Donnerstag, 02. Mai 2024

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Ludwig van Beethoven - Cellosonaten

Aus dem Bereich Kammermusik, verehrte Hörerinnen und Hörer, möchte ich Ihnen heute eine neue Gesamtaufnahme der Cellosonaten von Ludwig van Beethoven vorstellen. * Musikbeispiel: Ludwig van Beethoven - aus: Cellosonate op.69, 1.Satz Der Beginn des ersten Satzes aus der Sonate für Violoncello und Klavier A-Dur op.69 von Ludwig van Beethoven - in einer Interpretation mit Guido Schiefen, Violoncello und Alfredo Perl, Klavier.

Norbert Hornig | 11.10.1998
    Zum musikalischen Nachwuchs gehören Guido Schiefen und Alfredo Perl schon lange nicht mehr. In den letzten Jahren machten beide Interpreten mit hervorragenden solistischen und kammermusikalischen Leistungen von sich reden. Guido Schiefen studierte an der Kölner Musikhochschule bei Professor Alwin Bauer und holte sich weitere Anregungen auf Meisterkursen von Maurice Gendron und Siegfried Palm. Im Jahre 1990 wurde er Preisträger beim renommierten Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau - ein Erfolg, der seine Karriere maßgeblich beflügelte. Alfredo Perl stammt aus Chile. Seine pianistische Ausbildung erhielt der heute in Deutschland lebende Künstler jedoch vor allem in London und Köln. Perl ist als Preisträger mehrerer internationaler Klavierwettbewerbe hervorgetreten, seine Gesamtaufnahme der Beethoven-Klaviersonaten erhielt höchstes Kritikerlob. Guido Schiefen und Alfredo Perl sind Exklusiv-Künstler bei Arte Nova. Für das erst 1995 gegründete Münchner Label haben sie im Frühjahr dieses Jahres eine Aufnahme sämtlicher Sonaten für Violoncello und Klavier von Ludwig van Beethoven eingespielt. Welche Bedeutung dieser Werkzyklus im Repertoire der Cellisten einnimmt, erläutert Guido Schiefen:

    O-Ton 1: Guido Schiefen: Da muß man ganz besonders jetzt die Bedeutung der beiden frühen Sonaten unterstreichen. Die op.5er-Sonaten sind zwar immer noch bezeichnet für Klavier und Violoncello, selbstverständlich. Das sind ja alle seine Sonaten mit Streichinstrument - aber es ist trotzdem das erste Mal, daß das Cello in dieser Weise als Partner zum Klavier behandelt wird. Also nicht, wie in der Barockmusik Streichinstrument mit Basso continuo, sondern das da ein großer Klavierpart gegenübergestellt ist dem Cello. Und das Cello hat Kantilenen oder ist eben nur obligat und das ist eine ganz neue Behandlungsweise, die das Cello bis dahin gar nicht erfahren hat. Insofern sind die Cellosonaten von großer Bedeutung. * Musikbeispiel: Ludwig van Beethoven - aus:Cellosonate F-Dur op.5/1, Rondo Der Beginn des Rondo aus der Sonate für Klavier und Violoncello F-Dur op.5 Nr.1 von Ludwig van Beethoven, musiziert von Guido Schiefen, Violoncello und Alfredo Perl, Klavier. Anders als gemeinhin üblich, haben Guido Schiefen und Alfredo Perl ihre Gesamteinspielung der Cellosonaten Beethovens nicht mit den beliebten Mozart- und Händel-Variationen ergänzt, sondern stattdessen mit einer Bearbeitung der Hornsonate op.17. Beethoven schrieb das Werk für den berühmten Hornvirtuosen Giovanni Punto und übernahm bei der Uraufführung im Wiener Hoftheater den Klavierpart. Bereits die Erstausgabe des Stückes von 1801 erschien mit einer alternativen Cellofassung. Die Musikwissenschaft geht heute davon aus, daß die Bearbeitung des Werkes für Violoncello und Klavier mit großer Wahrscheinlichkeit von Beethoven selbst stammt. Denn einige Passagen im Cellopart weichen deutlich von der originalen Hornstimme ab und es ist nicht anzunehmen, daß ein anderer Bearbeiter als Beethoven selbst es gewagt hätte, so gravierend in die musikalische Substanz des Originals einzugreifen. * Musikbeispiel: Ludwig van Beethoven - aus: Sonate F-Dur op.17, 1.Satz Der Beginn des ersten Satzes aus der Sonate F-Dur op.17 von Ludwig van Beethoven. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat der Komponist das Werk selbst für Violoncello und Klavier eingerichtet. Es musizierten Guido Schiefen, Violoncello und Alfredo Perl, Klavier.

