Archiv


Lotoseffekt und Luftzellen

Technik. – In Friedrichshafen findet derzeit die Freiluftsportmesse "Outdoor" statt. Die Hersteller präsentieren vor allem Hightech-Fasern, die Sportlern und Wanderern allen möglichen, bislang nicht möglichen Komfort bieten sollen.

    Von Thomas Wagner

    So schnell kann's passieren. Adrian Huber vom Schweizer Sportartikel-Hersteller Mammut hat das T-Shirt, das vor ihm auf dem Messestand liegt, wieder mal voll mit Ketchup bekleckert. Aber ein paar Spritzer Wasser genügen - und der Ketchup perlt wie von Zauberhand bewegt wieder ab. Huber:

    Also der Ketchup ist drauf auf der textilen Oberfläche. Und ich nehme jetzt ein Spritzer Wasser und beobachte, dass der Ketchup ebenso wie anderer Schmutz wie Honig oder Öle an dieser Oberfläche abperlt. Das heißt: Die Nanotechnologie eröffnet ein neues Kapitel in der Ausrüstungs-Technologie. Es ist nicht nur wasserabweisend, sondern es ist eben neu auch schmutzabweisend.

    Stichwort Nanotechnologie: Die bildet die Grundlage für die neue Generation schmutzabweisender Textilien, die auf der "Outdoor" in Friedrichshafen vorgestellt werden. Dabei zeichnete die Natur den Weg vor, so Hans-Jürgen Hübner, Outdoor-Entwickler aus dem Schweizer Kanton St. Gallen:

    Also abgesehen hat man sich diese Geschichte von der Lotusblüte. Bei der Lotusblüte hat man gesehen, dass wenn da Schmutz oder Dreck drauf kommt und Regen, dann wäscht das ab. Und durch die Erfindung des Rastermikroskops hat man diese Struktur nachweisen können.

    Die Überraschung dabei war: Die Struktur ist keineswegs, wie die Experten zunächst vermuteten, selbst im molekularen Bereich absolut glatt und eben. Vielmehr entdeckten die Wissenschaftler winzig kleine Hügelchen im Nanometer-Bereich. Das bedeutet: Diese Hügelchen auf der Oberfläche der Lotusblüte sind gerade mal ein Milliardstel Meter groß. Hübner:

    Diese kleine Hügelchen...also man ja früher immer gedacht; Ge glätter eine Struktur ist. desto besser perlt der Schmutz ab. Dem ist aber nicht so. Und durch diese Strukturen hat man eben gelernt, dass man ganz wie Sand eigentlich, aber im viel kleineren Bereich, dass durch diese kleinen Oberflächen die Effekte abperlen. Das gibt es im Autobereich, für Anstriche - und jetzt gibt es das auch zum ersten Mal für Textilien.

    Indem die Entwickler einfach die Oberflächenstruktur der Lotusblüte mit speziell entwickelten Kunststoffen nachgebildet haben. Outdoor-Bekleidung kann so im Nu gereinigt werden - der nächste Regenguss reicht aus. Den Praxistext muss die neue Technologie aber erst noch bestehen.

    Das trifft auch auf den High-Tech-Schlafsack "Sensofil" zu, den der Tettnanger Outdoor-Ausrüster Vaude als Neuheit vorstellt. Das Ziel: Selbst bei extremen Außentemperaturschwankungen soll die Innentemperatur im Schlafsack möglichst gleich bleiben. Das erreichen die Entwickler durch die Kombination unterschiedlicher Fasern in der Hülle des Schlafsackes. Der erste Fasertyp in Körpernähe dient dazu, die Köperwärme nach innen zu reflektieren. Vaude-Sprecher Albrecht von Dewitz :

    Das heißt, wenn die Faser eine Oberfläche bildet, eine möglichst geschlossenzellige Oberfläche, dann reflektiert sie. Geschlossenzelligkeit erreicht man relativ durch das Einsetzen feiner Fasern. Das heißt: Die Fasern liegen einfach näher beieinander. Das steht fast schon im Widerspruch zur bisherigen Erkenntnis. Bisher ging man davon aus: Je mehr Luft , je mehr Bausch ein Schlafsack hat, desto mehr Wärme, desto mehr Isolierfähigkeit hat er. Aber zunächst brauchen wir Reflexion, um die Körperstrahlen wirklich zu reflektieren, damit die Wärmestrahlen des Körpers nicht erreichen.

    Daneben wird aber eine zweite Faserschicht um die Reflektoren herum integriert. Statt geschlossenzellig wählten die Entwickler hier einen grobzelligen Aufbau; zwischen den einzelnen Faserzellen bilden sich mit Luft gefüllte Hohlräume. Dewitz:

    Weil Luft schlechter Wärmeleiter ist, und dadurch erreiche ich, dass die Wärmeleitung entsprechend niedrig ist. Die ist einfach so strukturiert, dass sie möglichst viel Luft um sich herum binden kann.

    Das verhindert die Ableitung von Wärme nach außen. Selbst bei Minus-Graden kuschelt es sich mit dieser Faser-Kombination im High-Tech-Schlafsack angenehm warm.