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Luftverschmutzung mit Düngerwirkung

Klimaforschung. - Aerosole, Schwebstoffe in der Atmosphäre, kühlen, das hat vor allem der Ausbruch des Pinatubo 1991 gezeigt. Sie tun das, indem sie zum Beispiel die Wolkenbildung fördern oder auch direkt Sonnenstrahlung zurück ins All reflektieren. Doch es gibt noch weitere, bisher wenig beachtete Effekte, die jetzt in der aktuellen "Science" gewürdigt werden.

Von Lucian Haas | 11.11.2011
    Die Erforschung des Klimawandels folgt einer typischen Regel: Je weiter die Wissenschaftler die Zusammenhänge erkunden, desto komplexer wird das Bild, und neue Fragen tauchen auf. Das hat auch Natalie Mahowald von der Cornell University erfahren.

    "
    Als wir begannen, über das Klimaproblem nachzudenken, ging es hauptsächlich um die Atmosphäre und das CO2 darin. Später erkannten wir, dass auch die Meere und die Landflächen eine wichtige physikalische Einflussgröße spielen. Dann kamen Aerosole sowie biogeochemische Stoffkreisläufe hinzu, die auch jeweils auf das Klima einwirken. Jetzt zeigt sich, dass es eine Wechselwirkung zwischen Aerosolen und Biogeochemie gibt, was einen weiteren wichtigen Einflussfaktor des Klimas darstellt."

    Bisher gingen Klimaforscher nur von einer direkten und einer indirekten Wirkung von Aerosolen auf das Klima aus. Zum einen können die Schwebepartikel in der Atmosphäre – je nach Charakter – Sonnenstrahlung reflektieren oder Wärmestrahlung einfangen. Zum anderen können sie als Kondensationskeime die Bildung von Wolken verstärken oder auch behindern. Unterm Strich wirken Aerosole nach derzeitigem Wissensstand eher kühlend. Aber das ist noch nicht alles. Neuerdings sind Forscher auf weitere Effekte gestoßen: Die Aerosole, die durch den Menschen in die Luft gelangen, bestehen häufig aus Stickstoff-, Schwefel-, Phosphor- oder Eisenverbindungen. Sinken sie zu Boden oder in die Ozeane, können sie dort als Dünger wirken. Das hat Folgen fürs Klima: Wenn Pflanzen besser wachsen, entziehen sie der Atmosphäre mehr Kohlendioxid und mindern so den Treibhauseffekt. Wie stark – das hat Natalie Mahowald erstmals im globalen Maßstab berechnet.

    "Ich war überrascht, dass der indirekte Klimaeffekt der Aerosole auf die Biogeochemie genauso groß ist wie die bereits bekannten und gut untersuchten Aerosol-Effekte."

    Für den biogeochemischen Einfluss der Aerosole zeigt Mahowalds Studie einen globalen Kühlungseffekt von minus 0,5 Watt pro Quadratmeter. Das lässt sich umrechnen in eine eingesparte Menge CO2.

    "Seit der Industrialisierung bis heute ist der CO2-Gehalt der Atmosphäre, gemessen in Molekülen pro eine Million Moleküle, um 100 ppm gestiegen. Hätten wir nicht so viele Aerosole emittiert, könnten wir heute schon 7 bis 50 ppm mehr CO2 in der Atmosphäre haben."

    Mit anderen Worten: Ohne die ganzen Aerosole, die der Mensch in Form von Abgasen oder Staub in die Atmosphäre einträgt, wäre der globale Klimawandel heute schon weiter fortgeschritten. Bald könnte diese Entwicklung aber nachgeholt werden. Mahowald:

    "Es ist wichtig zu erkennen: Bisher haben die Menschen die Aerosol-Emissionen gesteigert. In Zukunft werden sie die Luftverschmutzung aber hoffentlich deutlich senken – zum Wohle der Gesundheit. In diesem Fall werden wir erleben, dass der kühlende und der düngende Aerosol-Effekt verschwindet. Das macht es für uns in Zukunft etwas schwerer."

    Natalie Mahowalds Studie zeigt: Mit weniger Aerosolen durch verringerte Luftverschmutzung wird die Erderwärmung künftig stärker ausfallen als bisher gedacht. Die genauen Dimensionen müssen die Klimaforscher erst noch erfassen, indem sie nun auch die biogeochemischen Auswirkungen der Aerosole in die Klimamodelle integrieren. Eins scheint aber jetzt schon klar: Zum Schutze des Klimas wird es noch wichtiger, die Treibhausgasemissionen radikal zu reduzieren.