In den letzten zehn Jahren haben Halle ungefähr 60.000 Menschen verlassen, also vor der Wende hatte Halle 308.000 Einwohner, jetzt haben wir noch so 245.000 in etwa, dass ist doch eine erhebliche Größenordnung, also eigentlich eine Kleinstadt wie Kempten im Allgäu. Und wenn man das in Wohneinheiten umrechnet, sind es in etwa 26.000 Wohneinheiten, die in Halle insgesamt leer stehen, davon auch ein großer Prozentsatz in den Altbaugebieten direkt in der Innenstadt und eben in den Großwohnsiedlungen.
Elisabeth Merck, die Leiterin des Stadtplanungsamts in Halle, beschreibt, was neben der Arbeitslosigkeit das größte Problem der Stadt ist: Halle verliert seine Bewohner. In der Innenstadt fällt der Einwohnerschwund noch nicht auf, die Einkaufsstraßen sind belebt wie woanders auch. Doch schon auf einer der Ausfallstraßen fühlt man sich wie in einer Geisterstadt. Leere Fenster, zugemauerte Eingänge, kaum ein Haus, das hier bewohnt ist. In fast jeder Straße der Altstadtviertel werden leere Häuser mit großen Plakaten zum Verkauf angeboten. Fast jede vierte Wohnung steht hier leer. In den Plattensiedlungen ist die Lage ähnlich. Ob saniert oder nicht saniert, auch dort liegt der Leerstand bei über 20 Prozent.
Wirtschaftlich trifft der Leerstand vor allem die Wohungsbaugesellschaften, denen fast 90 Prozent der Mietwohungen in Halle gehören. Aber auch die Stadt selbst kämpft mit sinkenden Einnahmen durch den Einwohnerschwund und hat gleichzeitig durch den Leerstand höhere Kosten, wenn Busse und Bahnen, Schulen und Kindergärten und die übrige Infrastruktur nicht mehr ausgelastet sind. Bis hin zu Problemen, an die über der Erde wirklich keiner denkt. Noch einmal Elisabeth Merck:
Schwieriger ist es zum Teil auch für die ganzen Leitungen und die Dinge, die unten drunter liegen, beispielsweise Abwasser oder Trinkwasserleitungen, die haben einen bestimmten Querschnitt, und da müssen Volumen durch jeden Tag was in Relation dazu steht und wenn das nicht mehr stimmt, muss man sozusagen Trinkwasser durchspülen, weil es sonst nicht mehr hygienisch ist. Ist natürlich auch ein Kostenfaktor.
Halle steht mit Einwohnerschwund und Wohnungsleerstand stellvertretend für fast alle Städte in den neuen Bundesländern. Rund 1,3 Millionen Wohnungen stehen dort leer. Auch für die Entwicklung des Leerstandes ist Halle typisch.
Neben der Kernstadt aus der Gründerzeit sind in der DDR mit den Plattensiedlungen Halle- Neustadt und Silberhöhe noch einmal fast neue Städte entstanden, Schlafstädte für die nahen Buna Chemiewerke. Schon zu DDR-Zeiten gab es in den Altbauquartieren rund um die Innenstadt deshalb einen erheblichen Leerstand. Mit der Wende und dem Zusammenbruch der Betriebe haben viele Menschen Halle Richtung Westen verlassen und dann auch in den Plattensiedlungen Leerstand erzeugt.
Doch seit Mitte der 90er Jahre veröden ostdeutsche Städte nicht mehr durch die Abwanderung in den Westen. Die neuen Bundesländer hatten ab 1993 sogar wieder einen Wanderungsüberschuss durch vermehrten Zuzug aus dem Ausland. Es ist mittlerweile vor allem der Wohnungsneubau in den neuen Ländern selbst, der den Städten die Bewohner entzieht. Durch üppige Sonderabschreibungen und Investitionszulagen boomten in den 90er Jahren in den neuen Ländern der Wohnungsbau und schuf ein riesiges Angebot. Vor allem aber war es der Wunsch nach den eigenen vier Wänden, der die Menschen aus den Städten getrieben hat. Ulrich Pfeiffer vom Forschungsinstitut empirica in Berlin.
Ostdeutschland ist eine Region mit einem ungeheuren Mangel an Eigenheimen. Und deshalb gibt es eine massive Abwanderung in die Eigenheime, wir schätzen 50-60.000 pro Jahr. Diese Abwanderung wird anhalten, denn die jetzt 20-25jährigen aus den 70er Jahren, die Haushalte gründen, sind in 10 Jahren im eigentumsfähigen Alter. Dann ist man so 35-40. Dann kommt es zu einer zweiten Eigentumswelle, die wiederum Neubau erzeugt und damit Leerstände erzeugt. Insgesamt besteht das Risiko, dass noch mal eine Million leere Wohnungen hinzukommen.
Die zweite Eigentumswelle – darum dreht sich im Moment alles im Städtebau in Ostdeutschland. Denn die jetzt 20-25 Jährigen sind die letzten geburtenstarken Jahrgänge in den neuen Ländern, die noch in großem Stil Wohnraum benötigen und Eigentum erwerben werden. Ist diese Generation erst einmal versorgt, dann wird sich im Wohnungsbau im Osten nicht mehr viel bewegen, denn mit den nachfolgenden geburtenschwachen Jahrgängen geht die Nachfrage nach Wohnraum rapide zurück. Wenn alle, die jetzt Eigentum bilden wollen, ins Umland ziehen, dann sind die Städte auf Dauer leergefegt und die wohlhabenden Schichten wohnen vor der Stadt. Kein Wunder, dass die Städte mit allen Mitteln versuchen diese Gruppe in der Stadt zu halten. Halle preist daher seine Altbauten an. Elisabeth Merck auf einem Spaziergang durch die Stadt.
