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LSU fordert Umdenkprozess in der Familienpolitik

Stefan Heinlein: Christopher Street Day am vergangenen Wochenende in ganz Europa. Auch in Deutschland bunte fröhliche Paraden für gleiche Rechte von Homosexuellen. Trotz neuer Gesetze in den vergangenen Jahren - immer noch sind gleichgeschlechtliche Paare benachteiligt. Die Bundesregierung will dies nun ändern. Passend zum Homosexuellen-Feiertag präsentierte Rot-Grün ein neues Gesetz. Es geht um die Gleichstellung im Unterhalts- und im Güterrecht, aber auch um die Möglichkeit der Adoption von leiblichen Kindern in einer Lebenspartnerschaft. Postwendend kam die Kritik der Kirchen und der Union. CDU und CSU sind hell empört und wollen notfalls sogar vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Ein Adoptionsrecht für Homosexuelle werde es mit ihnen nicht geben. Darüber will ich jetzt mit Axel Hochrein sprechen, er ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union, LSU. Guten Morgen.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Axel Hochrein: Guten Morgen Herr Heinlein.

    Heinlein: Herr Hochrein, sind Sie in der falschen Partei?

    Hochrein: Nein, das glaube ich nicht, dass ich in der falschen Partei bin. Nur meine Partei hat in diesem Bereich etwas Lernbedarf und Nachholbedarf. Sie ist mit ihren jetzigen Äußerungen dabei, die familienpolitische Kompetenz, die sie unbestritten besitzt, auf dem Altar der parteipolitischen Ideologie zu opfern. Es ist unverständlich für uns, wie hier mit dem Schicksal von 30.000 Kindern momentan gespielt wird, die laut statistischem Bundesamt schon in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, und es geht jetzt darum, diesen Kindern durch die Stiefkindadoption einen rechtlichen Schutzrahmen zu bieten, Sicherheit und Unterhalthaltspflichten zu geben, Anspruch auf Erbberechtigung. Ich glaube, dass Herr Stoiber, wenn er jetzt sagt: "Das wird zurückgenommen, wenn die Regierung übernommen wird," er da auch nicht viele Verbündete findet, die sich mit ihm dann hinstellen werden vor diese 30.000 Kinder und ihnen das Wegnehmen dieser neuen Rechte mit einer familienpolitischen Ideologie erklären wollen.

    Heinlein: Also glauben Sie Edmund Stoiber und auch Herr Röttgen - er hat sich ja ähnlich geäußert - sind in der Minderheit innerhalb der Union oder sind die Lesben und Schwulen nach wie vor eine kleine Minderheit innerhalb Ihrer Partei?

    Hochrein: Es geht hier nicht um Minderheiten, sondern es geht auch um die Suche nach sachgerechter Diskussion. Familienpolitik ist ein hohes Gut in der Union und hier wird äußert sensibel und auch sehr emotionsgeladen momentan diskutiert. Da sind auch noch nicht alle Argumente ausgetauscht, die es gibt. Es geht jetzt zum Ersten um die Stiefkindadoption. Ich denke hier muss ganz einfach anerkannt werden, dass in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Kinder vorhanden sind, und dass es auch das Interesse der Union sein muss, Kindeswohl nicht aufzuteilen in Kinder in heterosexuellen und Kinder in homosexuellen Beziehungen. Hier muss ein Denkprozess stattfinden und dann wird man in einem zweiten Schritt hoffentlich emotionslos und ideologiefrei darüber reden können, wie man die Sache mit einem gesamten Adoptionsrecht fachgerecht löst. Adoptionsrecht ist ja kein Selbstbedienungsladen, weder für Heterosexuelle noch für Homosexuelle sich Kinder zu beschaffen, sondern es geht um das Recht von Kindern, geeignete Eltern zu finden.

    Heinlein: Glauben Sie, dass Sie mit diesen Argumenten Herrn Stoiber, Herrn Röttgen und anderen innerhalb Ihrer Partei überzeugen können? Denn es wir ja klipp und klar gesagt, es gebe ein Recht der Kinder, mit unterschiedlichen Geschlechtern aufzuwachsen. Homosexuelle Paare können dies nicht leisten und dürfen deshalb keine Kinder adoptieren, so die Meinung von Herrn Stoiber.

