Christian Schütte: Hier im Deutschlandfunk haben wir in den vergangenen Wochen zahlreiche Interviews geführt zur Finanzkrise und zu den Folgen. Ein schon etwas älteres Gespräch wollen wir ihnen nicht vorenthalten. Von seiner Aktualität hat es nämlich kaum eingebüßt. Geburtstagskind Loriot hat es geführt.
"Schmoller: Meine Damen und Herren, ganz besonders bangt der Kleinsparer um seine Rücklagen, und viele Veröffentlichungen über die komplizierte Materie tragen vollends zu seiner Unsicherheit und Verwirrung bei. Wir haben heute bei uns hier im Studio Herrn Ministerialdirigent Oldenburg ...
Schmoller: ... Oldenberg ... vom Bundesfinanzministerium und Herrn Lauenfeld, den Aufsichtsratsvorsitzenden der Bank für Christliche Sozialwirtschaft. Meine Herren, unser Gespräch soll die Gesamtsituation einmal ganz ungeschminkt darstellen, wie sie ist. Auch der Laie kann sich dann einen klaren Überblick verschaffen und über die vernünftigste Anlage seiner Ersparnisse selbst entscheiden. Herr Oldenhoff ...
Oldenberg: Oldenberg ...
Schmoller: Herr Oldenberg, hat der Kleinsparer als solcher, oder besser gesagt, glaubt der Kleinsparer der Institution als solcher - oder hat ...
Oldenberg: Herr Schmoller, wenn man einmal von der Ertragsstabilität als restriktiver Notenbankpolitik im Sinne der Verminderung des realen Volumens der industriellen Bruttoanlageinvestitionen, die derzeit 5 ¾ Prozent unter dem Dow-Jones-Index liegen, absieht, kann ohne Wechselkursfreigabe oder stabilitive Selbstfinanzierungsmöglichkeit keine echte Kapazitätsauslastung ohne Inanspruchnahme paritativer Lombardkredite diskontiert werden ...
Schmoller: Mit anderen Worten ... Herr Offenberg ...
Oldenberg: Oldenberg ...
Schmoller: Herr Oldenberg, der Kleinsparer ...
Lauenfeld: Der Kleinsparer, Herr Offenburg ...
Oldenberg: Oldenberg ...
Lauenfeld: Herr Oldenberg, der Kleinsparer spart beim Abrutschen der Nettoselbstfinanzierungsquote auf dem Liquiditätsüberhang ohne Investitionsanreiz ... nicht wahr.
Oldenberg: Das Development Boom-Baisse-Hausse-Passe ...
Lauenfeld: Ich meine, dass eine ...
Oldenberg: Boom-Baisse-Hausse-Passe ...
Schmoller: Meine Herren - ich fasse zusammen: der Kleinsparer spart also ...
Lauenfeld: Aber Herr Oldendorf ...
Oldenberg: Oldenberg ...
Lauenfeld: Herr Oldenberg, Sie werden doch nicht sagen wollen, dass mündelsichere Diskontreservesicherungen ohne jede ...
Oldenberg: Ich meine, unvermündelte Diskontsekrete oder vielmehr diskontierte Mündelgewinne bleiben ohnedies bis zur Mehrwerthalbierung unvermündelt.
Lauenfeld: Aber Herr Offenbach ...
Oldenberg: Offenberg ... äh ... Oldenberg ...
Schmoller: Wer mündelt aber die unvermündelten ... die mündelunsicheren Mündelgewinne. Das interessiert doch den Kleinsparer ... Wer verunmündelt denn den kleinen ... den ... unsicheren ... klein ... Mündel?
Lauenfeld: Aber Herr Mündel ...
Oldenberg: Oldenberg ...
Lauenfeld: Herr Eulenberg, das Stabili ...
Oldenberg: Herr Lauenburg, Sie als Vorsitzender ...
Lauenfeld: Das Stabili ...
Oldenberg: Sie als Vorsitzender der ...
