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"Lokomotive" soll wieder auferstehen

Tausende Fans, Angehörige und Freunde haben in der russischen Stadt Jaroslawl Abschied von den bei einem Flugzeugabsturz verunglückten Eishockey-Stars genommen. Trotz der Tragödien ist man sich einig, dass schon bald wieder Eishockey gespielt werden soll.

Von Robert Baag |
    Tiefe Trauer und Fassungslosigkeit prägen auch heute noch, am Tag der Beisetzung, die Stimmung in der nordostrussischen Stadt Jaroslawl. Nicht wenige Menschen dort sind sich inzwischen jedoch ebenso einig, dass bald wieder Eishockey gespielt werden und der berühmte, traditionelle Lokomotiven-Pfiff über dem Beifall der Fans durch die Halle der "Arena 2000" ziehen sollte.

    Dieser Pfiff hat immer dann aufgeheult, wenn die Heimmannschaft den Puck ins gegnerische Tor geschoben hatte. - Nur wenn weitergespielt werde, lasse sich das Andenken an das bei dem Flugzeugabsturz vor drei Tagen fast völlig ausgelöschte Eishockeyteam von "Lokomotive Jaroslawl" am besten ehren und bewahren. Emotional ebenso aufgewühlt sehen dies viele Funktionäre und Spieler der russischen Eishockey-Föderation (FChR) offenbar ähnlich. Vladislav Tretjak, Alt-Internationaler und Präsident der FChR:

    "Viele Athleten aus anderen Clubs haben sich jetzt schon bei uns gemeldet, die helfen und bei 'Lokomotive' einspringen wollen. Viele von denen sind dort einmal ausgebildet worden. Über 30 Spieler sind bereit nach Jaroslawl zu kommen und die neue Saison im Dress von 'Lokomotive' zu starten. Die FChR und auch die KHL, die Kontinentale Hockey-Liga, werden alles tun, damit die Mannschaft aus Jaroslawl so schnell wie möglich wieder einsatzbereit ist, um bei der russischen Meisterschaft und beim Jurij-Gagarin-Pokalwettbewerb mit dabei zu sein."

    Aleksandr Jakuschev, früherer Trainer der russischen "Sbornaja", der russischen Eishockey-Nationalmannschaft, zeigt demonstrative Zuversicht:

    "All diese Anstrengungen müssen einfach erfolgreich sein", meint Jakuschev im russischen Fernsehen - und setzt hinzu: "Die neue Mannschaft wird schon in einer Woche, spätestens in zehn Tagen auflaufen."

    Klar sei aber auch: Gezwungen werden könne zu einem Vereinswechsel natürlich niemand. Das, so Jakuschev, müsse schon von Herzen kommen. - Kommentatoren weisen allerdings inzwischen daraufhin, dass dazu viel Geld nötig sein werde: für neue Verträge, für Entschädigungen seitens "Lokomotive Jaroslawl" an die Hinterbliebenen der Spieler. Hier dürften große Summen fällig werden, hat Sergej Bachrukov, der Gouverneur von Jaroslawl, bereits zu bedenken gegeben. Das gesamte "Lokomotive"-Jahresbudget könnte davon betroffen sein.

    Der Vereinseigentümer, die "Russische Staatsbahn(RZhD)", sollte deshalb finanziell ebenso mithelfen wie die Regierung in Moskau, war zu hören, um den auch international bekannten dreifachen russischen Eishockeymeister vor einem endgültigen Untergang zu retten.

    "Die Angebote der Spieler, für 'Lokomotive' aufzulaufen, sind sehr ehrlich", ist der Präsident der KHL, Aleksandr Medvedev, überzeugt: "Die spekulieren nicht auf einen lukrativen Vertrag. Die Jungs meinen das aufrichtig! Aber die endgültige Entscheidung liegt natürlich bei den Jaroslawlern selbst. Und das sind nicht nur die politische Gebietsführung und nicht nur die Leitung der Russischen Staatsbahn, die Hauptsponsoren, die Eigentümer."

    Zumindest für die Spiele der KHL, der Kontinentalen Hockey-Liga, wird "Lokomotive Jaroslawl" das kommende Jahr über pausieren müssen. Dies hat die Clubleitung heute Vormittag noch während der Beisetzungsfeierlichkeiten bekannt gegeben.

    "Loko, Loko" - der traditionelle Schlachtruf der Fans aus Jaroslawl. - Auch Vladislav Tretjak kennt ihn. Und er weiß, was "Lokomotive" für die Menschen in dieser altehrwürdigen Stadt bedeutet, tief in der russischen Provinz. "Hier", so Tretjak, "vereint der Eishockey-Sport einfach alle. Die Alten und die Jungen. Alle sind sie stolz auf ihren Club und darauf, dass immer die besten Spieler Russlands zu ihnen nach Jaroslawl gefahren sind." Sein düster-trockenes Fazit: "Ohne Eishockey wird die Stadt sterben"