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Lohnunterschiede
Gleiche Arbeit, ungleiche Bezahlung

Eine Werkstattleiterin aus Göppingen kämpft als Gleichstellungsbeauftragte an der Uni Stuttgart für gerechte Bezahlung der Frauen. Sie bekommt selbst rund 1.200 Euro netto monatlich weniger als ihr Kollege. Nach mehreren erfolglosen Klagen will sie jetzt vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Von Uschi Götz |
    Uni Stuttgart, Fakultät Architektur und Stadtplanung. Im Mai vergangenen Jahres hat Edeltraud Walla, Leiterin der Werkstatt für Modellbau an der Universität Stuttgart, eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Werkstattleiterin wehrt sich seit Jahren erfolglos dagegen, dass sie schlechter als ihr Kollege bezahlt wird.
    "Um die 1.200 Euro, sind's."
    1.200 Euro netto monatlich weniger als ihr Kollege verdient die Werkstattleiterin. Dabei ist ihr Kollege, auch er leitet eine Werkstatt für Modellbau, laut Edeltraud Walla kein Meister, sondern Facharbeiter. Die 59-Jährige hingegen ist Schreinermeisterin.
    Edeltraud Walla wirkt jugendlich, burschikos, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Der mittelgroßen Frau mit dunkelblonden, kurzen Haaren sind ihre 59 Jahre nicht anzusehen. Sie trägt Jeans und ein kariertes Holzfällerhemd. Handball hat sie früher gespielt, in Göppingen, erzählt sie. Sie stand im Tor.
    Ursprünglich - also ab Beginn ihrer Beschäftigung im Jahr 1994 - war Edeltraud Walla in der gleichen BAT- Tarifgruppe wie ihr männlicher Kollege eingruppiert. Knapp zehn Jahre später wurde sie immer noch tarifgerecht eingestuft, allerdings befand sich ihr Kollege da schon zwei Tarifgruppen höher als sie.
    "Als ich damals den Dekan angesprochen habe, wie das denn sein kann, dass es so eine große Differenz gibt zwischen den Gehältern, dann habe ich die Warnung zu hören bekommen, aber gehen sie ja nicht zum Personalrat, dann ist das Gespräch hier sofort beendet."
    Die gelernte Schreinermeisterin gehört nicht zu der Sorte Mensch, denen zur richtigen Zeit, der richtige Satz einfällt. Doch die Ungerechtigkeit nagt an der Frau. Der Kollege bekommt eine Maschine, die sich auch für ihre Werkstatt gewünscht hat. Das stört sie fast mehr als die schlechtere Bezahlung. Warum er und sie nicht? Die Warnung des Rektors im Ohr, nicht zum Personalrat zu gehen, schlägt die Handwerkerin in den Wind. Nicht nur für sich will sie streiten - auch für andere Frauen. Dass sie was erreichen kann, haben auch die Kollegen gemerkt: Vor einigen Jahren wurde sie zur Gleichstellungsbeauftragten gewählt und fühlte sich damit auch stark genug für eine juristische Auseinandersetzung.
    Ihr eigener Fall landete 2012 vor dem Stuttgarter Arbeitsgericht. Doch die mittlerweile sehr selbstbewusst auftretende Werkstattleiterin verlor den Prozess. In der Urteilsbegründung hieß es damals, "der Mitarbeiter unterscheide sich nicht nur hinsichtlich des Geschlechts, sondern auch hinsichtlich des Alters und weiterer Merkmale seines Werdegangs, seiner beruflichen Ausbildung, seiner Beschäftigungsdauer deutlich von der Klägerin." Edeltraud Walla schüttelt den Kopf:
    "Kann man nicht nachvollziehen, also ich kann es nicht nachvollziehen. Denn, wenn ein Professor sich auf eine Hausmeisterstelle bewirbt, dann wird der sicherlich nicht das Professorengehalt bekommen, sondern er kriegt was ihm letztendlich für die Tätigkeit zusteht: Dieses Hausmeistergehalt."
    Aus der Universitätsverwaltung heißt es auch heute noch, dass beim Fall der Werkstattleiterin keine geschlechtsspezifische Diskriminierung vorliege. Dr. Hans Herwig Geyer, Pressesprecher der Universität Stuttgart:
    "Die Tatsache, dass es zu unterschiedlichen Vergütungen gekommen ist, zwischen der Werkstattleiterin und dem Werkstattleiter, hat vielmehr historische Gründe, die in den früheren Tätigkeiten des Werkstattleiters begründet liegen. Die Tatsache der ungleichen Behandlung liegt in dem Umstand begründet, dass dem Werkstattleiter vor der Zusammenlegung der beiden Werkstätten zu einer zentralen Werkstatt der Fakultät weiterführende, höher qualifizierende Zusatzaufgaben von der Fakultät übertragen wurden. Und diese führten dann auch konsequenterweise zu einer Höhergruppierung."
    Historische Gründe. Edeltraud Walla wollte es dabei nicht belassen und zog 2013 noch mal vor Gericht - vor das Landesarbeitsgericht in Stuttgart. Auch dort scheiterte sie, eine Revision wurde verwehrt. Sie zog weiter. Doch mittlerweile hat auch das Bundesarbeitsgericht sie abgewiesen. Eine Weile habe ihr das zugesetzt, erinnert sich die Göppingerin.
    Allerdings sei sie so auch offener geworden für die Situation anderer Frauen. Viele hoch qualifizierte Frauen, erzählt sie weiter, sitzen als Sekretärinnen irgendwo in der Uni-Verwaltung. Das sei schade, bedauert sie. Trotz allem: Edeltraud Walla selbst fühlt sich bis heute am richtigen Ort. Sie lächelt:
    "Ich arbeite sehr gerne mit den Studenten, sie sind sehr höflich, entgegenkommend, oder wie sagt man da? Sie sind stark interessiert natürlich ihr Produkt fertigzumachen."
    In diesem Fall Architekturmodelle. Nachdem das Bundesarbeitsgericht im vergangenen Jahr eine Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen hatte, entschloss sich die Werkstattleiterin nun für eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.
    Die Verwaltung der Uni Stuttgart begrüßt den Schritt. Denn das Rumoren im Hintergrund stört den Betrieb. Auch hier scheint mittlerweile angekommen: Mit sogenannten "historischen Gründen" die Besserbezahlung eines männlichen Mitarbeiters zu begründen ist im Jahr 2015 möglicherweise nicht mehr ganz zeitgemäß. Also besser ein Schlussstrich von höchster Stelle, positiv formuliert:
    "Vielleicht ist auf diesem Wege eine noch größere Rechtssicherheit und Rechtsakzeptanz erreichbar."
    Noch ist nicht entschieden, ob die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zugelassen wird. Werkstattleiterin Edeltraud Walla geht davon aus, dass sie am Ende der jahrelangen Auseinandersetzung an höchster Stelle endlich Recht bekommen wird.