Lauenfeld: Das Stabilitätsprinzip der Sparverbände garantiert dem Kleinsparer über die Verbandskassen der unvermündelten Kleinspargenossenschaften folgende Sicherheiten ...
Schmoller: Meine Damen und Herren, unsere Sendezeit ist momentan überschritten ... Zusammenfassend ... kann ich ... zusammenfassend denke ich ... danke ich Ihnen für dieses ... für dies und das ...
"
Schütte: "Der Kleinsparer" von Loriot. - Vicco von Bülow wird 85. Wir sprechen mit dem Autor, Schauspieler und Kabarettisten Herbert Feuerstein. Einen schönen guten Morgen!
Herbert Feuerstein: Ja, guten Morgen auch.
Schütte: Herr Feuerstein, Sie stammen aus Österreich. Können Sie das zweite Futur bei Sonnenaufgang jodeln?
Feuerstein: Das ist, glaube ich, das "Holotrio, Holotrio, Holotrio, Holotrio". Dann geht die Sonne entweder gleich wieder unter, oder sie bleibt.
Schütte: Ich kann das jetzt nicht beurteilen. Ich hätte gesagt, "Holeriedudödeldideridirideudeldö".
Feuerstein: Das ist die bayerische Version. Das hat der Vicco von Bülow, der Loriot erfunden. Das lehnen wir aber ab in Österreich. Also da geht die Sonne nicht auf unter solchen Umständen.
Schütte: Ich merke, Herr Feuerstein, Sie sind jodelfest. - Alle lieben Loriot. Darf man ihn inzwischen auch - die Zeiten sind andere geworden - ein bisschen langweilig finden?
Feuerstein: Oh, das ist eine harte, provokative Sache. Gerade an einem Geburtstag sagt man so etwas überhaupt nicht. - Ich habe einen wahnsinnigen Respekt vor Loriot. Er ist nicht so ganz meine Richtung gewesen. Ich habe ein bisschen Zeit gebraucht, um dahin zu finden, und ich kenne ihn auch immer so ein bisschen von der unguten Seite her. Er ist ja ein Tier bei der Arbeit und er kann einem ganz schön einheizen, wenn es darum geht, seine sehr, sehr präzisen Vorstellungen zu verwirklichen. Aber nein, langweilig würde ich ihn nicht finden. Es gibt ein bisschen so eine akademische Richtung da drin, wo man vielleicht stutzig sein könnte, aber wissen Sie, zu Loriot gehört auch seine eigene Interpretation. Und wenn die dabei ist, dann ist es auch nicht langweilig.
Schütte: Ich wollte auch nicht behaupten, dass Loriot langweilig sei.
Feuerstein: Haben Sie aber!
Schütte: Nein. - Wir haben alle gelacht bei dem Kleinsparer-Interview. Die Frage aber: warum funktionieren seine Sketche, obwohl viele davon überhaupt gar keine Schlusspointe haben?
Feuerstein: Auch da würde ich sagen, das ist die Art der Interpretation. Das ist auch ein Stück deutsche Parodie, also Eigenparodie. Das ist etwas, dieses sich wörtlich und vor allem sich so wahnsinnig wichtig nehmen. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass Loriot nicht funktioniert, wenn ihn andere machen. Ich bin immer sehr unglücklich, wenn es da so Epigonen gibt, die glauben, die können das auch. Das ist nicht der Fall. Loriot ist schon ein Unikat. Er muss das selber machen und dann ist es großartig.
Schütte: Haben Sie einen Lieblings-Sketch oder einen Lieblingsspruch?
Feuerstein: Von mir ja. Bei Loriot bin ich noch ein bisschen bei seinen Bildern und bei seinen geschrieben Sachen verhaftet und das ist wirklich das Tolle. Wenn man seine Sachen liest, hört man ihn auch gleichzeitig.
Schütte: Hören wir, wie Vicco von Bülow selbst Komik definiert.
