Childs' Tänzer sehen sehr verschieden aus - kleiner, größer, älter, jünger, klassischer, weniger klassisch -, aber sie beherrschen ihre Kunst einheitlich überragend gut. Und wer "Dance" gesehen hat, kann das wirklich beurteilen. Denn das dreiteilige Werk, bei dem zwei Gruppenchoreografien ein Solo einrahmen, ist so temporeich wie albtraumhaft kompliziert zu tanzen. Nicht die absolut erforderliche Präzision der einzelnen Bewegungen ist das Schwierigste - im Minimalismus fällt ja jeder Fehler entsetzlich auf -, sondern die schier unendlichen Abwandlungen der Schritt-Kombinationen und die ständig wechselnden Zählzeiten, aus denen Childs ihre mathematisch durchkalkulierte Choreografie zusammensetzt.
Doch nur so ist der Tanz in der Lage, auf den endlosen rhythmischen Wogen von Philipp Glass entlangzugleiten, anstatt - wie so viele am Minimalismus gescheiterte Choreografien - in den Beatwellen unterzugehen. Der Tanz muss mitschwimmen, aber durch interessante rhythmische Brüche immer wieder visuell signalisieren, dass die Musik ihn dennoch nicht versklavt hat.
Genau das gelingt Childs fabelhaft. Im ersten Teil betont sie die Horizontale, indem sie einzelne Tänzer immer wieder seitlich aus den Gassen springen lässt. Diese überqueren geradewegs die Bühne, als spülten Wassermassen sie weiter, und verschwinden in der gegenüberliegenden Gasse. So entsteht ein nicht abreißender Bewegungsfluss, so wirkt es, als ginge der Tanz außerhalb der Bühne weiter.
Sol LeWitts Filmaufnahmen in Schwarz-Weiß zeigen einzelne Ausschnitte von "Dance" und werden auf eine Gaze projiziert. Bei der Premiere 1979 begegneten die echten Tänzer ihren eigenen Abbildern, 30 Jahre später konkurrieren sozusagen die neuen Tänzer mit den Abbildern der alten und laden zu reizvollen Vergleichen ein. Dabei entsteht mitunter eine Dynamik, als schaute man zwei Zügen zu, die von links und rechts heranrauschen und direkt vor seinen Augen aneinander vorbeirasen.
Nach diesem schwindelerregenden ersten Teil betont das Solo in der Mitte Kreise. Im Original von Childs getanzt, von deren darstellerischer Schönheit die Filmprojektionen Zeugnis ablegen, schafft das Solo noch heute meditative Ruhe. Im letzten Teil finden sich die Tänzer zu Paaren und verwandeln sich schließlich im grandiosen Finale die streng geometrischen Raumwege in individuell verschlungene Pfade. Meisterhaft.
Lucinda Childs, deren legendäre Zusammenarbeit mit Robert Wilson seit der Glass-Oper "Einstein on the Beach" sie in Europa berühmt machte, war in den 60er-Jahren eine junge Wilde in der New Yorker Judson Church und hatte erst über die radikale Verweigerung zur Bewegung zurückgefunden. Der Umweg hat sich gelohnt.
Vieles könnte sich der zeitgenössische Tanz ersparen, wenn seine modernen Klassiker gründlicher studiert würden. Dann müsste etwa der in Berlin lebende amerikanische Tänzer Jeremy Wade sich nicht verpflichtet fühlen, Gruppenrituale mit seinem Publikum aufzuführen, bei denen er ihm angeblich Ängste absaugt und alle Mmmmm summen müssen, um die Welt zu verbessern. Dann müsste auch nicht der japanische Fotograf Hiroaki Umeda mit unter zehn eigenen Tanzstunden HipHop und Ballett-Tänzer zu entsetzlichen elektronischen Zerrklängen zeitlupenhafte Verzerrungen ihrer Posen zeigen lassen, bis das Publikum schlafend vom Stuhl rutscht. Schon mal den Namen William Forsythe gehört, junger Mann aus Japan?
Das Eröffnungswochenende des Festivals zeigte schließlich mit "La Rue Princesse" noch ein Stück aus Abidjan, das ganz eigenartige Gefühle zurückließ. Als wären mit den abgetragenen gespendeten Kleidern der Weißen an der Elfenbeinküste auch die abgenutztesten traurigsten Tanztheaterklischees angekommen.
