Dirk Müller: Es war ein schwerer Rückschlag für die russische Luftfahrt, der Absturz des neuen Vorzeigeflugzeugs Superjet 100 in Indonesien. Die Maschine war bei einem Schauflug im Westen Indonesiens mit 45 Menschen an Bord an einem inaktiven Vulkan zerschellt. Die Bergungsmannschaften haben bislang keine Überlebenden gefunden. - Mein Kollege Gerd Breker hat darüber mit dem Luftfahrtexperten Jens Flottau gesprochen.
Gerd Breker: Die Suchoi Superjet 100 ist mehr als nur ein Flugzeug, sie war auch Hoffnungsträger der russischen Luftfahrt. Wie kommt das, erklären Sie das uns und den Hörern?
Jens Flottau: Die russische Luftfahrtindustrie lag ja quasi mehr als ein Jahrzehnt lang am Boden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die Produktion quasi stillgestanden, es gab überhaupt gar keine neuen Projekte mehr. Erst allmählich jetzt in den letzten Jahren hat sich ein bisschen wieder etwas entwickelt, unter Hilfe und unter tatkräftiger Unterstützung von Wladimir Putin, der diesen Sektor fördern wollte mit viel, viel Staatsgeld. Und das erste Projekt, das aus diesen Initiativen hervorgegangen ist, ist eben dieser Superjet 100. Der soll dazu führen, dass die Branche wieder Anschluss findet an den Weltstandard, technisch und natürlich auch möglichst viele Flugzeuge davon verkaufen.
Breker: Was hat denn diesen Suchoi Superjet 100 so konkurrenzfähig gemacht? Was waren die besonderen Vorzüge dieses Flugzeugs?
Flottau: Zum einen: Es ist das erste Flugzeug aus Russland, das wirklich in internationaler Kooperation gebaut wurde, bei den Triebwerken, bei der Arionik, das ist die Elektronik im Cockpit, der Innenausstattung. Die Russen haben zum ersten Mal sich wirklich geöffnet und haben sozusagen Lieferanten auch aus dem Westen mitmachen lassen. Das ist Standard in der Branche, das machen alle. Russland hatte das aus historischen Gründen vorher nicht gemacht und dieses Mal ist sozusagen der erste Gehversuch.
Das andere ist: Putin hat dafür gesorgt, dass die russische Industrie sich konsolidiert. Früher muss man sich vorstellen, gab es viele sogenannte Designbüros, Antonow, Iljuschin und so weiter, Tupolew, die alle völlig unabhängig voneinander vor sich hingewerkelt haben. Auf der anderen Seite gab es Werke, die diese Flugzeuge dann gebaut haben. Die hatten aber mit den Designbüros nichts zu tun. Dieses wurde jetzt geändert, es gibt einen großen Konzern, der jetzt integriert werden soll. Das ist alles noch "Work in progress", das ist noch nicht abgeschlossen. Aber diese beiden Aspekte, also eine integriertere russische Industrie und gleichzeitig die Öffnung nach außen, das ist der Unterschied, den dieses Flugzeug jetzt auch ausmacht.
Breker: Und was bedeutet in diesem Zusammenhang der jetzige Absturz? Ist damit das Projekt schon am Ende?
Flottau: Es ist natürlich ein enormer Imageschaden. Ich würde aber nicht so weit gehen zu sagen, dass damit das Projekt tot ist. Es war vorher schon die Frage, ob denn dieser Superjet wirklich im Ausland ein Erfolg werden könnte, kommerziell. Ich hatte meine Zweifel und ich bin bei Weitem nicht der Einzige. Andererseits ist auch die Frage, ob es das überhaupt sein musste, denn es ging jetzt erst einmal darum, wieder Anschluss zu gewinnen. Langfristig Erfolg haben, da müsste die Industrie noch wesentlich mehr tun, mehr Projekte dieser Art, um annähernd wieder an die westlichen Konkurrenten heranzukommen, und das ist eher ein Projekt von Jahrzehnten als von einem Flugzeug.
Breker: Schaut man derzeit auf den Markt im Flugzeugbau, dann ist der aufgeteilt zwischen Airbus und Boeing. Da bleiben eigentlich für die Konkurrenten nur Nischenprodukte, also Produkte, die nicht massenhaft verkauft werden. Oder sehe ich das falsch?
Flottau: Das ist der Status quo im Moment, aber das beginnt, sich ja zu ändern. Es geht ja nicht nur um die Russen. Man darf vor allem nicht vergessen, was in China passiert. China hat ein ganz großes Projekt, C919, ein Flugzeug, das direkt mit Airbus und Boeing konkurrieren soll, und im Gegensatz zu Russland steckt einfach in China ein enormes Geld dahinter, ein enormes Know-how, dass man sich auch international jetzt noch viel stärker als die Russen heranholt, und man darf nie außer Acht lassen, dass diese Industrie extrem langfristige Planung benötigt. Wir reden nicht von Geschichten, von Zeiträumen ein bis zwei Jahre, zwei bis drei Jahre, wo ein neues Auto entwickelt wird. Es geht um zehn und 20 Jahre und wir müssen, was China, was Russland angeht, wirklich 20 Jahre vorausschauen und dann sagen, sind sie wieder so weit, sind sie wieder dabei. Bei China glauben viele, dass das der Fall sein wird, bei Russland gibt es immer noch viel Skepsis.