Wir versuchen Leute davon zu überzeugen, hier Eigentum zu bilden und halt nicht vor den Toren der Stadt. Dass wir sagen, kauft doch zwei oder drei Familien gemeinsam so ein Haus, die sind ja zum Teil gar nicht so teuer und saniert es gemeinsam und bewohnt es dann gemeinsam. Die meisten schrecken ja davor zurück, weil sie nicht wissen, wie sie nicht recht wissen, wie sie so was denn händlen sollen. Und da eine qualifizierte Beratung an die Hand zu geben, sowohl von der Finanzseite als auch von der Bauseite, das kann auf alle Fälle eine Menge bewegen.
Doch für die Städte ist es nicht einfach, Käufer für ihre Altbauten zu finden. Wer sich Wohneigentum leisten kann, der will zu 90 Prozent ein Ein- oder Zweifamilienhaus. Und das ist gerade in den neuen Bundesländern so billig zu haben wie sonst nirgendwo in Deutschland. Vor allem die Umlandgemeinden umwerben zahlungskräftige Familien mit billigem Bauland, das es dort im Überfluss gibt. Denn wer sich Wohneigentum leisten kann, ist für die Gemeinden attraktiv, wie Fabian Dosch erklärt vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.
Die Gemeinde hat nur begrenzt Möglichkeiten Geld einzunehmen und die Ausweisung von Bauland soll ja dazu führen, dass einerseits sich Betriebe ansiedeln, zum anderen aber auch Einwohner, die dann über die Einkommenssteuer oder Gewerbesteuer Finanzmittel in die Kassen der Kommunen hineinbringen. Und es ist durchaus rational, dass die Gemeinden immer mehr Bauland ausweisen als tatsächlich auch nachher vermarktbar ist.
Die Städte dagegen tun sich schwer die Nachfrage nach Ein- und Zweifamilienhäusern zu befriedigen. Dabei gäbe es Platz genug. Fast alle ostdeutschen Städte verfügen aus stillgelegter Industrieproduktion oder alten Wohngebieten über große Brachflächen, die auch als Bauland für die benötigten Ein- und Zweifamilienhäuser dienen könnten. Und diese Brachen könnten einen Großteil des Eigenheimbaus aufnehmen, der jetzt im Umland der Städte stattfindet. Doch die Entwicklung dieser Brachen ist teuer und aufwendig. Alte Gebäude müssen abgebrochen werden und häufig sind die Flächen durch Schadstoffe belastet. Obwohl es sich um fast wertloses Gelände handelt, müssen die Städte die Flächen teuer kaufen. Dazu nochmals Ulrich Pfeiffer von empirica:
Das ärgerliche an Ostdeutschland ist, dass wir überall viel zu hohe Boden und Immobilienpreise haben. Unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen würden die Bodenpreise bei null sein und sie zahlen wegen mir in Leipzig noch 150 Euro pro Geschossfläche, wenn sie einen leeren Altbau kaufen. Diese absurden Preise, die nichts mit den Ertragsmöglichkeiten zu tun haben, privatwirtschaftlich ist der Ertragswert null, sind Folge der hohen Subventionserwartungen. Die hohen Subventionserwartungen halten die Preise hoch und machen das recyceln, also das Wiedernutzen von Flächen sehr teuer. Die Bodenpreise gehen nicht runter.
Subventionen, die eigentlich für die Sanierung der Flächen bestimmt sind, wandern so in die Taschen der Grundeigentümer. Dass Eigentümer von Brachen in den Städten keinerlei Anreize haben, ihre Flächen zu einem reellen Preis an die Kommunen abzugeben, liegt auch an der geringen Besteuerung von Grund und Boden. Denn die Grundsteuer wird in Deutschland nicht nach dem wirklichen Wert eines Grundstücks erhoben, sondern nach dem sogenannten Einheitswert, der vor allem in den Innenstädten weit unter dem Wert der Grundstücke liegt. Wer sein Stadtgrundstück brach liegen lässt, kann so ohne große Kosten jahrelang auf Bodenpreissteigerung spekulieren. Dabei wäre durchaus eine Grundsteuer möglich, die auch den Städten helfen könnte.
Das Prinzip einer Bodenwertsteuer ist bekannt. In der Amerika haben wir eine Propertytax, die wird erhoben auf Brachflächen. In England ist es so, dass Grundstücke, die nicht genutzt werden zum Wert in der gegenwärtigen Nutzung enteignet werden, und wenn dort nicht genutzt wird, ist das praktisch null, das können wir alles in Deutschland nicht. Die Eigentumsrechte in Deutschland von Bodeneigentümern sind so stark ausgestattet, dass wir als Gesellschaft ständig massiv dafür bluten, wenn wir sicherstellen wollen, dass diese Flächen wieder genutzt werden in einer Stadt. Wenn sie diese ganzen Brachflächen am Markt kaufen wollen, dann sind wir pleite.
