäischen Union in den Jahren 2007 bis 2012. Und ich fände es absolut unseriös, wenn hier eine Abmachung der jungen Generation getroffen würde, die sagen könnte, der Stabilitäts- und Wachstumspakt wird so aufgeweicht, wie die großen Haushaltsünder in Europa, Deutschland und Frankreich, dies wünschen und dafür sollen die etwas mehr in den EU-Haushalt einzahlen. Ich glaube, das wäre eine Abmachung zu Lasten der jungen Generation und da werden wir uns mit aller Macht dagegen stellen.
Klein: Was wird das europäische Parlament, dem Sie angehören, in den kommenden Wochen zu diesem Thema tun oder beitragen? Was wird Ihre Fraktion tun?
Schwab: Wir haben schon in den vergangenen Wochen über die Änderungsvorschläge, die der Rat verbreitet hat zum Stabilitäts- und Wachstumspakt im Wirtschafts- und Währungsausschuss beraten. Die EVP-Fraktion hat ihre Meinung hier klar geäußert, insbesondere wir von der jungen Generation wollen uns in den nächsten Wochen und Monaten noch stärker einbringen, weil wir glauben, dass wir mit diesem Drei-Prozent-Kriterium ohnehin schon an der Grenze einer nachhaltigen und generationengerechten Finanzpolitik sind und dass wir eine Aufweichung dieser Kriterien deswegen keinesfalls ertragen wollen.
Klein: "Stärker einbringen" - als wie groß schätzen Sie den Einfluss des Europäischen Parlamentes auf diesen Prozess im Moment ein?
Schwab: Wenn Sie mich gefragt hätten vor der Wahl der Barroso-Kommission, wie groß der Einfluss des Europäischen Parlamentes ist, hätte ich Ihnen gesagt, es ist schwierig zu sagen, er ist wahrscheinlich nicht so groß. Hinterher hat es sich dann anderes herausgestellt. Insofern möchte ich dazu jetzt zunächst mal keine Analyse abgeben. Ich weiß es nicht.
Klein: Aber zumindest, wie es aussieht, will Jean-Claude Juncker den Stabilitätspakt als solchen ja erhalten - auch das Drei-Prozent-Defizit-Kriterium - ihn nicht abschaffen, aber eben lockern und das ist auch durchaus, was Experten inzwischen längst fordern.
Schwab: Ja, Experten fordern, dass der Rat ausreichende Stabilität bietet. Wenn Sie sich an die Diskussionen erinnern, die im Zusammenhang mit der Einführung des Euro stattgefunden haben, da haben damals alle Experte erklärt, der Stabilitäts- und Wachstumspakt bietet ausreichend Flexibilität. Und Sie müssen ja sehen, dass drei Prozent Neuverschuldung pro Jahr nun auch kein Pappenstiel ist in den Mitgliedsstaaten. Schon heute war ja vorgesehen, dass dieses Drei-Prozent-Kriterium ausnahmsweise Anwendung findet, wenn Infrastrukturmaßnahmen, wenn übermäßige wirtschaftliche Probleme hier sind und damit eben ausnahmsweise eine Verschuldung stattfinden muss. Aber das Drei-Prozent-Kriterium nun zum Standard zu erklären, so zu tun, als ob drei Prozent Neuverschuldung ohnehin normal wären jedes Jahr und jetzt noch neue Ideen hinzugezerrt werden könnten, wie beispielsweise neue Autobahnen oder mehr Geld für die Bildung, das halte ich für absurd. Wir brauchen im Prinzip, und da hat der luxemburgische Premierminister durchaus Recht, das Prinzip, dass wir bei Zeiten guter Kassenlage Einsparungen vornehmen und keine Neuverschuldung haben, um dann dieses Geld in Zeiten schwieriger Wirtschaftslage ausgeben zu können. Nur, nachdem die Regierungen seit Jahrzehnten sich nicht dran gehalten haben, brauchen sie jetzt eine Aufweichung des Paktes. Und da muss man schon drüber nachdenken, ob wirklich die Flexibilisierung dieses Paktes im Vordergrund steht, oder ob nicht einfach haushaltspolitische Probleme in Deutschland und Frankreich der Grund sind. Ich glaube, dass Letzteres in der Tat das realistischere Szenarium ist.
