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Lohn des Montreal-Protokolls

Umwelt. - Das EU-Forschungsprojekt "Scout" soll untersuchen, wie verschiedene Atmosphärenschichten miteinander wechselwirken. Dass sich die Sorge um die Atmosphäre lohnt, zeigen neue Berechnungen: demnach verhindert das Montreal-Protokoll hierzulande Hautkrebserkrankungen.

Von Volker Mrasek |
    Es ist nicht nur das Ozonloch über der Antarktis, das langlebiger und vermutlich größer wäre, wenn es das Montreal-Protokoll nicht gäbe. Auch in anderen Regionen würde mehr ultraviolettes Sonnenlicht bis zum Boden vordringen. Denn die Ozonschicht wäre fast überall auf der Welt dünner – auch in Mitteleuropa. Welche Folgen hätte das für die Bevölkerung? Übermäßige UV-Strahlung kann bekanntlich Hautkrebs auslösen. Forscher aus dem SCOUT-Projekt legen dazu jetzt eine Risikoabschätzung vor. Unter ihnen der Physiker Harry Slaper vom Nationalen Institut für Öffentliche Gesundheit und Umwelt in den Niederlanden. Dort wurde ein entsprechendes Computermodell entwickelt:

    "Werfen wir einen Blick auf Nordwest-Europa - auf die Niederlande, Belgien und Deutschland. Auf eine Million Einwohner kommen bei uns heute 1.000 bis 1.500 Fälle von Hautkrebs pro Jahr. Wenn es das Montreal-Protokoll und seine Folgeregelungen nicht gäbe, würde sich diese Erkrankungsrate nach unseren Simulationen bis zum Jahr 2060 verdoppeln."

    Nach den Szenarien wird die Hautkrebs-Rate in Deutschland und seinen Nachbarländern auf jeden Fall ansteigen - auch mit Montreal-Protokoll. Die schädlichen FCKW sind zwar längst verboten. Doch die Stoffe halten sich Jahrzehnte lang in der Atmosphäre. Sie werden der Ozonschicht noch lange zusetzen und deren Schutzwirkung vermindern. UV-Belastung und Krebsfälle nehmen weiter zu:

    "Spielen wir das Szenario bis zum Jahr 2060 durch. Mit dem Montreal-Protokoll erwarten wir in unserer Region nur 150 zusätzliche Hautkrebs-Fälle pro Million Einwohner und Jahr. Ohne das Protokoll aber wäre die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen sechs- bis zehnmal so hoch."

    In ihrem Szenario gehen die Forscher davon aus, dass sich das Freizeitverhalten der Westeuropäer in Zukunft nicht grundlegend ändert. Wäre es so und würde sich jeder von uns im Frühling und Sommer besser vor der Sonne schützen, hätte das natürlich auch Auswirkungen auf die Hautkrebs-Rate. Sie wäre niedriger. Für Strahlungsphysiker Slaper bleibt es unerlässlich, die UV-Belastung genau zu beobachten – trotz Montreal-Protokoll und rückläufiger FCKW-Konzentrationen in der Atmosphäre. Im Rahmen des SCOUT-Projektes sollen die Modelle für die UV- und Hautkrebs-Prognose sogar noch verbessert werden:

    "Es gab in der Vergangenheit einige böse Überraschungen. Niemand hat das Ozonloch vorhergesagt. Und auch die globalen Ozon-Verluste waren größer als erwartet. In Zukunft könnte es wieder solche Überraschungen geben - durch den Einfluss der Klimaerwärmung. In Nordwest-Europa spielen Wolken eine wichtige Rolle im Strahlungshaushalt. Sie reduzieren die UV-Belastung am Boden um 30 bis 40 Prozent. Es ist gut möglich, dass sich Bewölkungsmuster durch den Klimawandel ändern. Das würde sich dann auch auf die UV-Belastung auswirken."

    Das Montreal-Protokoll wiederum hat etwas Gutes fürs Klima. Das Verbot der FCKW hilft nicht nur der Ozonschicht. Es verhindert auch, dass sich die Atmosphäre stärker aufheizt. Denn zu allem Überfluss sind FCKW auch noch potente Treibhausgase. In Potsdam berichten Forscher der Universität Cambridge jetzt, dass der positive Klima-Effekt des Montreal-Protokolls sogar noch größer ist als bisher vermutet. Ohne das FCKW-Verbot heizen sich in ihrem Modell die Polargebiete zusätzlich auf, weil sich großräumige Luftströmungen ändern. Um Meereis und Polargletscher wäre es dann noch schlechter bestellt. Eine zusätzliche Bestätigung für den Nutzen des globalen Umweltschutz-Abkommens.