Knapp bei Kasse sind die Kommunen ohnehin, weil der Leerstand in Alt- und Plattenbauten die Haushalte der Städte strapaziert. Vor allem auf dem Mietwohnungsmarkt droht eine Abwärtsspirale, die die kommunalen Wohnungsgesellschaften, aber auch private Vermieter mit sich reißen könnte. Denn der Leerstand hat längst Ausmaße erreicht, dass auch die Mieten in den belegten Wohnungen so weit gesunken sind, dass die Vermietung kaum noch rentabel ist. Um einen Zusammenbruch des Mietwohungsmarktes zu verhindern, wollen die Städte mit Abriss den Leerstand beseitigen. Bund und Länder unterstützen den Abriss von überflüssig gewordenen Wohnungen. Für den "Stadtumbau Ost", wie das Förderprogramm heißt, sollen die Kommunen bis 2009 rund 2,7 Milliarden Euro erhalten und damit rund 350.000 Wohnungen vom Markt nehmen.Wie die Städte nach dem Kahlschlag aussehen könnten, erklärt die Hallenser Stadtplanerin Elisabeth Merck:
Wir haben uns einige Szenarien überlegt, wie kann eine Stadt sich entwickeln und wie sieht sie aus, wenn sie schrumpft. Es besteht zum Beispiel die Chance drin, dass man einfach größflächigere grüne Vernetzungskorridore schafft. Im Fall von Halle hier haben wir den Schwerpunkt die Heide, die Saaleaue und hier größere Durchgrünungen zu schaffen innerhalb der Stadtstrukturen, die diese Bereiche vernetzen, könnte eine Qualität sein. Dann gibt es die Variante. Die jetzt so unser Stadtentwicklungskonzept erst mal verfolgt. Dass man sagt, man stärkt die Kernbereiche und versucht, wenn die Stadt schrumpft, das Schrumpfen so zu steuern, dass es eher an den Rändern passiert. Dann gibt es die Variante, die perforierte Stadt, die sich je nach Perforierungsgrad durchaus auch als sinnvoll erweisen kann, wenn die Stadt sehr dicht ist an bestimmten Stellen. Man schafft dann über grüne Inseln oder andere Nutzungen eine höhere Wohnqualität. Wenn die Perforation aber zu groß wird, bricht es auseinander und dann ist es das Gegenteil einer nachhaltigen Stadt.
Eine zu große Perforation oder schlicht Löcher in der Stadt – davor haben alle Stadtplaner im Osten Angst. Denn ein Altstadtblock mit nur zwei bewohnten Häusern lässt sich auch mit noch so vielen Grünflächen nicht mehr attraktiv machen. Ob der Stadtumbau gelingt, hängt deshalb vor allem davon ab, in wie weit die Städte den Leerstand in den Wohnungen begrenzen und einkommensstarke Schichten halten können.
Löcher in den Städten und ein zersiedeltes Umland - das ist nicht nur ein Problem der neuen Bundesländer. Auch im Westen der Republik leiden mittlerweile Städte unter Leerstand. Vor allem im Ruhrgebiet, in Nordhessen und in Niedersachsen verlieren die Städte Einwohner. Und auch hier ist ein weiterer Leerstand absehbar, denn wie im Osten geht auch im Westen die Bevölkerung zurück.
Die Wohnungsbaupolitik hat bislang kaum auf diese neue Situation reagiert. Auch wenn der Bund jetzt beim Stadtumbau hilft, die Summen die dort ausgegeben werden sind gewissermaßen Peanuts gegen die Beträge, die sonst in der Baupolitik bewegt werden. Denn Bund und Länder geben rund 17 Milliarden Euro jährlich für den Wohnungsbau aus und fördern damit vor allem den Neubau am Stadtrand und den Wegzug aus den Städten. Dazu noch einmal Fabian Dosch vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.
Wenn wir uns den gesamten Förderbereich anschauen und die Wirkungen auf die Flächeninanspruchnahme, dann muss man relativ nüchtern feststellen, dass fast alle Förderinstrumente den zusätzlichen Flächenverbrauch begünstigen. Wir haben ja eine sehr grundlegende Förderung mit der Eigenheimzulage, wir haben Baukindergeld, wir haben viele weitere Formen der Förderung. Zum Beispiel die Entfernungspauschale ist in dem Sinne ja auch eine Eigenheimförderung, denn sie ermöglicht ja die steuerliche Absetzung von Berufspendelkosten.
Gerade in den neuen Bundesländern hat der Flächenverbrauch nach der Wende enorm zugenommen. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche ist fast eineinhalb mal so schnell gewachsen wie in den alten Bundesländern und das, obwohl im Osten die Bevölkerungszahlen gesunken sind, während der Westen eine massive Einwanderung verkraften musste.
Und so bleibt der Flächenverbrauch ein gesamtdeutsches Problem. Denn Jahr für Jahr steigt der Flächenverbrauch für Wohnen, Arbeiten und Verkehr unaufhaltsam an. Mittlerweile sind es rund 130 ha am Tag. Das entspricht etwa der Größe von 200 Fußballfeldern, um die sich die Siedlungsfläche jeden Tag vorschiebt. Vor allem zu Lasten der Landwirtschaft, wie Gertrude Penn vom Umweltbundesamt erläutert.
Was im Moment zusätzlich versiegelt wird, sind landwirtschaftlich genutzte Böden und zwar oft sehr fruchtbare und gute Böden, während also so die Grenzertragsböden eigentlich seltener unter die Räder kommen. Das liegt daran, dass die größten Siedlungsschwerpunkte auch in den Gebieten mit fruchtbaren Böden liegen.
