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Lotse in Geldnot

Welche Risiken hat ein Medikament und wie kann ich mich bei einem ärztlichen Kunstfehler wehren? Diese und ähnliche Fragen beantwortet seit zehn Jahren die Unabhängige Patientenberatung. Doch nun ist ungewiss, wie es mit dem "Wegweiser durch das Gesundheitssystem" weitergeht.

Von Dieter Nürnberger |
    Bei der unabhängigen Patientenberatung geht es derzeit um die Überführung von einem Modellprojekt hin zu einer Regelversorgung. Die Summen, die dafür notwendig sind, stehen zumindest auf dem Papier schon fest. Nach den Plänen der Bundesregierung soll der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung künftig 5,2 Millionen Euro jährlich für diese Beratungstätigkeit ausgeben.

    Derzeit verfügt die Unabhängige Patientenberatung über 22 regionale Beratungsstellen, es gibt ein kostenfreies Beratungstelefon und natürlich ist auch eine Onlineberatung möglich. Träger des bisherigen Modellverbundes, der im Jahr 2006 gegründet wurde, ist der Sozialverbund Deutschland, der Verbund unabhängige Patientenberatung und auch der Verbraucherzentrale Bundesverband, kurz vzbv. Diese Arbeit habe sich bewährt, darüber sind sich die Akteure einig und auch eine wissenschaftliche Begleitstudie kommt zu dem gleichen Ergebnis. Susanne Mauersberg ist Gesundheitsexpertin beim vzbv:

    "Die regionale Anbindung in den 22 Beratungsstellen ist grundsätzlich sehr wichtig. Das ist eine persönliche Beratung vor Ort, sozusagen eine Erdung dieser Tätigkeit. Die Hauptnachfrage läuft aber über das Telefon. Es gibt eine kostenlose bundesweite Hotline. Anrufer sind mit einem Mitarbeiter verbunden, der persönlich berät. Das ist nicht irgendein Callcenter, wo Anfragen lediglich verwaltet werden. Das sind Berater aus der Praxis. Und wo halt keine Beratungsstelle vor Ort ist, hilft das Telefon."

    Bei der Beratung soll es sich auch ganz bewusst um ein niedrigschwelliges Angebot handeln, soll heißen, egal wie einfach oder kompliziert die Frage oder das Problem ist, die Patienten sollen einfach nachfragen dürfen, es gibt keine Verbindlichkeiten wie oft bei anderen Beratungsangeboten. Susanne Mauersberg:

    "Ein ganz typischer Fall wäre: Die Krankenkasse bezahlt eine bestimmte Leistung nicht. Der Versicherte will sich also konkret über seine Ansprüche informieren. Andere Anfragen betreffen oft das Arzt-Patienten-Verhältnis. Der Patient möchte sich über seine Rechte vergewissern, und kann es mit dem Arzt direkt nicht besprechen. Oder er traut sich nicht, es mit dem Arzt zu besprechen."

    Heute findet die erste Lesung über eine dauerhafte Finanzierung der Patientenberatung statt. Die politische Absicht, diese Arbeit dauerhaft zu sichern ist vorhanden. Schon im Koalitionsvertrag ist dies so formuliert. Und auch in einer aktuellen Fragestunde des Bundestages vor zwei Tagen wurde dies noch einmal bekräftigt. Zitat:

    "Die Bundesregierung hat in dem Gesetzentwurf zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Neufassung des § 65b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch integriert, nach der die regelhafte Förderung von Einrichtungen zur unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung durch den GKV-Spitzenverband festgeschrieben wird."

    Und somit sollte eigentlich alles klar sein. Doch macht der Verbraucherzentrale Bundesverband nun darauf aufmerksam, dass zunächst eine Lücke in der Beratung drohe. Der Grund: Die zweite Modellphase endet zum Jahreswechsel, der Regelbetrieb soll dann voraussichtlich zum 1.Januar beginnen. Doch für diesen Übergang müssen natürlich mit den Mitarbeitern vor Ort neue Verträge geschlossen werden, die vorher ausgeschrieben werden müssen. Die Befürchtungen lauten, dass dieses bürokratische Verfahren aufgrund vorhandener Fristen nicht rechtzeitig abgeschlossen werden kann. Passiere dies, dann stünden die Patienten sozusagen vorübergehend vor verschlossenen Türen. vzbv-Expertin Susanne Mauersberg:

    "Das wäre dann wirklich der Extremfall, der eintreten könnte. Es müssen also Übergangskonstruktionen gesucht werden. Und das ist auch für uns schwer auszuloten, wie es gehen könnte. Hier muss angemerkt werden, dass das Ministerium und auch der GKV-Spitzenverband aufgefordert sind, nach einer Lösung zu suchen."

    Es bestehe also dringender Handlungsbedarf, um diese Patientenberatung lückenlos fortführen zu können, sagt der Bundesverband der Verbraucherzentralen.

    Möglichkeiten zur Lösung des Problems gibt es sicherlich: So könnte über eine befristete Weiterführung der Verträge nachgedacht werden, eine andere Möglichkeit könnte in einem beschleunigten Ausschreibungsverfahren liegen. Da werden sicherlich auch die Juristen der betreffenden Institutionen gefragt sein. Doch ganz egal, wie entschieden wird, es könnte zeitlich knapp werden.