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Luftverschmutzung
BUND will gegen Hamburger Verkehrspolitik klagen

Auch in Hamburg wird jetzt gegen dicke Luft vorgegangen: Der BUND erwägt gerichtlich ein Zwangsgeld gegenüber der Stadt durchzusetzen. Laut einem Gutachten sind in Hamburg 200.000 Menschen durch die hohen Stickoxide-Emissionen betroffen.

Von Axel Schröder | 27.01.2016
    Der Auspuff eines VW Tiguan TDI
    200.000 Menschen sind in Hamburg von den hohen Stickoxide-Emissionen betroffen. (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand )
    Wie vergiftet die Luft an der Hamburger Max-Brauer-Allee ist, dokumentiert ein Messcontainer auf dem Grünstreifen zwischen den Fahrbahnen. Im Container steht Dagmar Gömer. Sie ist zuständig für das Luftmessnetz in der Hansestadt und erklärt: in einem Kubikmeter Luft dürfen höchstens 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid enthalten sein.
    "Ist hier aber meistens so zwischen 50 und 60 Mikrogramm pro Kubikmeter. Das hängt auch von Jahr zu Jahr von der Meteorologie ab. Manchmal ist es eben niedriger - wir hatten auch schon mal ein Jahresmittelwert von 57 Mikrogramm pro Kubikmeter und manchmal ist es dann kurz über 60 Mikrogramm pro Kubikmeter."
    Aber ganz unabhängig von Wetter und Jahreszeiten ist klar: Die Grenzwerte in der Max-Brauer-Allee oder an der Hamburger Habichtstraße und der Kieler Straße werden täglich vor allem während des Stoßverkehrs überschritten. Nun will der Hamburger BUND für Umwelt- und Naturschutz deshalb ein Zwangsgeld gegen die Stadt gerichtlich durchsetzen, so BUND-Chef Manfred Braasch:
    "Wir haben jetzt die Daten für 2014 und 2015 uns näher angesehen und man erkennt, dass gerade an den straßenbezogenen Messungen die Werte wieder hoch gehen. Also: keine Entwarnung. Sondern das Problem der Stickoxide - das ist dieser Luftschadstoff - verstärkt sich sogar in Hamburg."
    Gutachten Hamburger Umweltbhörde
    200.000 Menschen sind von den hohen Stickoxide-Emissionen betroffen. Das belegt ein Gutachten der Hamburger Umweltbehörde. Stickoxide führen gerade bei älteren Menschen und bei Kindern zu Atemwegsreizungen, einige Studien gehen davon aus, dass auch das Risiko, an Diabetes zu erkranken, durch eine Überdosis Stickoxid ansteigt. Jens Kerstans, Hamburgs grüner Umweltsenator, lässt sich durch die die Klageandrohung des BUND nicht beeindrucken. Auch wenn die Deutsche Umwelthilfe mit diesem Instrument in Wiesbaden und Darmstadt vor Gericht erfolgreich war.
    "Das braucht nun mal etwas Zeit. Und insofern kann ich nur den Ratschlag geben, da nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Eine Klage in Darmstadt und in Wiesbaden ist ein ganz anderer Fall als in Hamburg, wo wir noch nicht mal ein Jahr lang Zeit hatten, Dinge zu ändern. Wir geben uns die Mühe, Dinge so schnell zu ändern wie möglich und einen neuen Luftreinhalteplan aufzustellen, der dann auch die Grenzwerte einhält."
    Aber genau dieses Tempo der Umweltbehörde reicht dem BUND bei Weitem nicht. Immerhin, kritisieren die Umweltschützer, gelten die Stickoxid-Grenzwerte schon seit 2010. Aber seitdem sind, trotz des Hamburger Luftreinhalteplans, die Werte nicht gesunken. Und schon einmal, nämlich Ende 2014, hat das Verwaltungsgericht der Hansestadt dem BUND in einer Klage gegen eben diesen Plan Recht gegeben und den Senat aufgefordert, den Luftreinhalteplan nachzubessern. Genau das geschehe gerade, versichert Umweltsenator Jens Kerstan. Aber eben viel zu langsam, findet Manfred Braasch:
    "Das jetzt auf die lange Bank zu schieben, wie die Behörde das nach Aktenlage offensichtlich vor hat - nämlich bis Ende 2017 erst mal einen Maßnahmenplan zu machen - da wollen wir nicht mitspielen. Deswegen auch die Ankündigung des Zwangsgeldantrages gegen die Stadt."
    BUND will der Stadt vier Wochen Zeit geben
    In Wiesbaden und Darmstadt würden - so haben es die Gerichte entschieden - 10.000 Euro fällig werden, wenn nicht innerhalb eines Jahres effektive Maßnahmen zur Stickoxid-Redaktion getroffen werden. In Hamburg will der BUND der Stadt vier Wochen Zeit geben, um ein schärferes Vorgehen gegen die täglichen Grenzwertverstöße zu beschließen. Geschieht das nicht, wird geklagt. Und dann werden auch in Hamburg vielleicht auch die verkehrsbeschränkenden Maßnahmen eingeführt - also Tempo 30, eine City-Maut oder temporäre Fahrverbote - die der Senat, vor allem die Hamburger SPD, so vehement verhindern will.