Doch nicht nur fruchtbare Böden gehen durch den Flächenverbrauch verloren: Auch Tiere und Pflanzen verlieren immer mehr Rückzugsraum. Gleichzeitig wird es teuer, die Infrastruktur in zersiedelten Regionen zu unterhalten. Je weiter die Menschen auseinander leben, desto schwieriger ist es, einen kostendeckenden öffentlichen Nahverkehr zu organisieren. Und ohne leistungsfähige Busse und Bahnen steigt der Individualverkehr und der verlangt nach noch mehr Straßen: Der Flächenverbrauch steigt weiter.
Auch die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Zersiedlung zu stoppen. Von jetzt 130 ha am Tag will sie bis 2020 den Flächenverbrauch auf 30 ha pro Tag reduzieren. Allein es fehlen bislang konkrete Schritte zur Umsetzung dieses Ziels. Lediglich das Umweltbundesamt prüft derzeit, ob es möglich ist, die Planungshoheit der Kommunen einzuschränken und ihnen festgelegte Kontingente für die Ausweisung von Bauland zuzuteilen. Wenn eine Kommune mehr Bauland will, als ihrer Zuteilung entspricht, müsste sie dieses dann von einer anderen Gemeinde kaufen.
Doch angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung ist es nicht nur aus Sicht des Umweltschutzes sinnvoll mit Boden sparsam umzugehen. Auch die Immobilienwirtschaft dürfte sich eigentlich keinen zusätzlichen Neubau mehr wünschen, davon ist zumindest die wohungsbaupolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag überzeugt. Franziska Eichstädt-Bohlig.
Das, was sich die Menschen vielfach noch nicht klar machen ist, dass natürlich auch eine indirekte Entwertung von den Gebäuden ist, die noch in der Vermietung sind und noch in der Nutzung sind, und dass damit diese traditionell selbstverständliche Haltung, wenn ich mein Häusle irgendwie erneuert habe, dann kann ich mich drauf verlassen, dass ich irgendwann die Wertsteigerung auch realisiere und wenn ich es zum Verkauf anbiete eben 400.000 DM oder eine Million daraus erwirtschafte, dass das nicht mehr realisierbar ist, weil durch den Bevölkerungsrückgang und die Wirtschaftskonkurrenz da dann niemand mehr hinzieht und die Häuser entsprechend nachfragt. Die meisten Eigentümer und Verbände wollen es noch nicht so ganz wahr haben, dass Bevölkerungsentwicklung und Immobilienwirtschaft wie kommunizierende Röhren sind.
Alle im Bundestag vertretenen Parteien wollen in der nächsten Legislaturperiode die Wohungsbauförderung reformieren, denn allen ist klar, soviel Geld wie heute kann der Staat in Zukunft nicht mehr ausgeben. Der wohnungsbaupolitischer Sprecher der CDU Dietmar Kansy:
Wir sind spätestens seit dem zweiten Weltkrieg als Deutsche gewöhnt, dass der Staat eigentlich der Verantwortliche ist, dass ich vernünftig wohne. Bei zwei Billionen Staatsverschuldung und 10 Billionen Privatvermögen in diesem Land ist es langfristig nicht mehr denkbar, dass wir in gleichem Umfang öffentliche Mittel zur Förderung des Wohnens einsetzen. Wir müssen uns auf die konzentrieren, die es aus eigenen Mitteln nicht mehr können. Zweitens, wenn wir Fördern müssen wir uns angucken, was kostet uns das, was bringt uns das gesellschaftspolitisch, da gibt es unterschiedliche Perspektiven der Parteien. Ich behaupte hier erneut, das geförderte selbst genutzte Eigentum ist immer noch die preiswerteste Form, da machen sich die Leute krumm, verzichten jahrelang auf Urlaub, bringen einen riesen Eigenanteil im Gegensatz zu einem Mieter der in einer durch Steuersubvention runter subventionierten sogenannten freifinanzierten Wohnung wohnt und sich einen Dreck darum schert, was es dem Staat an Steuerverzichten bedeutet.
Die Union setzt dabei weiter auf die Förderung des Wohungsneubaus, während SPD und vor allem die Grünen den Erwerb im Bestand fördern wollen. Das so Dietmar Kansy, werde aber nicht ausreichen, um den Bedarf in den kommenden Jahren zu decken.
Wenn jährlich ein Prozent der Wohnungen und das sind nun mal zwischen 300.000 und 400.000 Wohnungen abgeht. Wir haben als Bundestag uns mal aufarbeiten lassen, wie das in den nächsten Jahren aussieht. Selbst bei einem sichtbaren Absinken der Bevölkerungszahl, wird die Anzahl der Haushalte noch weiter zunehmen in Deutschland, weil eben die Älteren länger leben und in ihren groß gewordenen Wohnungen bleiben, weil die Gesellschaft versingelt.
In der Tat rechnet auch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung bis 2015 mit einer Zunahme der Haushalte. Doch danach schrumpfen Bevölkerung und die Zahl der Haushalte wieder. Und das könnte dann für uns alle teuer werden. Noch einmal Franziska Eichstädt-Bohlig.