Klein: Schauen wir uns mal die Kriterien an, die der Kanzler noch einmal in der Financial Times Deutschland formuliert hat, Kriterien für Ausgaben, die eben nicht herausgerechnet, aber berücksichtigt werden sollen, zum Beispiel Reformen, die kurzfristig zu Wachstumseinbußen führen können, oder zu Defiziterhöhung mittelfristig, aber auf Wachstum und Beschäftigung gerichtet sind. Kann man das akzeptieren?
Schwab: Wissen Sie, in einer Zeit, in der Deutschland bei den Stabilitäts- und Wachstumskriterien vier mal hintereinander daneben gelegen hat, fällt es dem neutralen Beobachter schwer, dem Kanzler die treuen Worte zu glauben, denn wie gesagt, drei Prozent mehr Ausgaben, als man einnimmt, sind ja ohnehin nicht normal, deswegen wäre aus meiner Sicht durchaus angebracht, in der Regel eben nicht bei den drei Prozent zu liegen, sondern für diese Mehrausgaben, genau die Argumente heranzuziehen, die der Kanzler hier erwähnt. Und ich frage mich, wenn jetzt Juncker im Beitrag erzählt hat, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt erhalten bleibt und alles beim Alten bleibt und man nur das eine oder andere überlegt, da frage ich mich, warum er das nicht schon bisher gemacht hat. Es ist so, dass bisher das Europäische Parlament gar nicht mitentscheidet, sondern dass vor allem der Rat sich selbst kontrolliert und die großen Mitgliedsstaaten ja schon in den letzten vier Jahren die Kontrolle des Rates über die Haushalte der großen Mitgliedsstaaten mehr oder weniger restriktiv gehandhabt haben, so dass ich mir nun beim besten Willen nicht erklären kann, wie man nach vier Jahren jetzt neu klären möchte, dass man jetzt das Sparen anfangen wird, sobald die Konjunktur besser wird. Denn leider sehe ich auch am Konjunkturhimmel keinen Sonnenstreif und insofern, finde ich, ist das alles heiße Luft, was hier passiert.
Klein: Nun ist Jean-Claude Juncker erst seit Beginn diesen Jahres europäischer Ratspräsident, ganz turnusmäßig, und der versucht natürlich auch zu vermitteln bei den großen europäischen Staaten, Deutschland und Frankreich, eben einen Kompromiss hinzubekommen. Glauben Sie, dass er da versagt in seiner Funktion?
Schwab: Nein, ich glaube, dass Jean-Claude Juncker einen sehr schwierigen Job zu tun hat und ich habe gehört, dass er eine Verbindung hergestellt haben soll, zwischen der Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und der Finanzierung der Europäischen Union in den Jahren 2007 bis 2012. Und ich fände es absolut unseriös, wenn hier eine Abmachung der jungen Generation getroffen würde, die sagen könnte, der Stabilitäts- und Wachstumspakt wird so aufgeweicht, wie die großen Haushaltsünder in Europa, Deutschland und Frankreich, dies wünschen und dafür sollen die etwas mehr in den EU-Haushalt einzahlen. Ich glaube, das wäre eine Abmachung zu Lasten der jungen Generation und da werden wir uns mit aller Macht dagegen stellen.
Klein: Was wird das europäische Parlament, dem Sie angehören, in den kommenden Wochen zu diesem Thema tun oder beitragen? Was wird Ihre Fraktion tun?
Schwab: Wir haben schon in den vergangenen Wochen über die Änderungsvorschläge, die der Rat verbreitet hat zum Stabilitäts- und Wachstumspakt im Wirtschafts- und Währungsausschuss beraten. Die EVP-Fraktion hat ihre Meinung hier klar geäußert, insbesondere wir von der jungen Generation wollen uns in den nächsten Wochen und Monaten noch stärker einbringen, weil wir glauben, dass wir mit diesem Drei-Prozent-Kriterium ohnehin schon an der Grenze einer nachhaltigen und generationengerechten Finanzpolitik sind und dass wir eine Aufweichung dieser Kriterien deswegen keinesfalls ertragen wollen.
Klein: "Stärker einbringen" - als wie groß schätzen Sie den Einfluss des Europäischen Parlamentes auf diesen Prozess im Moment ein?
Schwab: Wenn Sie mich gefragt hätten vor der Wahl der Barroso-Kommission, wie groß der Einfluss des Europäischen Parlamentes ist, hätte ich Ihnen gesagt, es ist schwierig zu sagen, er ist wahrscheinlich nicht so groß. Hinterher hat es sich dann anderes herausgestellt. Insofern möchte ich dazu jetzt zunächst mal keine Analyse abgeben. Ich weiß es nicht.