O-Ton von Bülow: Komik entsteht immer, wenn Ordnung gebrochen wird, wenn die bekannten Dinge ins Unrichtige oder ins Negative umkippen. Man braucht also die Ordnung, um sie zerstören zu können.
Schütte: Gehen Sie da mit ihm, Herr Feuerstein? Ist das eine immer gültige Erfolgsformel?
Feuerstein: Das ist ja die Definition von Humor überhaupt. Wenn Kinder das erste Mal lachen oder etwas humorig empfinden, ist ja, wenn man ein Wort falsch ausspricht, wenn man eben diese Ordnung bricht. Das so genannte organisierte Chaos ist die Grundlage des Humors. Nur: Dieses Chaos setzt die Ordnung voraus. Die hat man zu brechen. Das ist die Grundregel und niemand hat sie so gut verstanden wie Loriot.
Schütte: Organisiertes Chaos. - Wie viel Loriot steckt in Ihnen, Herr Feuerstein?
Feuerstein: Das müssen andere beurteilen. Ich weiß nicht. Ich bin froh, wenn mehr als 50 Prozent Feuerstein in mir stecken.
Schütte: Dann reden wir über andere vielleicht. Sie haben das Wort Epigonen benutzt. Wie viel Loriot steckt beispielsweise in einem Mario Barth oder in einem Atze Schröder?
Feuerstein: Sie nennen jetzt zwei Namen, die Loriot gerade neulich verteidigt hat. Das setzt ihn irgendwie ein bisschen ab von Reich-Ranicki. Ich bin ein bisschen enttäuscht. Er hätte ruhig rumhacken können. Ich selber bin natürlich auch inzwischen so was von alt und habe mit der Comedy, wie sie jetzt den Markt beherrscht, nicht mehr so ganz viel zu tun und mit Sicherheit der gute Loriot auch nicht. Ich nehme auch nicht an, dass er sie sonderlich wahrnimmt. Aber das macht auch nichts. Jede Zeit hat ja ihren eigenen Ausdruck. Wenn man damit hadert, macht man sich noch unnötig älter. Es gibt so viele andere Dinge, mit denen man sich befassen kann.
Die klare Antwort über Schröder und Barth, die ersparen Sie mir lieber. Es sind ja nette Kollegen. Ich sehe die dauernd bei "genial daneben". Ich will ja nicht, dass sie mich verdreschen.
Schütte: Dann schauen wir aber noch mal, was Loriot gesagt hat über die beiden. Er schrieb, "Atze Schröder oder Mario Barth sind durchaus große Könner auf ihrem Gebiet. Sie bringen ein ganzes Olympiastadion zum Lachen und packen das gesamte Publikum durch die gemeinsame Stimmung und den gemeinsamen Sinn für Komik. Ihr Erfolg beruht vor allem auf einer Form der Stimmungsmache. Das finde ich sehr faszinierend." Das hat Vicco von Bülow der "Sächsischen Zeitung" gesagt.
Feuerstein: Schauen Sie, was ich so zusammenheuchle an einem Tag an Nettigkeiten, die überhaupt nicht stimmen. Also das nehme ich jetzt nicht so ganz ernst.
Schütte: Was wird denn auf lange Sicht bleiben von Loriot, der heute 85 geworden ist, in einer Zeit, in der Tempo, in der die schnelle Pointe gefragt ist?
Feuerstein: Das ist die alte Frage, was von Mimen überhaupt bleibt. Zu ihm gehört ja auch seine Art von sich darzustellen, seine Schauspielkunst und so weiter. Das sind Fragen für die Zukunft. Da möchte ich jetzt auch gar nicht erst anfangen zu heucheln. Das weiß ich einfach nicht. - Für die Generation, die ihn erlebt hat, eine ganze Menge. Er hat uns wirklich viel gegeben. Er hat uns sehr viel Disziplin gelernt. Ich habe ja mit ihm einmal auch arbeiten dürfen und ich sage Ihnen, das war die nackte Hölle.