Der "Tanz im August" hat gerade erst angefangen, es ist schon offensichtlich, dass Lucinda Childs' Position zwar präsentiert, aber gar nicht verstanden wird von den sogenannten Kuratoren. Es kommt nicht nur zwei Jahre zu spät nach Berlin, sondern steht in einem total hilflos und unsensibel hergestellten Kontext einer Gegenwart. Es gibt hinreißenden zeitgenössischen Tanz, intelligent, wild, eigen, bedeutungsvoll. Aber wieder mal nicht in Berlin, nicht bei einem der größten und einst bedeutendsten Festivals Deutschlands.
Doch nur so ist der Tanz in der Lage, auf den endlosen rhythmischen Wogen von Philipp Glass entlangzugleiten, anstatt - wie so viele am Minimalismus gescheiterte Choreografien - in den Beatwellen unterzugehen. Der Tanz muss mitschwimmen, aber durch interessante rhythmische Brüche immer wieder visuell signalisieren, dass die Musik ihn dennoch nicht versklavt hat.
Genau das gelingt Childs fabelhaft. Im ersten Teil betont sie die Horizontale, indem sie einzelne Tänzer immer wieder seitlich aus den Gassen springen lässt. Diese überqueren geradewegs die Bühne, als spülten Wassermassen sie weiter, und verschwinden in der gegenüberliegenden Gasse. So entsteht ein nicht abreißender Bewegungsfluss, so wirkt es, als ginge der Tanz außerhalb der Bühne weiter.
Sol LeWitts Filmaufnahmen in Schwarz-Weiß zeigen einzelne Ausschnitte von "Dance" und werden auf eine Gaze projiziert. Bei der Premiere 1979 begegneten die echten Tänzer ihren eigenen Abbildern, 30 Jahre später konkurrieren sozusagen die neuen Tänzer mit den Abbildern der alten und laden zu reizvollen Vergleichen ein. Dabei entsteht mitunter eine Dynamik, als schaute man zwei Zügen zu, die von links und rechts heranrauschen und direkt vor seinen Augen aneinander vorbeirasen.
Nach diesem schwindelerregenden ersten Teil betont das Solo in der Mitte Kreise. Im Original von Childs getanzt, von deren darstellerischer Schönheit die Filmprojektionen Zeugnis ablegen, schafft das Solo noch heute meditative Ruhe. Im letzten Teil finden sich die Tänzer zu Paaren und verwandeln sich schließlich im grandiosen Finale die streng geometrischen Raumwege in individuell verschlungene Pfade. Meisterhaft.
Lucinda Childs, deren legendäre Zusammenarbeit mit Robert Wilson seit der Glass-Oper "Einstein on the Beach" sie in Europa berühmt machte, war in den 60er-Jahren eine junge Wilde in der New Yorker Judson Church und hatte erst über die radikale Verweigerung zur Bewegung zurückgefunden. Der Umweg hat sich gelohnt.
Vieles könnte sich der zeitgenössische Tanz ersparen, wenn seine modernen Klassiker gründlicher studiert würden. Dann müsste etwa der in Berlin lebende amerikanische Tänzer Jeremy Wade sich nicht verpflichtet fühlen, Gruppenrituale mit seinem Publikum aufzuführen, bei denen er ihm angeblich Ängste absaugt und alle Mmmmm summen müssen, um die Welt zu verbessern. Dann müsste auch nicht der japanische Fotograf Hiroaki Umeda mit unter zehn eigenen Tanzstunden HipHop und Ballett-Tänzer zu entsetzlichen elektronischen Zerrklängen zeitlupenhafte Verzerrungen ihrer Posen zeigen lassen, bis das Publikum schlafend vom Stuhl rutscht. Schon mal den Namen William Forsythe gehört, junger Mann aus Japan?
Das Eröffnungswochenende des Festivals zeigte schließlich mit "La Rue Princesse" noch ein Stück aus Abidjan, das ganz eigenartige Gefühle zurückließ. Als wären mit den abgetragenen gespendeten Kleidern der Weißen an der Elfenbeinküste auch die abgenutztesten traurigsten Tanztheaterklischees angekommen.
Der "Tanz im August" hat gerade erst angefangen, es ist schon offensichtlich, dass Lucinda Childs' Position zwar präsentiert, aber gar nicht verstanden wird von den sogenannten Kuratoren. Es kommt nicht nur zwei Jahre zu spät nach Berlin, sondern steht in einem total hilflos und unsensibel hergestellten Kontext einer Gegenwart. Es gibt hinreißenden zeitgenössischen Tanz, intelligent, wild, eigen, bedeutungsvoll. Aber wieder mal nicht in Berlin, nicht bei einem der größten und einst bedeutendsten Festivals Deutschlands.