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Luciferin: Von gefallenen Erzengeln und leuchtenden Krabbelkäfern

Das Molekül der Woche heißt Luciferin. Der Naturstoff, der Glühwürmchen zum Leuchten bringt. Und auch Hunderte anderer Käfer-, Quallen-, Krebs- und Tintenfischarten. Sein Entdecker, ein französischer Pharmazeut, benannte das Molekül einst nach Lucifer, dem Erzengel, der aus dem Licht ins Dunkel stürzte noch vor Beginn der Schöpfung. Von Nutzen ist uns Luciferin heute unter anderem in der Erbgut-Analyse.

Von Volker Mrasek | 21.12.2011
    Josel: "Ich schütte gerade Leuchtkäfer in ein Becherglas."
    Birkner: "Wir bekommen diese Käfer von einer Leuchtkäfer-Farm."

    Josel: "Das ist ein amerikanischer Leuchtkäfer. Man sieht sehr schön den gelben Schwanzteil, der diese Leuchtreaktion durchführt."

    Gefriergetrocknet sind die Insekten, mit denen die beiden Chemiker Hans-Peter Josel und Christian Birkner hantieren. In einem Labor der Firma Roche Diagnostics im bayerischen Penzberg.

    Aus den Schwanzspitzen der Käfer gewinnt man dort nicht nur Luciferin. Sondern auch noch das Enzym, von dem es umgesetzt und zum Leuchten gebracht wird. Passenderweise trägt es den Namen Luciferase ...

    Birkner: "Man kann aus einem Kilogramm von diesen Leuchtkäferschwänzen circa ein Gramm Luciferase isolieren."

    Birkner, Josel und andere Experten sprechen auch von "Luciferin-/Luciferase-Systemen". Davon gibt es Dutzende in der Natur. So gut wie jede Organismengruppe hat ihr eigenes. Immer aber passen Luciferin und Luciferase spezifisch zueinander und erzeugen ein Leuchten. Zusätzlich benötigt wird auch noch ATP, der Energielieferant der Zellen.

    In den meisten Fällen sollen die Lichtsignale entweder Geschlechtspartner anlocken oder Beutetiere. Man spricht von "Biolumineszenz". Typisch dafür ist,

    Josel: "... dass ich ein angeregtes Molekül bekomme, einen angeregten Zustand, der dann Licht emittiert."
    Birkner: "Und dieser Strahlungsprozess, das ist die Erzeugung eines kalten Lichtes. Es wird dabei keine Wärme frei. Das wär' natürlich für die Leuchtkäfer auch sehr, sehr schmerzlich."

    Albers: "Diese Pumpen fangen irgendwann an zu laufen."

    Ein anderes Labor bei Roche in Penzberg. Der Molekularbiologe Andreas Albers bedient ein Gerät zur sogenannten "DNA-Sequenzierung".

    Mit dem Apparat kann man den genetischen Code eines Organismus entschlüsseln. Dazu muss man seine Erbsubstanz DNA Schritt für Schritt nachbauen, ein riesiges Makromolekül aus vier immer gleichen Grundbausteinen, "Basen" genannt.

    Albers: "Darin wird es leuchten. Und da ist das Luciferin dann natürlich aktiv."

    Damit wären wir bei der Hauptanwendung von Luciferin heute, in der Genetik.

    Das Molekül zeigt an, ob der Einbau von Basen bei DNA-Sequenzierungen erfolgreich war. Immer dann spaltet sich nämlich eine Phosphat-Verbindung ab, aus der in einem weiteren Schritt ATP entsteht. Und das nutzt die Luciferase, um Luciferin zum Leuchten zu bringen. Lichtblitze sind in diesem Fall also ein Signal, dass alles richtigläuft bei den Erbgutanalyse ...

    Laut Christian Birkner kann man mit Hilfe von Luciferin auch nachweisen, ob irgendwo unerwünschte Keime drinstecken. Denn die produzieren ebenfalls ATP.

    Birkner: "In der Lebensmittel-Analytik, in Milch, kann man das machen."

    Und auch bei der Herstellung von Medikamenten …

    Birkner: "kann man testen, ob man in seinen Einsatzstoffen / mikrobielle Kontaminationen drin hat. Das ist ein schneller, sehr empfindlicher Test, um lebende Mikroorganismen nachzuweisen."

    Heute wird Luciferin synthetisch hergestellt. Leuchtkäfer jagen muss dafür niemand mehr.