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"Wir müssen an das Streikrecht heran"

Angesichts des erneuten Pilotenausstands hat die Lufthansa strengere Vorgaben der Politik für Streiks gefordert. In anderen Ländern gebe es in wichtigen Verkehrsbereichen Sonderregeln, sagte Lufthansa-Sprecherin Barbara Schädler im Deutschlandfunk. Dazu zählte sie längere Ankündigungsfristen und die Ausnahme bestimmter Zeiten vom Streikrecht.

Barbara Schädler im Gespräch mit Christine Heuer | 02.12.2014
    Leere Schalter am Flughafen Frankfurt/Main
    Leere Schalter am Flughafen Frankfurt/Main (imago / Ralph Peters)
    Lufthansa-Sprecherin Barbara Schädler beklagte einen enormen Aufwand, der entstehe, wenn Sonntags zum Streik für Montag aufgerufen werde. Die Politik müsse sich die Rahmenbedingungen für Streiks anschauen und überlegen, ob man bestimmte rechtliche Schritte unternehme, sagte Schädler im Deutschlandfunk.
    Zugleich betonte sie, dass das Streikrecht in Deutschland verfassungsrechtlich geschützt sei. "Es geht nicht darum, dieses einzuschränken." Darüber hinaus zeigte sie sich zuversichtlich, dass die Auseinandersetzung mit der Pilotengewerkschaft "Vereinigung Cockpit" bald beendet werde. Die Lage sei kompliziert, man finde aber eine Lösung, sagte sie.

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Die Pilotenstreiks bei der Lufthansa werden heute, am zweiten Tag des aktuellen Streiks, auf Langstreckenflüge ausgeweitet. Was bietet in dieser Situation der Arbeitgeber an? Darüber spreche ich jetzt mit Barbara Schädler, Leiterin Kommunikation bei der Deutschen Lufthansa. Guten Morgen, Frau Schädler.
    Barbara Schädler: Guten Morgen.
    Heuer: Cockpit will ja die Privilegien für Piloten erhalten. Was haben Sie der Gewerkschaft zuletzt angeboten?
    Schädler: Wir hatten aus unserer Sicht sehr gute Gespräche in den letzten Wochen, sind bei den Gehaltsverhandlungen noch ein Stück auf die Gewerkschaft zugegangen und haben dann bei der Übergangsversorgung, also bei dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Flugdienst, aus unserer Sicht ebenfalls gute Fortschritte gemacht. Es gab dann noch einen offenen Punkt, der lautete, dass die Vereinigung Cockpit diese Regelung, die ja ziemlich einmalig in der Welt ist, auch für zukünftige Pilotengenerationen vom Arbeitgeber finanziert haben lassen möchte, und da müssen wir einfach weiterreden. Wir müssen ja dieses Unternehmen erfolgreich auch für die Zukunft machen.
    "Piloten müssen in begrenztem Ausmaß auch beitragen"
    Heuer: Ja. Aber, Frau Schädler, wenn daran so viele Streiks entbrennen, wieso geht das denn nicht? Dann geben Sie es doch halt allen Piloten.
    Schädler: Nein. Wir sind in einem außerordentlich harten Wettbewerb. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres sind die Preise um mehr als drei Prozent verfallen und wir müssen diesem Wettbewerb gerecht werden. Wir müssen darauf achten, dass wir von allen Kostenpositionen her gut aufgestellt sind. Da haben alle anderen Mitarbeitergruppen ihren Beitrag geleistet und ich glaube, wir können erwarten, dass die Piloten in einem begrenzten Ausmaß auch dazu beitragen.
    Heuer: Nun sagen die Piloten von Cockpit aber, diese gute Vorruhestandsregelung, die sei nötig für die Flugsicherheit. Stimmt das denn nicht?