Schütte: Weshalb?
Feuerstein: Das weiß jeder, der das mal gemacht hat.
Schütte: Erzählen Sie von der Situation. Was ist da passiert?
Feuerstein: Das war so ein Versuch, diese Sendung - wie hieß sie noch mal? - "Spiel ohne Grenzen" in den späten 80er Jahren wiederzubeleben. Das ging fürchterlich schief und man hat den guten Loriot teils als Berater, teils für einen Sketch auch da eingekauft. Das waren sehr chaotische Voraussetzungen. Fernsehen fing gerade an, sich ein bisschen aufzulösen und zu wackeln. Da war er in seiner ganzen Disziplin, der genau wusste, wie jede Geste, wie jedes Wort zu sein hat, und war umgeben von Nieten ich sage einfach mal wie mich. Gleichzeitig hatten wir diesen tiefen Respekt, das zu machen. Wir wussten alle, dass er das hasst. Er ist aber ein sehr, sehr vornehmer, sehr gesetzter Mensch, der das niemals zeigen würde. So haben wir uns gegenseitig da durchgequält. Ich war zum Glück nur als Autor dort tätig, habe wahnsinnig gelitten und tiefe Verachtung mir zugezogen. Ich glaube, damals hätte er nicht die netten Sachen gesagt, die er heute über den Schröder und den Barth sagt.
Schütte: Also Sie wären nicht so gerne Sketch-Partner von Loriot geworden?
Feuerstein: Das wäre ich sogar sehr gerne gewesen, wenn ich es denn gekonnt hätte. Ich hatte damals - heute ist es nicht sehr viel besser, aber ein bisschen Erfahrung kam dazu - überhaupt keine Ahnung, hätte mich auch nie als Darsteller qualifizieren können. Ich war damals als redaktioneller Autor vor Ort und habe das einfach erlebt, habe gelitten und habe ihn bewundert.
Schütte: Vicco von Bülow feiert heute seinen 85. Geburtstag. Darüber sprachen wir mit Herbert Feuerstein, Autor und Kabarettist. Herr Feuerstein, ich danke Ihnen für das Gespräch.
"Schmoller: Meine Damen und Herren, ganz besonders bangt der Kleinsparer um seine Rücklagen, und viele Veröffentlichungen über die komplizierte Materie tragen vollends zu seiner Unsicherheit und Verwirrung bei. Wir haben heute bei uns hier im Studio Herrn Ministerialdirigent Oldenburg ...
Schmoller: ... Oldenberg ... vom Bundesfinanzministerium und Herrn Lauenfeld, den Aufsichtsratsvorsitzenden der Bank für Christliche Sozialwirtschaft. Meine Herren, unser Gespräch soll die Gesamtsituation einmal ganz ungeschminkt darstellen, wie sie ist. Auch der Laie kann sich dann einen klaren Überblick verschaffen und über die vernünftigste Anlage seiner Ersparnisse selbst entscheiden. Herr Oldenhoff ...
Oldenberg: Oldenberg ...
Schmoller: Herr Oldenberg, hat der Kleinsparer als solcher, oder besser gesagt, glaubt der Kleinsparer der Institution als solcher - oder hat ...
Oldenberg: Herr Schmoller, wenn man einmal von der Ertragsstabilität als restriktiver Notenbankpolitik im Sinne der Verminderung des realen Volumens der industriellen Bruttoanlageinvestitionen, die derzeit 5 ¾ Prozent unter dem Dow-Jones-Index liegen, absieht, kann ohne Wechselkursfreigabe oder stabilitive Selbstfinanzierungsmöglichkeit keine echte Kapazitätsauslastung ohne Inanspruchnahme paritativer Lombardkredite diskontiert werden ...
Schmoller: Mit anderen Worten ... Herr Offenberg ...
Oldenberg: Oldenberg ...
Schmoller: Herr Oldenberg, der Kleinsparer ...
