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Londoner Duo "We are shining"
"Wir wollten uns einfach möglichst individuell ausdrücken"

Im letzten Jahr veröffentlichte das Duo "We are shining" sein Mixtape "Devileye", das bereits Songs des aktuellen Longplayers enthielt: Anderthalb Jahre schraubten Morgan Zarate und Acyde an ihrem Album "Kara". Ein pralles und raues Werk, das Blues und Hip Hop, afrikanische Rhythmen, Gospel, Soul und psychedelischen Rock enthält.

Von Ina Plodroch |
    Stampfender Hip Hop mit aufreizendem Gesang.
    Vom Hip Hop ins Psychedelische und dem 4/4 Takt der frühen 70er Jahre.
    Und dann dieser mitreißende Gospel-Soul.
    Am Ende des Albums ist man erst mal ratlos. Was war denn das? Morgan Zarate und Acyde vermischen auf ihrem Debütalbum "Kara" derart viele Stile, dass einem schwindelig werden kann.
    "Es klingt, als hätten wir viele Genres zusammen gebracht und vermischt. Aber wir haben uns das nie als Konzept überlegt. Wir wollten uns einfach nur möglichst individuell ausdrücken."
    Ein Konzept scheint es nicht zu geben
    Erklärt der Sänger Acyde. Ein Konzept scheint es im ersten Moment wirklich nicht zu geben. "Kara" klingt eher wie ein Poesie-Album ihrer musikalischen Einflüsse. Ein bisschen Blues, Krautrock oder Hip Hop. Doch sie schaffen es, dass dieser Stilmix nicht seltsam oder berechnend wirkt. Wenn Referenzen kurz auftauchen - auf einen afrikanischen Rhythmus wieder die Blues-Gitarre folgt und den Hörer weiter in den Bann zieht - klingt das Stück immer noch lässig. Wie im Titel "Hey You", da tänzelt der Beat durch die zweieinhalb Songminuten und lässt den Kopf des Hörers noch Stunden später wippen. Das haben "We are Shining" durchaus geplant.
    "Wenn wir an einem Track arbeiten, lassen wir den Beat den ganzen Tag in einer Dauerschleife laufen. Wenn wir ihn nicht mögen, schmeißen wir ihn schnell wieder weg. Unsere Musik soll zum Alltagsleben dazugehören und man soll sie nicht nur ein einziges mal anhören."
    Wie nachhaltig ist der Beat, das Sample oder die Melodie? So haben etwa schon Kraftwerk gearbeitet und Songs für die Ewigkeit geschaffen. Und doch verweilen"We are Shining" eher im Augenblick und nehmen den Hörer mit auf ihre Studio-Party auf der Acyde singt, nuschelt und ruft – oft beiläufig und energisch. Manchmal überlässt er das Mikrofon auch Sängerinnen wie Eliza Doolittle oder Shingai Shoniwa von Noisettes.
    "Der Klang der eigenen Stimme kann sehr langweilig werden. An manchen Tagen dachte ich: ‚Ich kann sie nicht mehr hören.' Wir wollten für das Album auch eine Art Umgebung schaffen – uns gefiel die Idee, das Album wie eine Art Party zu produzieren. Und alleine kann man keine Party machen. Also haben wir Freunde ins Studio eingeladen. Das Zeug, das man auf dem Album hört, entstand auf vielen Sessions. Leute kamen vorbei, hingen mit uns rum. Und dann meinten wir, komm, lass uns das mal aufnehmen. Wir hatten viel Spaß mit dem Album."
    Nicht immer perfekt - aber das ist gewollt
    Weshalb ihre Songs wohl so energetisch klingen, als wären sie live und spontan auf der Bühne entstanden. Nicht immer perfekt, aber gerade das ist gewollt. Denn
    "We are Shining" fingen an, gemeinsam Musik zu machen, weil ihnen etwas auf dem aktuellen Popmarkt fehlte.
    "Wenn man das Radio anmacht – kommt natürlich darauf an, welcher Sender, bei uns ist BBC1 der Hauptradiosender - spielen die halt von allem etwas. Aber wenn man sich das mal so einen Tag anhört, dann merkt man, dass in der meisten Musik sehr viel technisches Fachwissen steckt, da kommt eine Menge Technik zum Einsatz, so wie Auto-Tune. Es geht da viel um Maschinen und nicht so sehr um etwas Menschliches."
    Ihr Gegenentwurf entfernt sich dabei nur sehr subtil vom diesem "Einheitsbrei". Denn sie verzichten zwar auf die technische Perfektion, was nicht heißt, dass sie ihre Songs nicht technisch bearbeiten – sie polieren sie nur nicht auf Hochglanz, sondern schmirgeln sie rau.
    "Es geht viel mehr um Gefühl und Intention als um Technik. Es ist sehr viel Arbeit, einen Song so klingen zu lassen, als hätte man nichts dafür getan. Aber die Musik wird dadurch bodenständig. Das macht sie körperlich und natürlich."
    Also steht hinter dem Album der beiden Briten doch ein Konzept: Kein einzelnes Genre, sondern die Idee, überproduzierten Popsongs etwas Nahbares und Unperfektes entgegenzusetzen. Und so haben "We are Shining" mit "Kara" dann doch ein ziemlich "perfektes" Debütalbum produziert.