    Hochrein: Es ist so, dass Herr Stoiber sich vor ungefähr 12, 14 Jahren mal geäußert hat, dass Steuererleichterungen für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften das Gleiche wären, wie mit dem Teufel zu reden. Gestern hat der rechtspolitische Sprecher der Union im Bundestag Herr Röttgen gesagt, dass es genau eine solche steuerliche Gleichstellung nun geben muss. Sie sehen, hier spielt auch die Zeit und die Einsicht eine Rolle und auf diese Einsicht hoffen wir in der Union. Das ist ein schwieriger Weg, unbestritten auch, weil diese Diskussion ja quer durch die Parteien geht. Die Familienministerin der SPD Renate Schmidt ist genauso wenig begeistert von einem gesamten Adoptionsrecht, wie zum Beispiel Antje Vollmer, die Bundestagsvizepräsidentin. Im Ganzen müssen wir sagen, dieses Thema Adoptionsrecht muss natürlich auch in der Gesellschaft vertieft diskutiert und für Akzeptanz geworben werden. Es ist momentan verbal ein Problem der Union, aber ich denke es ist ein gesamtpolitisches und gesamtgesellschaftliches Problem, wo noch viel zu tun ist.

    Heinlein: Dennoch gerade für Ihre Partei, für die CDU und aber auch für die CSU, gilt immer noch das klassische Familienbild von Vater, Mutter, Kind. Das muss Ihnen als bekennender Homosexueller doch gegen den Strich gehen.

    Hochrein: Es geht mir nicht gegen den Strich, wir lehnen dieses Familienbild ja nicht ab. Wir sagen nur, Familienbilder werden eben nicht durch parteipolitische Definitionen geschaffen, sondern durch die Lebenswirklichkeit und die Lebenswirklichkeit hat sich seit 1949 in Deutschland geändert. Das muss die Union anerkennen und wenn sie familienpolitische Kompetenz beweisen will, muss sie darauf auch programmatisch reagieren.

    Heinlein: Aber noch wird es geleugnet von Ihrer Partei.

    Hochrein: Momentan sieht es so aus, als ob man hier noch die Augen verschließt und Großteile der Union das noch nicht akzeptiert haben. Das ist unsere Aufgabe hier weiter dafür zu sorgen, dass das auch ankommt da oben.

    Heinlein: Warum tut sich Ihre Partei so schwer mit dieser Einsicht? Ist das die enge Verbindung zu den christlichen Kirchen, die dieses Recht ja auch ablehnen?

    Hochrein: Das ist bestimmt ein Großteil des Problems, dass wenn man die Reaktion der Kirche zu diesem Thema hört, hier ganz massiv Druck ausgeübt wird. Ich vergleiche das immer wieder mit dem Verhältnis SPD-Gewerkschaft, wo es genau solche Druckszenarien gibt. Aber im Endeffekt darf man sich nicht hier durch irgendwelche althergebrachten Ideologien überzeugen lassen, sondern muss ganz einfach anerkennen, dass die Politik in der Familienpolitik nicht bestimmen kann, was man politisch will, sondern was Lebenswirklichkeit ist.

    Heinlein: Herr Hochrein, die rot-grüne Bundesregierung hat ja in den letzten Jahren ohne Zweifel viel bewegt für die Rechte von Homosexuellen. Hand aufs Herz, glauben Sie, dass das unter einer unionsgeführten Bundesregierung in gleicher Form möglich gewesen wäre?

    Hochrein: Eine gute Frage. Ich glaube Nein, das wäre nicht möglich gewesen. Durch den Wechsel 1998 sind hier neue Akzente gesetzt worden, sind auch Impulse geschaffen worden und wenn ich mir die Diskussion beginnend '98 mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz anschaue, auch Äußerungen von der Union, dann ist da ein Wandel eingetreten, der sich auch daran festmacht, dass zum Beispiel jetzt ein unionsgeführter Senat in Hamburg eine Bundesratsinitiative lostritt, die der Gleichstellung und rechtlichen Verbesserung für Lesben und Schwule im Bundesrat, wo ja auch Zustimmung stattfinden muss, herausgestellt wird. Das sind positive Signale und ich glaube die Union ist dabei, sich zu bewegen. Wir hätten es gerne, wenn sie sich schneller bewegt.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen war das Axel Hochrein, er ist stellvertretender Bundesvorsitzender der LSU, der Lesben und Schwulen in der Union. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.