Lauenfeld: Der Kleinsparer, Herr Offenburg ...
Oldenberg: Oldenberg ...
Lauenfeld: Herr Oldenberg, der Kleinsparer spart beim Abrutschen der Nettoselbstfinanzierungsquote auf dem Liquiditätsüberhang ohne Investitionsanreiz ... nicht wahr.
Oldenberg: Das Development Boom-Baisse-Hausse-Passe ...
Lauenfeld: Ich meine, dass eine ...
Oldenberg: Boom-Baisse-Hausse-Passe ...
Schmoller: Meine Herren - ich fasse zusammen: der Kleinsparer spart also ...
Lauenfeld: Aber Herr Oldendorf ...
Oldenberg: Oldenberg ...
Lauenfeld: Herr Oldenberg, Sie werden doch nicht sagen wollen, dass mündelsichere Diskontreservesicherungen ohne jede ...
Oldenberg: Ich meine, unvermündelte Diskontsekrete oder vielmehr diskontierte Mündelgewinne bleiben ohnedies bis zur Mehrwerthalbierung unvermündelt.
Lauenfeld: Aber Herr Offenbach ...
Oldenberg: Offenberg ... äh ... Oldenberg ...
Schmoller: Wer mündelt aber die unvermündelten ... die mündelunsicheren Mündelgewinne. Das interessiert doch den Kleinsparer ... Wer verunmündelt denn den kleinen ... den ... unsicheren ... klein ... Mündel?
Lauenfeld: Aber Herr Mündel ...
Oldenberg: Oldenberg ...
Lauenfeld: Herr Eulenberg, das Stabili ...
Oldenberg: Herr Lauenburg, Sie als Vorsitzender ...
Lauenfeld: Das Stabili ...
Oldenberg: Sie als Vorsitzender der ...
Lauenfeld: Das Stabilitätsprinzip der Sparverbände garantiert dem Kleinsparer über die Verbandskassen der unvermündelten Kleinspargenossenschaften folgende Sicherheiten ...
Schmoller: Meine Damen und Herren, unsere Sendezeit ist momentan überschritten ... Zusammenfassend ... kann ich ... zusammenfassend denke ich ... danke ich Ihnen für dieses ... für dies und das ...
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Schütte: "Der Kleinsparer" von Loriot. - Vicco von Bülow wird 85. Wir sprechen mit dem Autor, Schauspieler und Kabarettisten Herbert Feuerstein. Einen schönen guten Morgen!
Herbert Feuerstein: Ja, guten Morgen auch.
Schütte: Herr Feuerstein, Sie stammen aus Österreich. Können Sie das zweite Futur bei Sonnenaufgang jodeln?
Feuerstein: Das ist, glaube ich, das "Holotrio, Holotrio, Holotrio, Holotrio". Dann geht die Sonne entweder gleich wieder unter, oder sie bleibt.
Schütte: Ich kann das jetzt nicht beurteilen. Ich hätte gesagt, "Holeriedudödeldideridirideudeldö".
Feuerstein: Das ist die bayerische Version. Das hat der Vicco von Bülow, der Loriot erfunden. Das lehnen wir aber ab in Österreich. Also da geht die Sonne nicht auf unter solchen Umständen.
Schütte: Ich merke, Herr Feuerstein, Sie sind jodelfest. - Alle lieben Loriot. Darf man ihn inzwischen auch - die Zeiten sind andere geworden - ein bisschen langweilig finden?
Feuerstein: Oh, das ist eine harte, provokative Sache. Gerade an einem Geburtstag sagt man so etwas überhaupt nicht. - Ich habe einen wahnsinnigen Respekt vor Loriot. Er ist nicht so ganz meine Richtung gewesen. Ich habe ein bisschen Zeit gebraucht, um dahin zu finden, und ich kenne ihn auch immer so ein bisschen von der unguten Seite her. Er ist ja ein Tier bei der Arbeit und er kann einem ganz schön einheizen, wenn es darum geht, seine sehr, sehr präzisen Vorstellungen zu verwirklichen. Aber nein, langweilig würde ich ihn nicht finden. Es gibt ein bisschen so eine akademische Richtung da drin, wo man vielleicht stutzig sein könnte, aber wissen Sie, zu Loriot gehört auch seine eigene Interpretation. Und wenn die dabei ist, dann ist es auch nicht langweilig.