Niemand kann es sich leisten, das noch mal zu wiederholen in Westdeutschland was in Ostdeutschland gelaufen ist, dass die ersten zehn Jahre lang hart Neubau Neubau Neubau gefördert wird in einer exorbitanten Form und dass man dann vor dem Finanzminister steht und sagt, so jetzt gib uns Geld für den Abriss und damit wir mit dem Leerstand umgehen können, dass ist Aberwitz, das kann kein Mensch verstehen, so kann man mit Steuergeldern einfach nicht umgehen. Von daher hoffe ich auf die Argumente der Vernunft.
Elisabeth Merck, die Leiterin des Stadtplanungsamts in Halle, beschreibt, was neben der Arbeitslosigkeit das größte Problem der Stadt ist: Halle verliert seine Bewohner. In der Innenstadt fällt der Einwohnerschwund noch nicht auf, die Einkaufsstraßen sind belebt wie woanders auch. Doch schon auf einer der Ausfallstraßen fühlt man sich wie in einer Geisterstadt. Leere Fenster, zugemauerte Eingänge, kaum ein Haus, das hier bewohnt ist. In fast jeder Straße der Altstadtviertel werden leere Häuser mit großen Plakaten zum Verkauf angeboten. Fast jede vierte Wohnung steht hier leer. In den Plattensiedlungen ist die Lage ähnlich. Ob saniert oder nicht saniert, auch dort liegt der Leerstand bei über 20 Prozent.
Wirtschaftlich trifft der Leerstand vor allem die Wohungsbaugesellschaften, denen fast 90 Prozent der Mietwohungen in Halle gehören. Aber auch die Stadt selbst kämpft mit sinkenden Einnahmen durch den Einwohnerschwund und hat gleichzeitig durch den Leerstand höhere Kosten, wenn Busse und Bahnen, Schulen und Kindergärten und die übrige Infrastruktur nicht mehr ausgelastet sind. Bis hin zu Problemen, an die über der Erde wirklich keiner denkt. Noch einmal Elisabeth Merck:
Schwieriger ist es zum Teil auch für die ganzen Leitungen und die Dinge, die unten drunter liegen, beispielsweise Abwasser oder Trinkwasserleitungen, die haben einen bestimmten Querschnitt, und da müssen Volumen durch jeden Tag was in Relation dazu steht und wenn das nicht mehr stimmt, muss man sozusagen Trinkwasser durchspülen, weil es sonst nicht mehr hygienisch ist. Ist natürlich auch ein Kostenfaktor.
Halle steht mit Einwohnerschwund und Wohnungsleerstand stellvertretend für fast alle Städte in den neuen Bundesländern. Rund 1,3 Millionen Wohnungen stehen dort leer. Auch für die Entwicklung des Leerstandes ist Halle typisch.
Neben der Kernstadt aus der Gründerzeit sind in der DDR mit den Plattensiedlungen Halle- Neustadt und Silberhöhe noch einmal fast neue Städte entstanden, Schlafstädte für die nahen Buna Chemiewerke. Schon zu DDR-Zeiten gab es in den Altbauquartieren rund um die Innenstadt deshalb einen erheblichen Leerstand. Mit der Wende und dem Zusammenbruch der Betriebe haben viele Menschen Halle Richtung Westen verlassen und dann auch in den Plattensiedlungen Leerstand erzeugt.
Doch seit Mitte der 90er Jahre veröden ostdeutsche Städte nicht mehr durch die Abwanderung in den Westen. Die neuen Bundesländer hatten ab 1993 sogar wieder einen Wanderungsüberschuss durch vermehrten Zuzug aus dem Ausland. Es ist mittlerweile vor allem der Wohnungsneubau in den neuen Ländern selbst, der den Städten die Bewohner entzieht. Durch üppige Sonderabschreibungen und Investitionszulagen boomten in den 90er Jahren in den neuen Ländern der Wohnungsbau und schuf ein riesiges Angebot. Vor allem aber war es der Wunsch nach den eigenen vier Wänden, der die Menschen aus den Städten getrieben hat. Ulrich Pfeiffer vom Forschungsinstitut empirica in Berlin.
Ostdeutschland ist eine Region mit einem ungeheuren Mangel an Eigenheimen. Und deshalb gibt es eine massive Abwanderung in die Eigenheime, wir schätzen 50-60.000 pro Jahr. Diese Abwanderung wird anhalten, denn die jetzt 20-25jährigen aus den 70er Jahren, die Haushalte gründen, sind in 10 Jahren im eigentumsfähigen Alter. Dann ist man so 35-40. Dann kommt es zu einer zweiten Eigentumswelle, die wiederum Neubau erzeugt und damit Leerstände erzeugt. Insgesamt besteht das Risiko, dass noch mal eine Million leere Wohnungen hinzukommen.
Die zweite Eigentumswelle – darum dreht sich im Moment alles im Städtebau in Ostdeutschland. Denn die jetzt 20-25 Jährigen sind die letzten geburtenstarken Jahrgänge in den neuen Ländern, die noch in großem Stil Wohnraum benötigen und Eigentum erwerben werden. Ist diese Generation erst einmal versorgt, dann wird sich im Wohnungsbau im Osten nicht mehr viel bewegen, denn mit den nachfolgenden geburtenschwachen Jahrgängen geht die Nachfrage nach Wohnraum rapide zurück. Wenn alle, die jetzt Eigentum bilden wollen, ins Umland ziehen, dann sind die Städte auf Dauer leergefegt und die wohlhabenden Schichten wohnen vor der Stadt. Kein Wunder, dass die Städte mit allen Mitteln versuchen diese Gruppe in der Stadt zu halten. Halle preist daher seine Altbauten an. Elisabeth Merck auf einem Spaziergang durch die Stadt.
