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Luftige Geschäfte

Im Äther herrscht Gedränge, denn Funkfrequenzen sind Mangelware. Ein einträgliches Geschäft für die Regierungen, die Lizenzen zu Höchstpreisen versteigern konnten. Doch nach dem Willen der EU-Kommission soll der Handel mit bereits lizenzierten Frequenzen in der Gemeinschaft bald freigegeben werden.

Von Jürgen Bischoff |
    Die Kommission will, dass frei gewordenen Frequenzen nun nicht mehr von einer nationalen Behörde zugeteilt werden, sondern dass die bisherigen Nutzer einer solchen Frequenz diese an den Meistbietenden verkaufen können. Und noch mehr: der neue Besitzer soll dann auch noch entscheiden können, was er darüber überträgt. Vereinfacht gesagt: dort wo heute Radio zu hören war, könnte morgen ein Mobiltelefon senden. Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur und Vorsitzender der "Radio Spectrum Policy Group", einer hochrangigen Beratergruppe der EU-Kommission, verdeutlicht, was marktwirtschaftliche Ansätze in diesem Bereich bringen sollen:

    "Frequenzen, das hat ja auch unsere Versteigerung der UMTS-Frequenzen gezeigt, sind ein knappes Gut, das möglichst effizient und wirtschaftlich genutzt werden muss, weil es einen hohen volkswirtschaftlichen Wert hat, zu Wachstum, zu Innovation und zu Arbeitsplätzen beiträgt. Und in soweit ist der Handelsmechanismus wie in anderen Gütern und Dienstleistungen unserer Wirtschaft auch, durchaus ein tauglicher, um knappe Güter demjenigen zu geben, der am besten etwas damit machen kann. Und der auch etwas im Zweifelsfalle dafür bezahlt."

    Aktuelles Beispiel Handy-TV: die Telekommunikationsriesen drängen mit Macht in den für Rundfunk reservierten Frequenzbereich. Sie wollen fernsehähnliche Programme an die Mobilfunkkunden senden und dafür die Frequenzbereiche des digitalen Fernsehens und des digitalen Hörfunks nutzen. Mit am Ball: die Geräteindustrie, die die geeigneten Empfangsgeräte verkaufen will. Im herkömmlichen Frequenzregime stößt das auf Schwierigkeiten, denn die Frequenzbereiche sind international eindeutig zugeordnet. Die Erprobung neuer Dienste auf Frequenzen, die technisch optimal dafür geeignet wären, ist dadurch juristisch sehr schwierig. Durch den marktwirtschaftlichen Ansatz sollen solche Hemmnisse beseitigt werden. Die Pläne der EU-Kommission stoßen sowohl bei öffentlich-rechtlichen als auch privaten Rundfunkveranstaltern auf massive Kritik. Dort befürchtet man, dass dereinst einmal abgetretene Rundfunkfrequenzen für spätere Nutzung gar nicht mehr oder nur noch gegen horrende Ankaufskosten zur Verfügung stünden. Herbert Tillmann, Technischer Direktor des Bayrischen Rundfunks, sieht sich des Weiteren auch mit der Bundesregierung einig in der Kritik der EU-Vorschläge:

    "Erst mal haben wir festgestellt bei unseren vielen Verhandlungen mit den Nachbarstaaten, also auch die, die jüngst in die EU gekommen sind, dass man weit davon weg ist, Rundfunkfrequenzen zu einem Handlungsgut zu machen. Im Gegenteil: wir wissen sehr genau, dass viele Länder diesen Ansatz der Europäischen Kommission erstens Mal nicht mittragen und schon gar nicht mal in dieser Geschwindigkeit überhaupt folgen könnten. Denn das hieße ja, dass für weite Bevölkerungsteile, wo wirklich die terrestrische Fernsehversorgung überhaupt nur eine Rolle spielt, dass die dann letztendlich abgeschnitten wären à la longue vom Zugang zu den Medien. Also: überhaupt nicht vorstellbar."

    Und auch die Gerätehersteller sind wenig erbaut über die EU-Vorschläge, auch wenn sie sich offen nicht laut äußern. Wenn die Frequenzen weitgehend handelbar werden, kann es im Extremen dazu kommen, dass kleine Regionen mehrfach innerhalb kürzester Zeit mit unterschiedlichen Dienstleistungen auf ein und derselben Frequenz versorgt werden. Das steht voll im Widerspruch zum Verständnis und Bedürfnis der Geräteindustrie nach einem einheitlichen europäischen Markt. Schon jetzt muss sie die verschiedensten Märkte mit unterschiedlichen Stromsteckern ausstatten. Demnächst auch noch Subregionen mit unterschiedlichen Empfangsmodulen? Matthias Kurt von der Bundesnetzagentur beschwichtigt:

    "Wenn wir Elemente des Handels einführen würden, heißt das ja noch nicht, dass alles dem Markt überlassen ist. Natürlich wird auch bei der Frequenznutzung oder bei anderen Dingen immer ein Rahmen, eine Rahmensetzung in Europa da sein müssen, die gerade diese neuen Dienste ja ermöglicht. Wenn wir alles freigeben, dann ist ja diese Penetration und auch diese grenzüberschreitende Nutzung nicht möglich. Völlige Freigabe ist nie in der Diskussion. Sondern die Diskussion geht nur darum: wollen wir das System anreichern mit mehr wettbewerblichen Elementen. Und das wird auch nicht über Nacht geschehen, sondern das wird in der Tat ein langjähriger, mehrjähriger Prozess sein, manchmal auch über zehn, 15 Jahre."