Schütte: Ich wollte auch nicht behaupten, dass Loriot langweilig sei.
Feuerstein: Haben Sie aber!
Schütte: Nein. - Wir haben alle gelacht bei dem Kleinsparer-Interview. Die Frage aber: warum funktionieren seine Sketche, obwohl viele davon überhaupt gar keine Schlusspointe haben?
Feuerstein: Auch da würde ich sagen, das ist die Art der Interpretation. Das ist auch ein Stück deutsche Parodie, also Eigenparodie. Das ist etwas, dieses sich wörtlich und vor allem sich so wahnsinnig wichtig nehmen. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass Loriot nicht funktioniert, wenn ihn andere machen. Ich bin immer sehr unglücklich, wenn es da so Epigonen gibt, die glauben, die können das auch. Das ist nicht der Fall. Loriot ist schon ein Unikat. Er muss das selber machen und dann ist es großartig.
Schütte: Haben Sie einen Lieblings-Sketch oder einen Lieblingsspruch?
Feuerstein: Von mir ja. Bei Loriot bin ich noch ein bisschen bei seinen Bildern und bei seinen geschrieben Sachen verhaftet und das ist wirklich das Tolle. Wenn man seine Sachen liest, hört man ihn auch gleichzeitig.
Schütte: Hören wir, wie Vicco von Bülow selbst Komik definiert.
O-Ton von Bülow: Komik entsteht immer, wenn Ordnung gebrochen wird, wenn die bekannten Dinge ins Unrichtige oder ins Negative umkippen. Man braucht also die Ordnung, um sie zerstören zu können.
Schütte: Gehen Sie da mit ihm, Herr Feuerstein? Ist das eine immer gültige Erfolgsformel?
Feuerstein: Das ist ja die Definition von Humor überhaupt. Wenn Kinder das erste Mal lachen oder etwas humorig empfinden, ist ja, wenn man ein Wort falsch ausspricht, wenn man eben diese Ordnung bricht. Das so genannte organisierte Chaos ist die Grundlage des Humors. Nur: Dieses Chaos setzt die Ordnung voraus. Die hat man zu brechen. Das ist die Grundregel und niemand hat sie so gut verstanden wie Loriot.
Schütte: Organisiertes Chaos. - Wie viel Loriot steckt in Ihnen, Herr Feuerstein?
Feuerstein: Das müssen andere beurteilen. Ich weiß nicht. Ich bin froh, wenn mehr als 50 Prozent Feuerstein in mir stecken.
Schütte: Dann reden wir über andere vielleicht. Sie haben das Wort Epigonen benutzt. Wie viel Loriot steckt beispielsweise in einem Mario Barth oder in einem Atze Schröder?
Feuerstein: Sie nennen jetzt zwei Namen, die Loriot gerade neulich verteidigt hat. Das setzt ihn irgendwie ein bisschen ab von Reich-Ranicki. Ich bin ein bisschen enttäuscht. Er hätte ruhig rumhacken können. Ich selber bin natürlich auch inzwischen so was von alt und habe mit der Comedy, wie sie jetzt den Markt beherrscht, nicht mehr so ganz viel zu tun und mit Sicherheit der gute Loriot auch nicht. Ich nehme auch nicht an, dass er sie sonderlich wahrnimmt. Aber das macht auch nichts. Jede Zeit hat ja ihren eigenen Ausdruck. Wenn man damit hadert, macht man sich noch unnötig älter. Es gibt so viele andere Dinge, mit denen man sich befassen kann.