Wir versuchen Leute davon zu überzeugen, hier Eigentum zu bilden und halt nicht vor den Toren der Stadt. Dass wir sagen, kauft doch zwei oder drei Familien gemeinsam so ein Haus, die sind ja zum Teil gar nicht so teuer und saniert es gemeinsam und bewohnt es dann gemeinsam. Die meisten schrecken ja davor zurück, weil sie nicht wissen, wie sie nicht recht wissen, wie sie so was denn händlen sollen. Und da eine qualifizierte Beratung an die Hand zu geben, sowohl von der Finanzseite als auch von der Bauseite, das kann auf alle Fälle eine Menge bewegen.
Doch für die Städte ist es nicht einfach, Käufer für ihre Altbauten zu finden. Wer sich Wohneigentum leisten kann, der will zu 90 Prozent ein Ein- oder Zweifamilienhaus. Und das ist gerade in den neuen Bundesländern so billig zu haben wie sonst nirgendwo in Deutschland. Vor allem die Umlandgemeinden umwerben zahlungskräftige Familien mit billigem Bauland, das es dort im Überfluss gibt. Denn wer sich Wohneigentum leisten kann, ist für die Gemeinden attraktiv, wie Fabian Dosch erklärt vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.
Die Gemeinde hat nur begrenzt Möglichkeiten Geld einzunehmen und die Ausweisung von Bauland soll ja dazu führen, dass einerseits sich Betriebe ansiedeln, zum anderen aber auch Einwohner, die dann über die Einkommenssteuer oder Gewerbesteuer Finanzmittel in die Kassen der Kommunen hineinbringen. Und es ist durchaus rational, dass die Gemeinden immer mehr Bauland ausweisen als tatsächlich auch nachher vermarktbar ist.
Die Städte dagegen tun sich schwer die Nachfrage nach Ein- und Zweifamilienhäusern zu befriedigen. Dabei gäbe es Platz genug. Fast alle ostdeutschen Städte verfügen aus stillgelegter Industrieproduktion oder alten Wohngebieten über große Brachflächen, die auch als Bauland für die benötigten Ein- und Zweifamilienhäuser dienen könnten. Und diese Brachen könnten einen Großteil des Eigenheimbaus aufnehmen, der jetzt im Umland der Städte stattfindet. Doch die Entwicklung dieser Brachen ist teuer und aufwendig. Alte Gebäude müssen abgebrochen werden und häufig sind die Flächen durch Schadstoffe belastet. Obwohl es sich um fast wertloses Gelände handelt, müssen die Städte die Flächen teuer kaufen. Dazu nochmals Ulrich Pfeiffer von empirica:
Das ärgerliche an Ostdeutschland ist, dass wir überall viel zu hohe Boden und Immobilienpreise haben. Unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen würden die Bodenpreise bei null sein und sie zahlen wegen mir in Leipzig noch 150 Euro pro Geschossfläche, wenn sie einen leeren Altbau kaufen. Diese absurden Preise, die nichts mit den Ertragsmöglichkeiten zu tun haben, privatwirtschaftlich ist der Ertragswert null, sind Folge der hohen Subventionserwartungen. Die hohen Subventionserwartungen halten die Preise hoch und machen das recyceln, also das Wiedernutzen von Flächen sehr teuer. Die Bodenpreise gehen nicht runter.
Subventionen, die eigentlich für die Sanierung der Flächen bestimmt sind, wandern so in die Taschen der Grundeigentümer. Dass Eigentümer von Brachen in den Städten keinerlei Anreize haben, ihre Flächen zu einem reellen Preis an die Kommunen abzugeben, liegt auch an der geringen Besteuerung von Grund und Boden. Denn die Grundsteuer wird in Deutschland nicht nach dem wirklichen Wert eines Grundstücks erhoben, sondern nach dem sogenannten Einheitswert, der vor allem in den Innenstädten weit unter dem Wert der Grundstücke liegt. Wer sein Stadtgrundstück brach liegen lässt, kann so ohne große Kosten jahrelang auf Bodenpreissteigerung spekulieren. Dabei wäre durchaus eine Grundsteuer möglich, die auch den Städten helfen könnte.
Das Prinzip einer Bodenwertsteuer ist bekannt. In der Amerika haben wir eine Propertytax, die wird erhoben auf Brachflächen. In England ist es so, dass Grundstücke, die nicht genutzt werden zum Wert in der gegenwärtigen Nutzung enteignet werden, und wenn dort nicht genutzt wird, ist das praktisch null, das können wir alles in Deutschland nicht. Die Eigentumsrechte in Deutschland von Bodeneigentümern sind so stark ausgestattet, dass wir als Gesellschaft ständig massiv dafür bluten, wenn wir sicherstellen wollen, dass diese Flächen wieder genutzt werden in einer Stadt. Wenn sie diese ganzen Brachflächen am Markt kaufen wollen, dann sind wir pleite.
