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Loop Belt - gefährliche Kindersicherung im Flugzeug

Ab morgen müssen Kinder, die jünger als zwei Jahre sind, im Flugzeug mit dem sogenannten Loop Belt gesichert werden. So sieht es eine EU-Verordnung vor, der auch das Bundesverkehrsministerium zugestimmt hat. Der TÜV Rheinland und die Zentrale Fluggastberatung des Flugangst-Zentrums in Düsseldorf äußern allerdings erhebliche Bedenken gegen den Gurt und raten Eltern, ihn lieber nicht zu benutzen.

Von Hilde Braun | 15.07.2008
    Der Loop Belt ist ein Schlaufengurt, der am Gurt der Eltern im Flugzeug befestigt wird und um das Kind auf dem Schoß gelegt wird. Damit soll vor allem verhindert werden, dass Kleinkinder bei Notlandungen oder Turbulenzen ungesichert auf den Vordersitz prallen oder durch die Kabine fliegen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall, meint Marc-Roman Trautmann, Leiter des Deutschen Flugangst Zentrums:

    "Das Problem aus unserer Sicht ist bei einem ganz simplen Startabbruch, das heißt, der Flieger beschleunigt und bremst wieder ab, sehr plötzlich und das geht wirklich ruckweise, erleidet das Kind beim Loop Belt sehr, sehr heftige Verletzungen, innere Verletzungen und erleidet diesen so genannten Klappmessereffekt durch den Erwachsenen, denn der schnellt ja auch nach vorne. Wir kritisieren, dass dieser Loop Belt überhaupt zum Einsatz kommt."

    Der TÜV Rheinland hat die Gurte schon vor Jahren getestet. Crash-Versuche haben gezeigt, dass bei einem Unfall der Kopf des Erwachsenen auf den Hinterkopf des Kindes aufschlägt, während der Loop Belt tief in den weichen Unterleib des Kindes einschneidet. Schwerste innere Verletzungen sind die Folge. Martin Sperber ist Teamleiter Luftfahrt vom TÜV Rheinland:

    "Diese Ergebnisse sind seit über zehn Jahren bekannt, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, und er ist noch im Einsatz, aber er ist kein sicheres Rückhaltesystem für das Kind. Er schützt Erwachsene vor herumfliegenden Kleinkindern in der Kabine."

    Das war Grund, die Gurte bei deutschen Fluggesellschaften bislang zu verbieten. Auch in den USA und in Kanada sind sie nicht erlaubt. Die Deutschen Fluggesellschaften führen sie jetzt aber ein. Sabine Teller ist Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher Fluggesellschaften:

    "Die Unternehmen haben sich an die gesetzlichen Vorschriften der EU zu halten, die Unternehmen diskutieren nicht selbst Sicherheitsvorschriften, sondern das ist Aufgabe des Staates und der Sicherheitsbehörden, und die Unternehmen erwarten, dass es von Seiten der Sicherheitsexperten hierzu eine abschließende Meinung gibt, bevor die Öffentlichkeit diese Frage diskutiert und Verunsicherung geschaffen wird."

    Immerhin empfiehlt das Luftfahrtbundesamt allen Eltern auf seiner Homepage, einen eigenen Sitzplatz für unter zweijährige Kinder zu buchen und bei der jeweiligen Fluggesellschaft nachzufragen, ob ein Kindersitz bereit gestellt wird oder selbst einen mitzubringen. Es gibt nur vier TÜV-geprüfte Sitze, die erlaubt sind, Marc-Roman Trautmann:

    "Das ist einmal der Storchenmühle Maximum, der Maxi Cosi Mico, der Römer King quickfix und das Luftikid, das ist ein aufblasbarer Kindersitz. Hintergrund ist aber, es muss ein Zertifikat vorliegen, das heißt, diese Sitze müssen ein bestimmtes Prüfsiegel besitzen, nicht jeder der ein Maxi Cosi Mico im Auto hat, dürfte den also im Flugzeug benutzen."

    Denn auch bei den TÜV-geprüften Sitzen muss mit der Fluggesellschaft abgeklärt werden, ob sie in das jeweilige Flugzeug passen. Bei einigen Airlines geht das nicht, da sie unterschiedliche Maschinen mit verschiedenen Sitzmaßen besitzen und Monate vorher noch nicht zusagen können, welcher Flugzeugtyp zum Reisetermin eingesetzt wird. Da bleibt dann nur der umstrittene Loop Belt. Die Fluggesellschaften haben ihn jedenfalls schon geordert. Sabine Teller:

    "Wir wissen, dass Bestellungen ergangen sind. Die Passagiere können sich jetzt informieren bei ihrer Fluggesellschaft, wenn es möglich ist, noch einen Extrasitz zu buchen, es ist Ferienzeit, die Flieger sind ausgebucht, hier muss man individuell prüfen, was noch möglich ist."

    Das Luftfahrtbundesamt schreibt den deutschen Luftfahrtunternehmen vor, den Loop Belt anzuwenden, sobald die Anzeigen zum Anschnallen im Flugzeug aufleuchten. Die Lufthansa erklärt in einer Stellungnahme, dass der Schlaufengurt aber bei Start und Landung nicht verwendet werden darf, sondern die Eltern ihr Kind auf dem Schoß - wie bisher üblich - ohne Gurt festhalten sollen. Aber auch das ist keine sichere Methode, nach den TÜV-Tests im Ernstfall lebensbedrohlich! Etwas beruhigen kann immerhin die Statistik. Bei europäischen Maschinen, die ja auch in Deutschland landen oder starten, ist der Loop Belt bereits im Einsatz. Unfälle gab es bisher noch nicht:

    "Den Fluggesellschaften ist bisher kein Fall in Europa bekannt, in dem ein Kind beim Einsatz eines Schlaufengurtes zu Schaden gekommen ist."

    Wer sicher gehen will, sollte einen zugelassenen Kindersitz im Flugzeug benutzen. Aber es wird teuer: Da ein Kind unter zwei Jahren keinen Anspruch auf einen Sitzplatz im Flugzeug hat, muss ein zusätzlicher Platz gebucht werden. Je nach Fluggesellschaft kostet das die Hälfte bis zu zwei Dritteln des Preises eines Erwachsenensitzplatzes. Außerdem sollte der Sitzplatz reserviert werden, damit die Kleinsten nicht plötzlich in einer anderen Reihe sitzen. Auch das kostet Geld. Die Lufthansa will den TÜV Rheinland jetzt beauftragen, geeignete Sitze an Bord der Lufthansa-Flotte für die Verwendung handelsüblicher Autokindersitze zu qualifizieren.