    Schädler: Nein. Das hat mit der Flugsicherheit überhaupt nichts zu tun. Wissen Sie, die Vereinigung Cockpit hat auch in der Lufthansa-Gruppe Vorruhestandsregelungen abgeschlossen, die erst mit 60 beginnen. Das kann ja nicht sein, dass in der einen Gruppe das mit 60 in Ordnung ist und in der anderen Pilotengruppe nicht. Außerdem gibt es eine spezielle Absicherung für die Flugunfähigkeit zusätzlich.
    Heuer: Aber wenn alte Piloten sagen, eigentlich schaffen wir das nicht mehr, und deshalb gibt es diese großzügigen Vorruhestandsregelungen, dann gibt es doch diesen Zusammenhang. Den haben Sie doch selber mal irgendwann beschlossen. Oder haben Sie das einfach so freizügig verschenkt, weil gerade genug Geld da war?
    Schädler: Nein. Aber das war vor 50 Jahren. Da war erstens die Lebenserwartung sehr viel niedriger und zweitens, wir reden nicht von alten Menschen, sondern wir reden von 55 bis 60jährigen. Und ich möchte es noch mal sagen: Für den Fall, da jemand nicht mehr fliegen kann, gibt es gesonderte Absicherungen. Das hat mit dieser Übergangsversorgung überhaupt nichts zu tun.
    Ein streikender Lufthansa-Pilot im April 2014 in Frankfurt am Main
    Ein streikender Lufthansa-Pilot im April 2014 in Frankfurt am Main (afp / Daniel Roland)
    "Cockpit will nicht sehr viel Änderung"
    Heuer: Sind Ihre Piloten also verwöhnte Arbeitnehmer, die ihre Privilegien erhalten wollen, komme was wolle?
    Schädler: Unsere Piloten sind als allererstes mal ganz hervorragend ausgebildete Piloten, denen unsere Kunden, wenn sie mit ihnen fliegen, absolut vertrauen. Das ist das Allerwichtigste. Das Zweite ist: Die Piloten werden vertreten von der Vereinigung Cockpit und die Gewerkschaft vertritt Interessen, die darauf hinauslaufen, dass sie sagen, wir möchten eigentlich im Moment nicht sehr viel Änderung haben. Wir hoffen aber, dass die guten Gespräche der letzten Wochen wirklich wieder aufgenommen werden können.
    Heuer: Die Lufthansa setzt auf das Billigkonzept Wings: billige Töchter, billige Flüge, niedrige Personalkosten. Ich fasse das jetzt mal zugegeben etwas sehr verkürzt zusammen. Geht es Cockpit nicht in Wahrheit genau darum, diesen Kurs zu verhindern und deshalb jetzt Sand ins Getriebe zu streuen?
    Schädler: Das ist ja eher eine Frage an die Vereinigung Cockpit.
    Heuer: Richtig. Aber mich interessiert Ihre Einschätzung auch.
    Schädler: Ja, ja. Wir wollen natürlich alle Kundensegmente bedienen als Lufthansa. Wir sind einer der größten Airline-Konzerne der Welt und sind in der Langstrecke und in Europa, was den sogenannten Point to Point Verkehr anbelangt, noch nicht so aufgestellt, dass man sagen könnte, da können wir uns dem Wettbewerb entgegensetzen. Das möchten wir tun und ich denke, das ist eine strategische Entscheidung, die das Unternehmen treffen kann. Das hat mit Tarifpartnerschaft nichts zu tun.
    Heuer: Die Frage war aber, ob Cockpit trotzdem auch gegen diese strategische Entscheidung gerade streikt.
    Schädler: Das hört man, aber wir sind ja auch zu dem Thema mit der Vereinigung Cockpit im Gespräch, und auch das kann nur gelöst werden, wenn wir uns wieder zusammensetzen.
    Heuer: Und wenn Sie im Gespräch sind, an welcher Stelle wären Sie bereit, bei Wings, also diesem Billigkonzept, nachzugeben?