Knapp bei Kasse sind die Kommunen ohnehin, weil der Leerstand in Alt- und Plattenbauten die Haushalte der Städte strapaziert. Vor allem auf dem Mietwohnungsmarkt droht eine Abwärtsspirale, die die kommunalen Wohnungsgesellschaften, aber auch private Vermieter mit sich reißen könnte. Denn der Leerstand hat längst Ausmaße erreicht, dass auch die Mieten in den belegten Wohnungen so weit gesunken sind, dass die Vermietung kaum noch rentabel ist. Um einen Zusammenbruch des Mietwohungsmarktes zu verhindern, wollen die Städte mit Abriss den Leerstand beseitigen. Bund und Länder unterstützen den Abriss von überflüssig gewordenen Wohnungen. Für den "Stadtumbau Ost", wie das Förderprogramm heißt, sollen die Kommunen bis 2009 rund 2,7 Milliarden Euro erhalten und damit rund 350.000 Wohnungen vom Markt nehmen.Wie die Städte nach dem Kahlschlag aussehen könnten, erklärt die Hallenser Stadtplanerin Elisabeth Merck:
Wir haben uns einige Szenarien überlegt, wie kann eine Stadt sich entwickeln und wie sieht sie aus, wenn sie schrumpft. Es besteht zum Beispiel die Chance drin, dass man einfach größflächigere grüne Vernetzungskorridore schafft. Im Fall von Halle hier haben wir den Schwerpunkt die Heide, die Saaleaue und hier größere Durchgrünungen zu schaffen innerhalb der Stadtstrukturen, die diese Bereiche vernetzen, könnte eine Qualität sein. Dann gibt es die Variante. Die jetzt so unser Stadtentwicklungskonzept erst mal verfolgt. Dass man sagt, man stärkt die Kernbereiche und versucht, wenn die Stadt schrumpft, das Schrumpfen so zu steuern, dass es eher an den Rändern passiert. Dann gibt es die Variante, die perforierte Stadt, die sich je nach Perforierungsgrad durchaus auch als sinnvoll erweisen kann, wenn die Stadt sehr dicht ist an bestimmten Stellen. Man schafft dann über grüne Inseln oder andere Nutzungen eine höhere Wohnqualität. Wenn die Perforation aber zu groß wird, bricht es auseinander und dann ist es das Gegenteil einer nachhaltigen Stadt.
Eine zu große Perforation oder schlicht Löcher in der Stadt – davor haben alle Stadtplaner im Osten Angst. Denn ein Altstadtblock mit nur zwei bewohnten Häusern lässt sich auch mit noch so vielen Grünflächen nicht mehr attraktiv machen. Ob der Stadtumbau gelingt, hängt deshalb vor allem davon ab, in wie weit die Städte den Leerstand in den Wohnungen begrenzen und einkommensstarke Schichten halten können.
Löcher in den Städten und ein zersiedeltes Umland - das ist nicht nur ein Problem der neuen Bundesländer. Auch im Westen der Republik leiden mittlerweile Städte unter Leerstand. Vor allem im Ruhrgebiet, in Nordhessen und in Niedersachsen verlieren die Städte Einwohner. Und auch hier ist ein weiterer Leerstand absehbar, denn wie im Osten geht auch im Westen die Bevölkerung zurück.
Die Wohnungsbaupolitik hat bislang kaum auf diese neue Situation reagiert. Auch wenn der Bund jetzt beim Stadtumbau hilft, die Summen die dort ausgegeben werden sind gewissermaßen Peanuts gegen die Beträge, die sonst in der Baupolitik bewegt werden. Denn Bund und Länder geben rund 17 Milliarden Euro jährlich für den Wohnungsbau aus und fördern damit vor allem den Neubau am Stadtrand und den Wegzug aus den Städten. Dazu noch einmal Fabian Dosch vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.
Wenn wir uns den gesamten Förderbereich anschauen und die Wirkungen auf die Flächeninanspruchnahme, dann muss man relativ nüchtern feststellen, dass fast alle Förderinstrumente den zusätzlichen Flächenverbrauch begünstigen. Wir haben ja eine sehr grundlegende Förderung mit der Eigenheimzulage, wir haben Baukindergeld, wir haben viele weitere Formen der Förderung. Zum Beispiel die Entfernungspauschale ist in dem Sinne ja auch eine Eigenheimförderung, denn sie ermöglicht ja die steuerliche Absetzung von Berufspendelkosten.
Gerade in den neuen Bundesländern hat der Flächenverbrauch nach der Wende enorm zugenommen. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche ist fast eineinhalb mal so schnell gewachsen wie in den alten Bundesländern und das, obwohl im Osten die Bevölkerungszahlen gesunken sind, während der Westen eine massive Einwanderung verkraften musste.
Und so bleibt der Flächenverbrauch ein gesamtdeutsches Problem. Denn Jahr für Jahr steigt der Flächenverbrauch für Wohnen, Arbeiten und Verkehr unaufhaltsam an. Mittlerweile sind es rund 130 ha am Tag. Das entspricht etwa der Größe von 200 Fußballfeldern, um die sich die Siedlungsfläche jeden Tag vorschiebt. Vor allem zu Lasten der Landwirtschaft, wie Gertrude Penn vom Umweltbundesamt erläutert.
Was im Moment zusätzlich versiegelt wird, sind landwirtschaftlich genutzte Böden und zwar oft sehr fruchtbare und gute Böden, während also so die Grenzertragsböden eigentlich seltener unter die Räder kommen. Das liegt daran, dass die größten Siedlungsschwerpunkte auch in den Gebieten mit fruchtbaren Böden liegen.
