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Lokaljournalismus weltweit
Vom Robotertext bis zur Newshotline

Wie sich lokale Nachrichten verbreiten, ist weltweit völlig unterschiedlich. Bei einem Workshop der Bundeszentrale für Politische Bildung haben sich Journalistinnen und Journalisten aus verschiedenen Ländern über ihre Arbeitstechniken ausgetauscht – und neue Ideen mitgenommen.

Von Annika Schneider | 17.06.2019
Ein Mann auf einem Markt in Munnar (Indien) liest eine Zeitung.
Auch über den Medienkonsum in Indien wurde beim Workshop berichtet (dpa/ Sebastian Kahnert)
Von der bunt gekleideten jungen Frau bis zum Mann mit grauem Vollbart: Die Menschen, die an runden Tischen angeregt diskutieren, kommen aus Asien und Südamerika, aus Afrika und Europa. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie machen Lokaljournalismus und sie wollen ihn besser machen.
Denn dass gut recherchierte, lokale Nachrichten in Zeiten von Falschmeldungen und Propaganda wichtiger sind denn je, wissen sie alle – auch Abed Othman aus Palästina: "Lokaljournalismus soll nicht Meinung beeinflussen, sondern helfen, Meinung zu bilden. Und die Menschen, die ihre Informationen haben, richtige Informationen, sie können ihre Meinung auch richtig bilden. Und dann kann man die nicht so leicht auf den Arm nehmen. Und diese Rolle kann Lokaljournalismus besser als andere Arten von Journalismus auch vorantreiben."
Lokale Informationen fehlen
Dass das in vielen Regionen der Welt keine Selbstverständlichkeit ist, weiß Rai Shahnawaz. Er arbeitet in Pakistan als Korrespondent für ein saudi-arabisches Medienunternehmen: "Ich habe eine Lokalzeitung abonniert. Immer, wenn ich sie aufschlage, sehe ich große Nachrichten und Geschichten über Verbrechen. Aber was passiert in meiner Umgebung? Das fehlt in der Zeitung."
Wie es anders geht, zeigen an diesem Nachmittag Kollegen aus aller Welt. Li L‘Estrade ist vom schwedischen Medienhaus Mittmedia angereist. Das Lokalzeitungsunternehmen lässt bereits Tausende Artikel automatisiert von Computern schreiben – was auf großes Interesse bei den internationalen Kollegen stößt. Möglich ist das auch, weil in Schweden viele private Informationen öffentlich im Netz stehen – zum Beispiel zu Immobilienverkäufen.
"Es hängt davon ab, ob die Daten frei verfügbar sind – ohne sie geht es nicht. Wir haben in Schweden viel Datenmaterial, deswegen können wir das machen. Für viele Länder ist das eine Chance. Sie sollten keine Angst haben."
Nachrichten per Hotline
Der Kontrast zum Nachbartisch könnte kaum größer sein: Der Inder Shrubshanshu Choudhary vom Online-Portal CGnet Swara macht Journalismus für Menschen, die noch nicht einmal Internet haben. Lokalnachrichten bekommen sie per Telefon. Wenn etwas passiert, können sie auf einem Anrufbeantworter eine Meldung hinterlassen. Daraus generiert eine Redaktion täglich Nachrichten, die wiederum über eine Hotline abrufbar sind. Auch an diesem Projekt ist das Interesse groß.
Rute Pina ist Online-Reporterin in Brasilien: "Wir haben mit Indien einiges gemeinsam. In Brasilien gibt es Regionen mit schlechter Internetverbindung und vielen Analphabeten. Über das Projekt können wir also auch nachdenken."
"Ideen können wir teilen"
Es wird angeregt diskutiert an diesem Nachmittag – und nachgefragt. Dass sich der schwedische Roboterjournalismus oder die indische Nachrichtenhotline nicht eins zu eins auf andere Länder übertragen lassen, ist klar. Billion Temesghen nimmt für das Informationsministerium in Eritrea am Workshop teil.
"Die Technik, die in Deutschland verwendet wird, können wir nicht unbedingt auch in meinem Land oder irgendwo anders nutzen. Wir unterscheiden uns in Geschichte, Kultur und sozialem Kontext. Deswegen nutzt jedes Land und jedes Medium das, was am besten passt. Aber Ideen können wir natürlich teilen."
Auch Rai Shahnawaz aus Pakistan weiß, dass die Ressourcen nicht gleich verteilt sind: "Lokaljournalismus in Pakistan hat mit den Ressourcen und Ideen vom Rest der Welt wenig zu tun. Unser Land ist weit weg und weit zurück. Aber tatsächlich habe ich hier Ideen bekommen, dort selbst eine neue Lokalzeitung zu gründen."
Bei allen Unterschieden werden bei dem Workshop auch Gemeinsamkeiten deutlich: Das Vertrauen der Leserinnen und Leser zu gewinnen, ist allen Journalisten ein großes Anliegen. Umso wichtiger ist das journalistische Handwerk, um ausgewogen, fair und fundiert zu berichten – und das funktioniert in Schweden genauso wie in Brasilien oder Indien.