Die klare Antwort über Schröder und Barth, die ersparen Sie mir lieber. Es sind ja nette Kollegen. Ich sehe die dauernd bei "genial daneben". Ich will ja nicht, dass sie mich verdreschen.
Schütte: Dann schauen wir aber noch mal, was Loriot gesagt hat über die beiden. Er schrieb, "Atze Schröder oder Mario Barth sind durchaus große Könner auf ihrem Gebiet. Sie bringen ein ganzes Olympiastadion zum Lachen und packen das gesamte Publikum durch die gemeinsame Stimmung und den gemeinsamen Sinn für Komik. Ihr Erfolg beruht vor allem auf einer Form der Stimmungsmache. Das finde ich sehr faszinierend." Das hat Vicco von Bülow der "Sächsischen Zeitung" gesagt.
Feuerstein: Schauen Sie, was ich so zusammenheuchle an einem Tag an Nettigkeiten, die überhaupt nicht stimmen. Also das nehme ich jetzt nicht so ganz ernst.
Schütte: Was wird denn auf lange Sicht bleiben von Loriot, der heute 85 geworden ist, in einer Zeit, in der Tempo, in der die schnelle Pointe gefragt ist?
Feuerstein: Das ist die alte Frage, was von Mimen überhaupt bleibt. Zu ihm gehört ja auch seine Art von sich darzustellen, seine Schauspielkunst und so weiter. Das sind Fragen für die Zukunft. Da möchte ich jetzt auch gar nicht erst anfangen zu heucheln. Das weiß ich einfach nicht. - Für die Generation, die ihn erlebt hat, eine ganze Menge. Er hat uns wirklich viel gegeben. Er hat uns sehr viel Disziplin gelernt. Ich habe ja mit ihm einmal auch arbeiten dürfen und ich sage Ihnen, das war die nackte Hölle.
Schütte: Weshalb?
Feuerstein: Das weiß jeder, der das mal gemacht hat.
Schütte: Erzählen Sie von der Situation. Was ist da passiert?
Feuerstein: Das war so ein Versuch, diese Sendung - wie hieß sie noch mal? - "Spiel ohne Grenzen" in den späten 80er Jahren wiederzubeleben. Das ging fürchterlich schief und man hat den guten Loriot teils als Berater, teils für einen Sketch auch da eingekauft. Das waren sehr chaotische Voraussetzungen. Fernsehen fing gerade an, sich ein bisschen aufzulösen und zu wackeln. Da war er in seiner ganzen Disziplin, der genau wusste, wie jede Geste, wie jedes Wort zu sein hat, und war umgeben von Nieten ich sage einfach mal wie mich. Gleichzeitig hatten wir diesen tiefen Respekt, das zu machen. Wir wussten alle, dass er das hasst. Er ist aber ein sehr, sehr vornehmer, sehr gesetzter Mensch, der das niemals zeigen würde. So haben wir uns gegenseitig da durchgequält. Ich war zum Glück nur als Autor dort tätig, habe wahnsinnig gelitten und tiefe Verachtung mir zugezogen. Ich glaube, damals hätte er nicht die netten Sachen gesagt, die er heute über den Schröder und den Barth sagt.
Schütte: Also Sie wären nicht so gerne Sketch-Partner von Loriot geworden?
Feuerstein: Das wäre ich sogar sehr gerne gewesen, wenn ich es denn gekonnt hätte. Ich hatte damals - heute ist es nicht sehr viel besser, aber ein bisschen Erfahrung kam dazu - überhaupt keine Ahnung, hätte mich auch nie als Darsteller qualifizieren können. Ich war damals als redaktioneller Autor vor Ort und habe das einfach erlebt, habe gelitten und habe ihn bewundert.
Schütte: Vicco von Bülow feiert heute seinen 85. Geburtstag. Darüber sprachen wir mit Herbert Feuerstein, Autor und Kabarettist. Herr Feuerstein, ich danke Ihnen für das Gespräch.