Donnerstag, 28. März 2024

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Louise Dumont
Theaterfrau der Jahrhundertwende in neuem Licht

Als Louise Heynen wurde sie 1862 geboren, als Louise Dumont avancierte sie zur Starschauspielerin. 1905 gründete sie mit Gustav Lindemann ein Theater in Düsseldorf. Wie viel Kampfgeist es für eine solche Karriere brauchte, dokumentiert jetzt der erste von zwei Bänden mit Briefen und Dokumenten.

Von Eva Pfister | 07.05.2014
    Zeitgenössische Fotografie der Schauspielerin Louise Dumont (1862-1932). Sie gründete 1905 mit ihrem Mann das Düsseldorfer Schauspielhaus.
    Die Schauspielerin und Theatergründerin Louise Dumont. (dpa)
    Louise Dumont war eine Frau mit unbeirrbarer Willenskraft. Schon dass ihr als gelernter Weißnäherin nach etwas Schauspielunterricht und nur vier Jahren in der Provinz der Sprung ans Wiener Burgtheater gelang, grenzt ans Unglaubliche. Allerdings kam sie nicht an die ganz großen Rollen heran und wechselte ans Königliche Hoftheater in Stuttgart. Dort kämpfte sie zäh um ihre Position, was die Briefe an den Intendanten Baron von Putlitz belegen.
    "Sie haben nicht gezögert, mir eine Rolle wie die Nora, mit welcher ich den größten Erfolg hier hatte, ohne Weiteres fortzunehmen, und heute sind wir glücklich so weit, dass Deutschland keine Schauspielerin meines Faches mehr besitzt, welche nicht für mich gastiert hat."
    Wichtigste Ibsen-Darstellerin der Jahrhundertwende
    Zu solchen Klagen wie im November 1894 sah sich Louise Dumont nicht mehr lange veranlasst. Durch Gastspiele in Russland wurde sie berühmt und avancierte zur wichtigsten Ibsen-Darstellerin der Jahrhundertwende. Sie spielte am Deutschen Theater in Berlin, gründete nebenbei mit Max Reinhardt die Kleinkunstbühne "Schall und Rauch", und ließ sich 1903 von Gustav Lindemann für seine Ibsen-Tourneebühne engagieren. Zwei Jahre später eröffneten die Beiden ihr eigenes, neu erbautes und privat betriebenes Schauspielhaus in Düsseldorf.
    Erst im vierten Anlauf konnte Louise Dumont ihr Idealtheater verwirklichen. Schon in St. Petersburg wollte sie mit einem Kollegen ein deutschsprachiges Theater gründen. Der Rückschlag kam nach der ersten Besprechung mit einem Geldgeber. Der fand es unmöglich, dass eine Dame in der Direktion mitwirken wollte. Louise Dumont lernte aus ihren Rückschlägen; in Düsseldorf schickte sie darum Gustav Lindemann vor:
    "... ich kann am Montag nicht in Düsseldorf sein Lieb, ich kann und werde es nicht, trotz aller heißen heiligen Sehnsucht, bitte glaube und folge diesmal meinem Gefühl. In dem Augenblick, wo Du officiell die Geschäftsführung übernimmst, wäre es nicht gut, wenn ich an Deiner Seite wäre, - das ist wieder einer der Momente, wo die Convention allmächtig ist, ich könnte bei Dir sein: als Deine Frau. (...)
    Im Übrigen wäre es gut zur nächsten Generalversammlung noch einen Architekten hinzuzuziehen. - Aber das weisst du ja Alles viel besser als ich."
    Die beiden heirateten 1907 und leiteten gemeinsam das Schauspielhaus Düsseldorf bis zu Dumonts Tod im Jahr 1932. Gustav Lindemann übergab den Nachlass 1947 der Stadt Düsseldorf mit der Auflage, die Briefe seiner Frau zu veröffentlichen. Das Dumont-Lindemann-Archiv wuchs sich zu einem lebendigen Theatermuseum aus, aber die Briefe verharrten über ein halbes Jahrhundert im Dornröschenschlaf. Auch die neue Edition, die jetzt in Zusammenarbeit mit dem Institut Moderne im Rheinland an der Universität Düsseldorf entstanden ist, erfüllt Lindemanns Forderung nur bedingt. Denn aus Tausenden von Briefen wurden nur 136 für den Band ausgewählt, davon stammen viele auch noch aus anderen Archiven.
