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Lowtech statt Hightech

Bahntechnik. Aufwändige Technik in Lokomotiven hat in den vergangenen Jahren nicht immer die Unternehmen erfreut. Denn mit den komplexen Systemen zogen auch Fehler ein. Einige Hersteller vollziehen daher eine Kehrtwende und setzen bewusst auf eine spartanische Ausstattung.

Von Sönke Gäthke | 20.09.2006
    Stolz präsentieren die Ingenieure aus Kiel ihre neue Lok, die größte dieselhydraulische der Welt. Stolz, weil sie in nur 15 Monaten die auffallend kantige Maschine auf die Räder gestellt, stolz, weil sie dabei vor allem die Wünsche von Eisenbahnen und Lokführern erkundet und berücksichtigt haben. Und dabei zeigte sich: Hightech bei Loks ist out. Davon sind Entwickler der Firma Voith überzeugt. Sie haben daher auf viele - wenn auch nicht alle - computergesteuerte Feinheiten verzichtet.

    "Und unterm Strich kam doch immer das gleiche heraus, also – weniger Ablenkung, einfach nur fahren, simpel und einfach – das würde uns reichen."

    Ulf Klaua, Leiter Konstruktion und Prototypenbau bei der Firma Voith. Ausdruck dieses Wunsches ist der Führerstand der Lok – in der Ausführung "Classic":

    "Aber ich zeig ihnen am besten Mal – oder beschreib ihnen - das Thema 'Classic'."

    Der junge Entwickler klettert in den Führerstand.

    "Jetzt sehen sie hier den Führerstand 'Classic', bestehend aus ganz einfachen Rundinstrumenten, wie man sie von anno dazumal kennt, aus einer Menge Leuchtmeldern, die also nur eine ganz einfache Technik darstellen, ohne großen Schnick-Schnack und ohne aufwändige Displays."
    Ulf Klaua deutet auf die Instrumententafel der Lok. Die zieren noch ein paar Hebel, und das war es. Dafür liegen manche Schweißnähte offen, und verbreiten einen gewissen industriellen Charme. An der Rückwand führt eine Tür ins Innere der Lok.

    "Ja, wir können mal durchgehen, kein Problem - auf dieser Seite geht es durch."

    Durch die Tür geht der Entwickler in einen schmalen Gang vorbei an einem Kompressor durch einen zweiten Durchgang zum Herzstück der Lok: dem Dieselmotor.

    "Das ist er, das Stück, 23 Tonnen schwer, 1000 Umdrehungen im Maximum, Leerlauf nur 350 Umdrehungen, also man kann noch gut und gern mitzählen. Ein gemütliches Tier."

    Die wuchtigen Zylinder mattgrün lackiert, die Deckel glänzen blank, jeder Zylinder hat ein eigenen kleinen Druckmesser, und jede Menge frei liegende Röhren verleihen dem "gemütlichen Tier" die Aura von Robustheit. Normalerweise tut dieser Motor Dienst in Binnenschiffen, und so klingt er auch.

    "Jetzt kommt das Getriebe, das ist also auch so, viele fragen mich: Was, das, das ist alles, ja? Und mehr ist es nicht?"

    Tief unten in der Lok ist ein rundes, kleines Gehäuse verborgen. In diesem ist die hydraulische Kraftübertragung eingebaut. Robust und erprobt, aber auch mit Neuheiten versehen: So kann das Getriebe die Kraft entweder auf alle sechs Räder übertragen oder nur auf drei. Das ging bis heute bei hydraulischen Getrieben nicht. Und dieses Getriebe verkraftet bis zu 4200 Kilowatt Leistung, deutlich mehr als bisherige Transmissionen.

    "Wir nutzen es jetzt mit 3350 Kilowatt, das ist die – wieder auch einer der Grundphilosophien, wir betreiben das Fahrzeug eben nicht an der Leistungsgrenze, in den meisten Komponenten gehen wir drunter."

    Dadurch, so die Hoffnung der Ingenieure, wird die Lok robust und zuverlässig. Und das muss sie auch, soll sie ein großer Erfolg werden. Denn in der gleichen Leistungsklasse stellt auch der Hauptkonkurrent der Kieler, das spanische Werk von Vossloh, eine Diesellok vor - mit US-Amerikanischer Technik. Diese ist ebenfalls einfach, und geradezu sprichwörtlich zuverlässig.

    Im kommenden Jahr soll die Lok aus Kiel zeigen, ob sie wirklich so robust ist, wie es ihre Konstrukteure gerne hätten. Und ob sie ihren Namen, auf den sie feierlich wie ein Schiff getauft wurde, zu recht trägt.

    ""Ich taufe dich auf dem Namen 'Maxima'"