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Luftmangel in tropischen Meeren

Umwelt. - Die Liste der mit dem Klimawandel prognostizierten und bereits gemessenen Umweltprobleme, ist wieder um einen Posten länger geworden: In den warmen Wassern der tropischen Ozeanen sinkt der Sauerstoffgehalt. Dort weisen immer größere Zonen so wenig Sauerstoff auf, dass den Meereslebewesen sozusagen die Luft wegbleiben könnte. In der aktuellen "Science" wird der Befund veröffentlicht.

Von Dagmar Röhrlich | 02.05.2008
    "Langfristig hat der Sauerstoffgehalt in den tropischen Zonen in den letzten 50 Jahren abgenommen","

    resümiert Lothar Stramma vom IFM-Geomar in Kiel. Es gab zwar Schwankungen, aber generell zeigte der Trend deutlich nach unten. Klimasimulationen legen nahe, dass den Meeren durch die Erwärmung regelrecht die Luft wegbleiben wird. Und das passiert nicht nur im Computer. Stramma:

    ""Es gibt Beobachtungen in den subtropischen und subpolaren Regionen, wo man in den letzten 50 Jahren eine starke Abnahme des Sauerstoffs gesehen hat. Das ist aber immer noch in Regionen, wo der Sauerstoffgehalt relativ hoch ist, so dass man dort noch keine drastischen Konsequenzen erwarten muss."

    Aber für die Tropen gilt diese beruhigende Aussage nicht. Dort gibt es schon heute in ein paar hundert Metern Wassertiefe Bereiche, in denen Sauerstoff knapp ist. Betroffen davon sind vor allem der Pazifik vor Südamerika und der nördliche Teil des Indischen Ozeans, in geringerem Maße aber auch der Atlantik vor Afrika. In diesen Regionen könnte die Sauerstoffabnahme durch den Klimawandel kritisch werden.

    "”Wir sehen, dass der Sauerstoffgehalt während der vergangenen 50 Jahre in diesen sogenannten Sauerstoffminimumzonen um bis zu 15 Prozent gesunken ist und dass sich diese Zonen gleichzeitig nach oben und unten hin ausdehnen. Setzte die Minimumzone im tropischen Atlantik früher in etwa 300 Metern Wassertiefe ein, hält sie derzeit noch einen Abstand von 100 bis 200 Metern zur Oberfläche. Insgesamt ist ihre Ausdehnung um bis zu 85 Prozent gewachsen. Das ist eine sehr große Veränderung.""

    Der Sauerstoffschwund erreiche ein Ausmaß, das sie nicht erwartet habe, meint Janet Sprintall vom Scripps-Institut für Ozeanographie in San Diego. Sie fürchtet schlimme Folgen für die Ökosysteme, wenn sich die Minimumzonen immer weiter in Richtung Tiefsee und Meeresoberfläche ausdehnen. Fische beispielsweise können dort nicht mehr leben. Während die wenigstens noch wegschwimmen können, sind festsitzende Meeresbewohner wie Korallen wehrlos. Sie sterben ab. Allerdings gab es in den Messreihen Unterschiede zwischen den Regionen. Warum das so ist, darüber können die Forscher derzeit nur spekulieren. Janet Sprintall:

    "”Das hängt vielleicht damit zusammen, dass sich schon in den Quellregionen, aus denen das Wasser herangeschafft wird, weniger Sauerstoff im Wasser ist, weil es dort wärmer wird. Es könnten aber auch Veränderungen in den Meeresströmungen eine Rolle spielen, dass sie langsamer werden beispielsweise. Oder es könnte sein, dass der Abbau von Biomasse mehr Sauerstoff verbraucht.""

    Richtig kritisch wird es in den Zonen, in denen das Wasser so gut wie gar kein Sauerstoff mehr enthält. Stramma:

    "Dort passiert ein Umschlag in der Biogeochemie, dass nicht mehr Sauerstoff abgebaut wird, sondern Nitrat abgebaut wird. Und dies hätte langfristige Folgen. Das Nitrat wird dem Ozean entzogen, und das ist einer der wichtigen Nährstoffe, die für die biologische Produktion notwendig ist."

    Solche sogenannten "suboxischen" Zonen, in denen schon heute Nitrat abgebaut wird, gibt es derzeit nur im Pazifik und im Arabischen Meer. Stramma:

    "Das Kritische ist, wenn sich jetzt auch diese suboxischen Zonen ausdehnen, dass erheblich mehr Nitrat verloren geht, und somit dann der gesamte Kreislauf reduziert wird."

    Dann wird der Nährstoff knapp, was das Planktonwachstum behindert und die Photosyntheserate sinken lässt. Langfristig könnte das Meer seine Aufgabe als Kohlendioxidsenke schlechter erfüllen und – wenn es schlimm kommt – werden die Veränderungen in den tropischen Regionen die Nahrungsketten durcheinander wirbeln. Dann zählen nicht nur die Fische zu den Verlierern, sondern auch die Menschen, die vom Fischfang leben.