    Persönlichkeit mit vielen widersprüchlichen Facetten
    Die Edition verfolgt offensichtlich das Ziel, die Theaterfrau in ein neues Licht zu rücken. Louise Dumont war eine Persönlichkeit mit vielen widersprüchlichen Facetten: Zielstrebig, mit einem Hang zum Okkulten, aber auch zum Luxus und eine überschwängliche Schwärmerin. Das kommt besonders in den Liebesbriefen an Gustav Lindemann zum Ausdruck, von denen das Team der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf einige in einer digitalen Edition aufbereitet hat.
    In dem Buch selbst wird weniger die mystisch angehauchte Künstlerin vorgestellt, sondern die moderne Frau, die um ihre Sache kämpft. Wobei sie nicht nur die eigenen Erfolge vor Augen hatte. So wird Dumonts Gründung der "Centralstelle für die weiblichen Bühnen-Angehörigen Deutschlands" dokumentiert, bei der Schauspielerinnen für wenig Geld gebrauchte Kostüme erwerben konnten. Bis dahin hatten sie sich oft verschuldet – oder sogar prostituiert -, um sich die anspruchsvollen Toiletten anzuschaffen, die von den Theatern verlangt wurden. Dem setzte die Dumont ein Ende.
    Leider ist der Band schlecht vernetzt. In den Anmerkungen sucht man oft vergeblich nach dem Zusammenhang eines Briefes und blättert dann zwischen den vier einleitenden Essays, den Dokumenten und dem Nachwort hin und her. Ein biographischer Überblick wäre hilfreich gewesen. Schließlich kann nicht vorausgesetzt werden, dass die Vita der Louise Dumont allgemein bekannt ist. Im Gegenteil: Seit 1971 ist kein Buch mehr über die Theaterfrau erschienen.
    Wie kommt es, dass diese Starschauspielerin und erste Gründerin eines modernen Theaters so in Vergessenheit geraten konnte? Lag ihr Sendungsbewusstsein der Wissenschaft der 70er- und 80er-Jahre zu fern? Oder liegt es daran, dass es von ihr keine Filmaufnahmen gibt, die ihre charismatische Ausstrahlung belegen könnten? Diese wird im Buch weniger durch die Fotos beglaubigt, die eine kleine kompakte Frau mit meist finsterem Blick zeigen, als durch die zahlreichen Briefe weiblicher Verehrerinnen.
    Was in den eigenen Briefen von Louise Dumont deutlich zum Ausdruck kommt, ist ihr sprühendes Temperament. 1898 schrieb sie aus Berlin an einen Künstlerfreund in Stuttgart:
    "Gehen Sie nach Italien! In Deutschland wächst jetzt keine Kunst, nur Speichelleckerei und Höflingswirtschaft. ... Wenn man mit offnen Augen alles sieht und verfolgt, kann man schließlich nur noch Ekel haben, nirgends frische Luft, nirgends wahre Kunst, überhaupt nirgends Wahrheit!"
    Wahre Kunst und Wahrheit, das war der Anspruch, den Louise Dumont an ihr Idealtheater stellte. Wieweit sie es in Düsseldorf realisieren konnte, wird der zweite Band der Edition beleuchten.
    Louise Dumont. Eine Kulturgeschichte in Briefen und Dokumenten
    Hrsg.v. Gertrude Cepl-Kaufmann, Michael Matzigkeit, Winrich Meiszies
    Bearbeitet von Jasmin Grande, Nina Heidrich, Karoline Riener
    Band 1: 1879-1904
    Klartext-Verlagsgesellschaft 2014, 608 Seiten, 29,95 Euro.