    Bereits in den beiden frühen Sonaten op.5 schwebte Beethoven eine ausgewogenen Behandlung von Violoncello und Klavier vor. Von einer wirklichen Gleichberechtigung der Instrumente kann allerdings erst in den folgenden drei Sonaten die Rede sein. Doch noch in anderer Hinsicht sind Beethovens Cellosonaten bahnbrechend. Entsprach die A-Dur Sonate op.69 von ihrem Aufbau her noch genau dem klassischen Modell, so tritt in den Sonaten op.102 ein gesteigerte Einsatz polyphoner Mittel hinzu, der in der kontrapuntisch kunstvoll gearbeiteten Schlußfuge der D-Dur Sonate gipfelt. Deutlich zeigen sich hier erste Merkmale von Beethovens Spätstil. Die Zeitgenossen waren sichtlich irritiert, wie aus einer Rezension von 1818 aus der "Allgemeinen Musikalischen Zeitung" hervorgeht:"Diese beyden Sonaten", heißt es da," gehören ganz gewiss zu dem Ungewöhnlichsten und Sonderbarsten, was seit langer Zeit, nicht nur in dieser Form, sondern überhaupt, für das Pianoforte geschrieben worden ist. Alles ist hier anders, ganz anders, als man es sonst, auch sogar von diesem Meister selbst, empfangen hat." Die ungewöhnliche Kreativität und der kompositorische Wagemut Beethovens haben Guido Schiefen und Alfredo Perl besonders inspiriert:

    O-Ton 2: Guido Schiefen: Die fünf Sonaten sind insofern ganz interessant, als er da wie in keiner anderen Sonate, auch für Violine beispielsweise, formal experimentiert. Wenn man sich die beiden späten Sonaten anschaut, wie die aufgebaut sind. Das ist hochinteressant. In jeder Sonate fällt ihm etwas anderes ein in formaler Hinsicht, und er ist da ungeheuer experimentierfreudig. Und das hat beispielsweise auch Alfredo Perl sehr gereizt. Das war mit einer der Gründe, weswegen er sich sehr für die Cellosonaten interessiert hat. Er hat ja alle Klaviersonaten aufgenommen, ist also ein absoluter Kenner dieser Musik und sagte mir direkt von Anfang an, daß ihn da die Cellosonaten in dieser Hinsicht ganz besonders interessieren. * Musikbeispiel: Ludwig van Beethoven - aus: Cellosonate c-moll op.102/1, Andante Das Andante aus der Sonate für Violoncello und Klavier C-Dur op.102 Nr.1 von Ludwig van Beethoven, musiziert von Guido Schiefen, Violoncello und Alfredo Perl, Klavier. Schiefen und Perl präsentieren sich als ein hervorragend aufeinander eingespieltes Duo. Ihr gestalterisches Konzept wirkt ungemein schlüssig, durchdacht und ausgearbeitet. Einmal mehr profiliert sich Guido Schiefen hier als hochsensibler Kammermusiker. Stets ist seinem Spiel eine unbändige Lust am Musizieren anzumerken. Mit samtig weichem Ton bringt Schiefen sein Instrument zum Singen, nie scheint ihm der Atem auszugehen. Man gewinnt den Eindruck, als könnte er die Kantilenen bis ins Unendliche fortspinnen. Gerade das macht seine Interpretation so unverwechselbar. Alfredo Perl bestätigt den hervorragenden Eindruck, den er bereits mit seiner Gesamtaufnahme der Klaviersonaten hinterlassen hat. Technische Meisterschaft und feines Klanggespür verbinden sich in seinem Spiel in bezwingender Art und Weise. Eine der überzeugensten Gesamtaufnahmen von Beethovens Cellosonaten ist den beiden Interpreten hier gelungen. Glücklicherweise wurde die von Beethoven intendierte Gleichberechtigung von Violoncello und Klavier auch klangtechnisch vorbildlich umgesetzt. * Musikbeispiel: Ludwig van Beethoven - aus: Cellosonate A-Dur op.69, 2.Satz Die Neue Platte. In unserer heutigen Sendung stellten wir eine Neueinspielung der Cellosonaten von Ludwig van Beethoven vor, die auf dem Label Arte Nova erschienen ist. Zum Schluß hörten Sie das Scherzo aus der Sonate A-Dur op.69. Es musizierten Guido Schiefen, Violoncello und Alfredo Perl, Klavier.

    Noch einen angenehmen Sonntag wünscht Ihnen Norbert Hornig.