Doch nicht nur fruchtbare Böden gehen durch den Flächenverbrauch verloren: Auch Tiere und Pflanzen verlieren immer mehr Rückzugsraum. Gleichzeitig wird es teuer, die Infrastruktur in zersiedelten Regionen zu unterhalten. Je weiter die Menschen auseinander leben, desto schwieriger ist es, einen kostendeckenden öffentlichen Nahverkehr zu organisieren. Und ohne leistungsfähige Busse und Bahnen steigt der Individualverkehr und der verlangt nach noch mehr Straßen: Der Flächenverbrauch steigt weiter.
Auch die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Zersiedlung zu stoppen. Von jetzt 130 ha am Tag will sie bis 2020 den Flächenverbrauch auf 30 ha pro Tag reduzieren. Allein es fehlen bislang konkrete Schritte zur Umsetzung dieses Ziels. Lediglich das Umweltbundesamt prüft derzeit, ob es möglich ist, die Planungshoheit der Kommunen einzuschränken und ihnen festgelegte Kontingente für die Ausweisung von Bauland zuzuteilen. Wenn eine Kommune mehr Bauland will, als ihrer Zuteilung entspricht, müsste sie dieses dann von einer anderen Gemeinde kaufen.
Doch angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung ist es nicht nur aus Sicht des Umweltschutzes sinnvoll mit Boden sparsam umzugehen. Auch die Immobilienwirtschaft dürfte sich eigentlich keinen zusätzlichen Neubau mehr wünschen, davon ist zumindest die wohungsbaupolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag überzeugt. Franziska Eichstädt-Bohlig.
Das, was sich die Menschen vielfach noch nicht klar machen ist, dass natürlich auch eine indirekte Entwertung von den Gebäuden ist, die noch in der Vermietung sind und noch in der Nutzung sind, und dass damit diese traditionell selbstverständliche Haltung, wenn ich mein Häusle irgendwie erneuert habe, dann kann ich mich drauf verlassen, dass ich irgendwann die Wertsteigerung auch realisiere und wenn ich es zum Verkauf anbiete eben 400.000 DM oder eine Million daraus erwirtschafte, dass das nicht mehr realisierbar ist, weil durch den Bevölkerungsrückgang und die Wirtschaftskonkurrenz da dann niemand mehr hinzieht und die Häuser entsprechend nachfragt. Die meisten Eigentümer und Verbände wollen es noch nicht so ganz wahr haben, dass Bevölkerungsentwicklung und Immobilienwirtschaft wie kommunizierende Röhren sind.
Alle im Bundestag vertretenen Parteien wollen in der nächsten Legislaturperiode die Wohungsbauförderung reformieren, denn allen ist klar, soviel Geld wie heute kann der Staat in Zukunft nicht mehr ausgeben. Der wohnungsbaupolitischer Sprecher der CDU Dietmar Kansy:
Wir sind spätestens seit dem zweiten Weltkrieg als Deutsche gewöhnt, dass der Staat eigentlich der Verantwortliche ist, dass ich vernünftig wohne. Bei zwei Billionen Staatsverschuldung und 10 Billionen Privatvermögen in diesem Land ist es langfristig nicht mehr denkbar, dass wir in gleichem Umfang öffentliche Mittel zur Förderung des Wohnens einsetzen. Wir müssen uns auf die konzentrieren, die es aus eigenen Mitteln nicht mehr können. Zweitens, wenn wir Fördern müssen wir uns angucken, was kostet uns das, was bringt uns das gesellschaftspolitisch, da gibt es unterschiedliche Perspektiven der Parteien. Ich behaupte hier erneut, das geförderte selbst genutzte Eigentum ist immer noch die preiswerteste Form, da machen sich die Leute krumm, verzichten jahrelang auf Urlaub, bringen einen riesen Eigenanteil im Gegensatz zu einem Mieter der in einer durch Steuersubvention runter subventionierten sogenannten freifinanzierten Wohnung wohnt und sich einen Dreck darum schert, was es dem Staat an Steuerverzichten bedeutet.
Die Union setzt dabei weiter auf die Förderung des Wohungsneubaus, während SPD und vor allem die Grünen den Erwerb im Bestand fördern wollen. Das so Dietmar Kansy, werde aber nicht ausreichen, um den Bedarf in den kommenden Jahren zu decken.
Wenn jährlich ein Prozent der Wohnungen und das sind nun mal zwischen 300.000 und 400.000 Wohnungen abgeht. Wir haben als Bundestag uns mal aufarbeiten lassen, wie das in den nächsten Jahren aussieht. Selbst bei einem sichtbaren Absinken der Bevölkerungszahl, wird die Anzahl der Haushalte noch weiter zunehmen in Deutschland, weil eben die Älteren länger leben und in ihren groß gewordenen Wohnungen bleiben, weil die Gesellschaft versingelt.
In der Tat rechnet auch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung bis 2015 mit einer Zunahme der Haushalte. Doch danach schrumpfen Bevölkerung und die Zahl der Haushalte wieder. Und das könnte dann für uns alle teuer werden. Noch einmal Franziska Eichstädt-Bohlig.
Niemand kann es sich leisten, das noch mal zu wiederholen in Westdeutschland was in Ostdeutschland gelaufen ist, dass die ersten zehn Jahre lang hart Neubau Neubau Neubau gefördert wird in einer exorbitanten Form und dass man dann vor dem Finanzminister steht und sagt, so jetzt gib uns Geld für den Abriss und damit wir mit dem Leerstand umgehen können, dass ist Aberwitz, das kann kein Mensch verstehen, so kann man mit Steuergeldern einfach nicht umgehen. Von daher hoffe ich auf die Argumente der Vernunft.