Müller: Mein Kollege Gerd Breker im Gespräch mit dem Luftfahrtexperten Jens Flottau.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Gerd Breker: Die Suchoi Superjet 100 ist mehr als nur ein Flugzeug, sie war auch Hoffnungsträger der russischen Luftfahrt. Wie kommt das, erklären Sie das uns und den Hörern?
Jens Flottau: Die russische Luftfahrtindustrie lag ja quasi mehr als ein Jahrzehnt lang am Boden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die Produktion quasi stillgestanden, es gab überhaupt gar keine neuen Projekte mehr. Erst allmählich jetzt in den letzten Jahren hat sich ein bisschen wieder etwas entwickelt, unter Hilfe und unter tatkräftiger Unterstützung von Wladimir Putin, der diesen Sektor fördern wollte mit viel, viel Staatsgeld. Und das erste Projekt, das aus diesen Initiativen hervorgegangen ist, ist eben dieser Superjet 100. Der soll dazu führen, dass die Branche wieder Anschluss findet an den Weltstandard, technisch und natürlich auch möglichst viele Flugzeuge davon verkaufen.
Breker: Was hat denn diesen Suchoi Superjet 100 so konkurrenzfähig gemacht? Was waren die besonderen Vorzüge dieses Flugzeugs?
Flottau: Zum einen: Es ist das erste Flugzeug aus Russland, das wirklich in internationaler Kooperation gebaut wurde, bei den Triebwerken, bei der Arionik, das ist die Elektronik im Cockpit, der Innenausstattung. Die Russen haben zum ersten Mal sich wirklich geöffnet und haben sozusagen Lieferanten auch aus dem Westen mitmachen lassen. Das ist Standard in der Branche, das machen alle. Russland hatte das aus historischen Gründen vorher nicht gemacht und dieses Mal ist sozusagen der erste Gehversuch.
Das andere ist: Putin hat dafür gesorgt, dass die russische Industrie sich konsolidiert. Früher muss man sich vorstellen, gab es viele sogenannte Designbüros, Antonow, Iljuschin und so weiter, Tupolew, die alle völlig unabhängig voneinander vor sich hingewerkelt haben. Auf der anderen Seite gab es Werke, die diese Flugzeuge dann gebaut haben. Die hatten aber mit den Designbüros nichts zu tun. Dieses wurde jetzt geändert, es gibt einen großen Konzern, der jetzt integriert werden soll. Das ist alles noch "Work in progress", das ist noch nicht abgeschlossen. Aber diese beiden Aspekte, also eine integriertere russische Industrie und gleichzeitig die Öffnung nach außen, das ist der Unterschied, den dieses Flugzeug jetzt auch ausmacht.
Breker: Und was bedeutet in diesem Zusammenhang der jetzige Absturz? Ist damit das Projekt schon am Ende?
Flottau: Es ist natürlich ein enormer Imageschaden. Ich würde aber nicht so weit gehen zu sagen, dass damit das Projekt tot ist. Es war vorher schon die Frage, ob denn dieser Superjet wirklich im Ausland ein Erfolg werden könnte, kommerziell. Ich hatte meine Zweifel und ich bin bei Weitem nicht der Einzige. Andererseits ist auch die Frage, ob es das überhaupt sein musste, denn es ging jetzt erst einmal darum, wieder Anschluss zu gewinnen. Langfristig Erfolg haben, da müsste die Industrie noch wesentlich mehr tun, mehr Projekte dieser Art, um annähernd wieder an die westlichen Konkurrenten heranzukommen, und das ist eher ein Projekt von Jahrzehnten als von einem Flugzeug.
Breker: Schaut man derzeit auf den Markt im Flugzeugbau, dann ist der aufgeteilt zwischen Airbus und Boeing. Da bleiben eigentlich für die Konkurrenten nur Nischenprodukte, also Produkte, die nicht massenhaft verkauft werden. Oder sehe ich das falsch?
Flottau: Das ist der Status quo im Moment, aber das beginnt, sich ja zu ändern. Es geht ja nicht nur um die Russen. Man darf vor allem nicht vergessen, was in China passiert. China hat ein ganz großes Projekt, C919, ein Flugzeug, das direkt mit Airbus und Boeing konkurrieren soll, und im Gegensatz zu Russland steckt einfach in China ein enormes Geld dahinter, ein enormes Know-how, dass man sich auch international jetzt noch viel stärker als die Russen heranholt, und man darf nie außer Acht lassen, dass diese Industrie extrem langfristige Planung benötigt. Wir reden nicht von Geschichten, von Zeiträumen ein bis zwei Jahre, zwei bis drei Jahre, wo ein neues Auto entwickelt wird. Es geht um zehn und 20 Jahre und wir müssen, was China, was Russland angeht, wirklich 20 Jahre vorausschauen und dann sagen, sind sie wieder so weit, sind sie wieder dabei. Bei China glauben viele, dass das der Fall sein wird, bei Russland gibt es immer noch viel Skepsis.
Müller: Mein Kollege Gerd Breker im Gespräch mit dem Luftfahrtexperten Jens Flottau.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.