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Lockruf des Goldes

Chemie. - In München ging am Mittwoch eine internationale Konferenz über Anorganische Chemie zu Ende. Einer der Themenschwerpunkte waren die Eigenschaften von Metallen. Im Allgemeinen versuchen Chemiker diese Eigenschaften durch Laborexperimente herauszubekommen, zu verändern und zu gestalten. Zunehmend werden aber auch Simulationen und Berechnungen immer wichtiger. Mit Hilfe leistungsfähiger Computer ist ein Chemiker in Neuseeland nun dem Geheimnis auf die Spur gekommen, warum Gold gelblich glänzt.

    Jedes Metall hat seinen eigenen Glanz. Die typischen Farben erklären Chemiker aus der Bewegung der Elektronen innerhalb der Atome. "Es gibt einen elektronischen Übergang im Festkörper, der im sichtbaren Bereich liegt", erklärt Peter Schwerdtfeger, Professor an der Universität von Neuseelands Hauptstadt Auckland. "Wo die höchste Intensität liegt, bestimmt die Farbe. Gold hat den intensivsten Übergang im gelben Bereich." Diese so genannten Übergänge sind vereinfacht gesagt die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Elektronen auf verschiedenen Bahnen. Die Energien der Elektronen lassen sich berechnen und die Farben eines Metalls so vorhersagen. Gold allerdings müsste nach den Rechnungen eigentlich silbrig glänzen. Dass es das nicht tut, ließ Peter Schwerdtfeger keine Ruhe. Seine Hypothese fußt darauf, dass die Elektronen im Goldatom so schnell sind, dass für sie Einsteins Relativitätstheorie gilt: "In der Speziellen Relativitätstheorie ist seit fast 100 Jahren bekannt, dass die Theorie dann richtig wird, wenn man Teilchen mit sehr hoher Geschwindigkeit - nahe der Lichtgeschwindigkeit - hat. Bei den schweren Elementen wie Gold, Thallium, Blei oder Uran erreichen die Elektronen nahe des Kerns hohe Geschwindigkeiten, 50 Prozent der Lichtgeschwindigkeit." Diese Tatsache haben Chemiker lange vernachlässigt, denn für die üblichen chemischen Reaktionen spielen relativistische Effekte keine Rolle.

    Die gelbe Farbe des Goldes hingegen ist ein solcher relativistischer Effekt, das konnte Schwerdtfeger mit einem der leistungsfähigsten Großcomputer der Welt erstmals berechnen. Die Bahn der Gold-Elektronen, ihre Schale, wird zusammengestaucht. Deshalb ändern sich auch die Übergänge zwischen den Elektronenbahnen, so Schwerdtfeger: "Würde man die Einsteinsche Theorie vernachlässigen, hätte Gold die gleiche Farbe wie Silber. Gold ist aber auch ein Edelmetall, das heißt, es geht nur ungern chemische Reaktionen ein. Auch das ist auf die Relativistik zurückzuführen: Durch die starke Schalenkontraktion sind die Elektronen kompakter und wollen keine Reaktionen eingehen." Besonders relevant sind die relativistischen Effekte für die Schwerionen-Forschung, die mit besonders schweren Elementen hantiert. Ohne Einsteins Theorie, so Schwerdtfeger, könne man deren Chemie überhaupt nicht verstehen.

    [Quelle: Hellmuth Nordwig]