    Schädler: Da kann ich Ihnen keine Details zu geben, weil das ist ja gar keine tarifpolitische Frage. Bei Wings ist es so, dass wir, ich sage es noch mal, die verschiedenen Kundensegmente bedienen wollen, und im Übrigen durch dieses Wachstumskonzept Wings unseren eigenen Piloten bessere Chancen geben, zu fliegen oder schneller auch aufzusteigen. Von daher sehen wir das eher als eine Option für die Piloten denn als eine Bedrohung.
    "Wir sind in allen Dingen beweglich"
    Heuer: Sie sagen ja zu Recht, das Billigkonzept ist nicht Teil der Tarifverhandlungen. Gleichzeitig sagen Sie aber, Sie sind ja im Gespräch mit Cockpit auch darüber.
    Schädler: Ja.
    Heuer: An welcher Stelle, Frau Schädler, wäre die Lufthansa denn da noch irgendwo beweglich?
    Schädler: Wir sind in allen Dingen beweglich, führen aber Tarifverhandlungen nicht über die Medien. Da bitte ich Sie herzlich um Verständnis. Das sind ja Gespräche, die sehr kompliziert sind, und wir werden auch da eine Lösung finden, allerdings nicht über einen Streik.
    Heuer: Aber wenn es tatsächlich um die Geschäftsstrategie geht, dann ist das, was Cockpit gerade macht, ja ein illegaler Streik. Dann müssten Sie ja dagegen vorgehen.
    Schädler: Nein. Wissen Sie, wir sind bei der Lufthansa ja daran interessiert, dass wir wirklich mit allen Mitarbeitergruppen gute Beziehungen haben, dass wir das Unternehmen auch konstruktiv für die Zukunft aufstellen. Ich glaube schon, dass wir einen Weg finden werden. Ich sage noch mal: Die Gespräche der letzten Wochen waren wirklich gut.
    "Politik sollte bestimmte rechtliche Schritte unternehmen"
    Heuer: Frau Schädler, ich möchte gerne mal, dass wir uns zusammen den Lufthansa-Chef, also Ihren Chef und den Chef der Piloten, Carsten Spohr, im O-Ton anhören. Carsten Spohr hat im Hessischen Rundfunk gesagt:
    O-Ton Carsten Spohr: "Ich glaube, das wird sich ohne Politik nicht ändern lassen, weil der Arbeitgeber - das sehen Sie bei uns - letztendlich keine Möglichkeiten hat. Er kann nachgeben und seine Wettbewerbsfähigkeit noch weiter verschlechtern. Das wäre kurzfristiger Frieden, aber langfristiges Ausscheiden aus dem Markt oder Schrumpfen des Unternehmens. Oder er muss es durchstehen."
    Heuer: Was soll, was kann die Politik, die Carsten Spohr hier anspricht, denn tun in Ihrer Situation?
    Schädler: Zunächst mal ist es ja wichtig zu sagen, das Streikrecht ist ja das Recht, was in Deutschland verfassungsmäßig geschützt ist. Von daher geht es überhaupt nicht darum, dieses einzuschränken. Aber es gibt andere Länder, die in den Betrieben der wichtigen Verkehrsinfrastruktur bestimmte Sonderregeln haben, zum Beispiel, dass man nicht zu jedem Zeitpunkt streiken kann, dass man längere Ankündigungsfristen hat. Sie können sich vorstellen, was das für ein enormer Aufwand ist, an einem Sonntagmittag einen Streik vorzubereiten, der in 24 Stunden stattfindet. Es gibt solche Rahmenbedingungen für bestimmte Unternehmen und da würden wir empfehlen, dass man sich das mal anschaut und überlegt, ob man da auch bestimmte rechtliche Schritte unternimmt.
    Heuer: Die Politik soll die Regeln für Streiks verschärfen, sagt Barbara Schädler, Leiterin Kommunikation bei der Lufthansa. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
    Schädler: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.