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"Lothar Bisky war ein feiner Mensch"

Lothar Bisky sei ein kluger Mann gewesen, sagt Dietmar Bartsch, stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion Die Linke. Der gestern verstorbene Politiker sei ein "unheimlich toller Ratgeber" gewesen.

Dietmar Bartsch im Gespräch mit Christine Heuer | 14.08.2013
    Christine Heuer: Lothar Bisky gehört zu den drei großen Figuren der Linkspartei, neben Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. Aufgewachsen in Westdeutschland, ging er mit 18 Jahren in die DDR, aus Überzeugung. Er trat in die SED ein. Aktiv in die Politik mischte sich der Rektor der Filmhochschule Babelsberg aber erst zur Wende ein. Lothar Bisky war Vorsitzender der PDS, später der gesamtdeutschen Linken und er galt in der Partei als Mittler zwischen den Flügeln. In den letzten Jahren zog er sich Schritt um Schritt aus der Politik zurück; gestern ist Lothar Bisky mit 71 Jahren gestorben. – Am Telefon begrüße ich Dietmar Bartsch, politischer Weggefährte Lothar Biskys, stellvertretender Vorsitzender der Linken im Bundestag. Guten Morgen, Herr Bartsch!

    Dietmar Bartsch: Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Heuer: Wie haben Sie Lothar Bisky kennengelernt?

    Bartsch: Kennen gelernt habe ich ihn in den Wendezeiten. Da war Lothar Bisky für mich jemand, der damals 1989/90 den Mut hatte, sich Verantwortung zu stellen, und der darum warb, einen neuen Aufbruch für eine Partei des demokratischen Sozialismus zu starten. Damals war er noch ein Stück weit weg von mir. Enger habe ich dann ab 1990 mit ihm zusammengearbeitet und dann eigentlich bis zum Schluss durchgängig.

    Heuer: Wenn Sie den Menschen Lothar Bisky in wenigen Worten beschreiben sollen, was sagen Sie dann?

    Bartsch: In wenigen Worten? – Lothar Bisky war ein feiner Mensch, um das mit einer Wortgruppe zu beschreiben. Er war unendlich klug, er war ein sehr, sehr kulturvoller Mensch, er war jemand, der zuhören konnte, und er war ein unheimlich toller Ratgeber. Also Menschlichkeit, Toleranz, ganz viele Dinge, die ihn auszeichneten, und das ist nicht nur, dass jemand, der sehr eng mit ihm zusammengearbeitet hat wie ich, das sagt. Ich glaube, auch politische Konkurrenten, aber auch Menschen, die ihn nur kurz kennengelernt haben, würden das bestätigen.

    Heuer: Was, Herr Bartsch, verdankt Die Linke Lothar Bisky? Was vor allem bleibt?

    Bartsch: Ich glaube, dass das heute alles noch gar nicht einzuschätzen ist. Lothar Bisky ist ja in einer Zeit Vorsitzender geworden, 1993, oder schon davor beim außerordentlichen Parteitag und bei ähnlichen Dingen hat er eine ganz wichtige Rolle gespielt. Aber er wurde 1993 Vorsitzender, da war Gregor Gysi gerade zurückgetreten als Parteivorsitzender. Er war zu der Zeit, als wir die entscheidende Bundestagswahl hatten, nämlich 1994, als das Thema drei Direktmandate in Deutschland noch kaum bekannt war, da hat er das wesentlich mitorganisiert. Er hat diesen Neuaufbruch programmatisch hin zu dieser Partei gestaltet, die sich den Zukunftsfragen stellt, jemand, der in großer Kritik, aber auch mit Selbstbewusstsein sich der Vergangenheit stellt, das alles war Lothar Bisky. Der war nie derjenige, der ganz vorne auf der Bühne stand, das wollte er nicht. Er war in der Partei der große Regisseur und er hat dann auch den neuen Aufbruch hin zur Linken wesentlich mitgestaltet.

    Lothar Bisky wollte ja ursprünglich schon im Jahre 2003 in Brandenburg als Landtagsabgeordneter aufhören und sich dann nach Sachsen zurückziehen. Das war mal ein Plan. Er wurde dann von vielen, auch von mir in die Pflicht genommen, noch einmal Vorsitzender zu werden, und er hat diesen langen Weg dann noch einmal bestritten. Also ich glaube, all das, was man da sagen müsste, inhaltlich, von der Kultur in der Partei, niemand hat die Partei so geprägt. Immer wenn es besonders gebrannt hat, kam Lothar Bisky und hat Feuer eingedämmt und hat versucht, uns auf einen Weg zu bringen. Und nicht zuletzt: Er ist ein riesengroßer Europäer gewesen. Er war der Vorsitzende der Europäischen Linkspartei, er hat eine Riesenachtung von Zypern bis Norwegen. Wenn immer man im Ausland ist und nach Bisky fragt, er ist dort ein geachteter Mann.

    Heuer: Ein großes Erbe, Herr Bartsch, das Sie da beschreiben. Bisky war ja auch eine Vaterfigur, ein Mittler und eigentlich ein Mann der Kultur. Sie haben es angesprochen. War er Politiker aus Pflichtgefühl?

    Bartsch: Lothar Bisky hat sich selbst immer beschrieben, andere haben das dann modifiziert, aber er hat das schon 1990 gesagt, dass er ein in der Politik vagabundierender Wissenschaftler ist. Ja, die Medienpolitik war seins, und er ist ja durch die Wendezeit in die Politik gekommen. Ich habe das gestern in einem Film gesehen, der ihm zum Anlass gezeigt worden ist, im RBB – übrigens hervorragend -, wo er den schönen Satz sagte, halb zog es ihn, und ich glaube, dass das es trifft. Lothar Bisky war nicht jemand, der gesagt hat, ich will jetzt in die Politik, und er war immer so für eine Zeit, und in diesem Sinne war er kein klassischer Politiker. Ich war ja auch eine Zeit lang mit ihm zusammen Parlamentarier im Deutschen Bundestag. Er war das nicht so klassisch. Und die Besonderheiten Brandenburgs hat er wesentlich mit geprägt. Die PDS war damals verfassungsgebende Partei mit, gab’s in keinem neuen Bundesland, und deswegen: Bisky war ein anderer Mensch. Mit dem konnte man eigentlich gar nicht, wie man landläufig sagt, böse sein.

    Heuer: Dietmar Bartsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken im Deutschen Bundestag. Ich sprach mit ihm über Lothar Bisky, der gestern 71-jährig verstorben ist. Herr Bartsch, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

    Bartsch: Ich danke Ihnen auch.


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