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"Lübeck kämpft"

Die Zukunft des Medizinstudiengangs der Uni Lübeck ist ungewiss. Für dessen Erhalt demonstrierten nun Studierende vor dem Kieler Landtag. Doch es kommt noch schlimmer: Auch die Zukunft der gesamten Uni steht auf dem Spiel.

Von Matthias Günther | 16.06.2010
    "Lübeck kämpft", rufen Studierende der Universität zu Lübeck vor dem Kieler Landtag – sie wollen den Medizinstudiengang retten. Sie befürchten, dass eine Schließung dieses Studiengangs das Ende der gesamten Universität zu Lübeck einleiten könnte. Denn alle anderen Studiengänge in Lübeck sind eng mit der Medizin verzahnt. Michael Drefahl aus Schwerin studiert beispielsweise Medizinische Informatik. Er hatte sich eingehend informiert, welche Uni für ihn infrage kommt.

    "Dabei ist Lübeck einfach herausgestochen durch die Exzellenz in der Medizin und auch durch die sehr enge Verzahnung durch den Medizinsche-Informatik-Studiengang mit der Medizin, so dass das also für mich eine eindeutig klare Entscheidung für Lübeck war."

    Mit dem Medizinstudiengang fielen in Lübeck 1500 von 2600 Studienplätzen weg. Die Dozenten würden dann aber auch für die verbleibenden Studiengänge fehlen, sagt Michael Drefahl:

    "Meine gesamten Schwerpunkt-Vertiefungsfächer sind gefährdet. Die werden von der Medizin gelehrt, und wenn die nicht mehr da ist, wird es auch keine Medizinische Informatik so mehr geben können – nicht mehr in der hervorragenden Weise, wie es jetzt gelehrt wird."

    Linda Krause kommt aus der Nähe von München. Sie studiert Bio-Mathematik:

    "Ich bin nach Lübeck gekommen, weil ich gerne Mathematik studieren möchte, aber nicht nur Mathematik, sondern die Anwendung haben wollte. Lübeck ist ja berühmt für die Medizin. Und ich wollte die Anwendung in der Medizin suchen, und deswegen bin ich hierher gekommen."

    Medizinstudent Christoph Zabel wundert sich darüber, dass mit der Medizin ausgerechnet der Studiengang geschlossen werden soll, der im deutschlandweiten Ranking seit Jahren auf Platz eins steht:

    "In der Forschung gibt es auch noch andere Standorte, die gut sind, aber hier hat man beides: gute Forschung und vor allem gute Lehre."

    Gegen eine Schließung des Medizinstudiengangs protestieren nicht nur Hochschulangehörige, sondern auch die Wirtschaftsverbände der Region. Der Raum Lübeck ist Standort für 600 Unternehmen aus den Bereichen Medizintechnik und Medizin mit 15.000 Beschäftigten. Viele Firmen haben sich wegen der Lübecker Uni hier angesiedelt, einige drohen schon mit Abwanderung aus Schleswig-Holstein. Es wird befürchtet, dass auch die geplante Ansiedlung eines Fraunhofer-Instituts platzen könnte.

    In der vergangenen Woche hatte die Lübecker Bürgerschaft vor dem Landtag in Kiel unter freiem Himmel auf Klappstühlen getagt, um gegen die Schließung des Lübecker Medizinstudiengangs zu protestieren – begleitet von einigen Hundert Studierenden. An gleicher Stelle will in etwa einer Stunde ein breites Bündnis aus Hochschulen, Politik und Wirtschaft aus Lübeck demonstrieren. Bürgermeister Bernd Saxe fordert von der Landesregierung, ihre Entscheidung zurückzunehmen:
    "Die Mediziner-Ausbildung in Lübeck ist von großer Bedeutung für die Gesundheitsversorgung wie auch die regionale Wirtschaftsstruktur. Und es ist ein schwerer Fehler, hier die Axt an die Zukunft der Stadt und der Region zu legen."

    Die Landesregierung versichert, die Erhaltung des Wirtschaftsstandortes Lübeck im Blick zu haben. Dazu wird nach Angaben von Wissenschaftsminister Jost der Jager, CDU, ein Konzept erarbeitet – gemeinsam mit der Universität zu Lübeck und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, an der die Mediziner-Ausbildung künftig konzentriert werden soll:

    "Aus dem Grund sind wir mit den beiden Präsidien der Universitäten und den beiden Fakultäten in Abstimmung eines sogenannten Überführungskonzeptes, wo haargenau benannt werden soll, welche Teile an Forschung und welche Teile an Lehre tatsächlich in Lübeck verbleiben müssen im medizinischen Bereich, um die Schnittstelle zu Fraunhofer weiter zu gewährleisten und die Schnittstelle zur außeruniversitären Forschung insgesamt zu gewährleisten, aber auch zu den Unternehmen und zur Fachhochschule Lübeck, und die kommen in Kürze wieder zusammen."

    Ein Schaden für den Hochschulstandort Lübeck ist aber schon jetzt entstanden, sagt Uni-Vize-Präsident Enno Hartmann:

    "Allein diese Nachricht hat dazu geführt, dass Kollegen überlegen, kann man sich hier herbewegen bei einer Berufung, dass Kollegen überlegen, nehme ich einen Ruf von außen jetzt doch an oder bleibe ich an diesem Standort, dass Kollegen sich wegbewerben, dass Drittmittel-Geber sich überlegen, ob unter diesen Bedingungen Drittelmittel hier noch weiter gefördert werden können. Wir haben den Exzellenz-Cluster Entzündung: der ist infrage gestellt – das trifft nicht nur den Standort Lübeck, das trifft auch den gesamten Medizin-Standort Schleswig-Holstein."

    Ministerpräsident Carstensen hatte Kritiker von einzelnen Punkten des Sparpakets dazu aufgefordert, Gegenvorschläge zu machen, die den gleichen Spareffekt haben. Daran arbeiten in Lübeck jetzt Hochschule, Wirtschaft und Politik gemeinsam. Sie suchen Geldgeber für ein Stiftungsmodell für die Lübecker Uni, mit dem der Medizin-Studiengang erhalten werden kann. Der Lübecker Protest gegen den Sparvorschlag aus Kiel geht aber weiter.