Archiv


Lukrative Geschäfte über dunkle Kanäle

In den Läden rund um die Dijk Straat von Adinkerke herrscht Hochbetrieb. Englisch sprechende Kunden drängen sich in den rund 20 Geschäften mit Namen wie Royal Tobacco Shop oder Real Tobacco Shop. Eine britische Fahne flattert im Wind. Country Musik tönt aus einem Lautsprecher. Adinkerke liegt aber nicht in England, sondern in Flandern, an der belgischen Grenze zu Frankreich.

Michael Fischer |
    Die Besucher kommen aus England, um in Belgien Tabakwaren einzukaufen, sagt der Ladenbesitzer,

    weil sie in England viel teurer sind. Für eine Stange mit 200 Benson-Zigaretten zahlen sie in England 77 Euro 70. Hier zahlen sie 32 Euro 72.

    Die Engländer überqueren die Nordsee mit der Fähre oder mit dem Zug durch den Tunnel, der seit ein paar Jahren den Kontinent mit England verbindet. Von der nordfranzösischen Hafenstadt Calais fahren sie in Bussen und ihren Pkws nach Adinkerke, wo sie Zigaretten und Zigarren im großen Stil einkaufen.

    Für umgerechnet 1500 Euro ersteht eine Familie mit zwei Kindern Benson & Hedges. Draußen verstaut Familienvater Marc die Stangen in seinem Wagen zwischen dem Reisegepäck.

    Manche Leute, zu denen wir nicht gehören, nehmen so viel Zigaretten wie in das Auto passen mit zurück nach England und finanzieren sich damit ihre Ferien. Mit dem Erlös der Zigaretten können sie sich einen zweiwöchigen Urlaub in Frankreich und Belgien leisten.

    Das Geschäft ist lukrativ, aber auch riskant.

    In einen Kleintransporter passen gut 100 Kisten. Jede Kiste ist 100 Pfund wert. Das macht 100 mal 100, also 10.000 Pfund. Der britische Zoll erlaubt aber nur 25 Stangen pro Person. Doch können die Zollbeamten letztlich nicht verhindern, dass jemand mehr mitnimmt, weil wir jetzt Teil von Europa sind. Man kann ja auch niemanden daran hindern, nach Deutschland zu gehen, um ein Auto billiger zu kaufen. Andererseits: Wenn jemand täglich herkommt, einige fahren ja dauernd hin und her, laden hier ihr Auto voll und verkaufen die Zigaretten in England - wenn der Zoll das mitbekommt und genügend Beweise hat, dass Sie die Zigaretten in England weiterverkaufen, dann kann er Ihr Auto und alle Rauchwaren konfiszieren. Sie dürfen noch ihre Koffer mitnehmen, müssen aber das Auto da lassen.

    In den letzten drei Jahren konfiszierte der britische Zoll 22.000 Fahrzeuge mutmaßlicher Schmuggler. Aufgegriffene Reisende, von denen die Zollbeamten annehmen, dass sie die transportierten Zigaretten nicht selber rauchen, sondern in England auf dem Schwarzmarkt verkaufen, verlieren die Ware und oft auch noch ihr Auto. Diese rigiden Maßnahmen des britischen Zolls wurden allerdings Ende letzten Jahres auf Druck der EU-Kommission abgeschwächt. Die Binnenmarktwächter hatten der britischen Regierung mit einer Klage vor dem EuGH gedroht. Dass die britischen Zöllner auf den Fähren und beim Grenzübertritt Kontrollen durchführen, verletze die Binnenmarktregeln, sagt der Sprecher der EU-Kommission, Jonathan Todd:

    Die britische Regierung scheint legales grenzübergreifendes Einkaufen als eine Form von Steuerhinterziehung anzusehen. Für die Kommission ist das Einkaufen in einem anderen Mitgliedstaat hingegen Teil der fundamentalen Rechte der Bürger im Binnenmarkt. Sie hinterziehen keine Steuern. Also sollten die Leute auch nicht daran gehindert werden, einkaufen zu gehen. Außerdem halten wir die vom britischen Zoll verhängten Strafen für drakonisch. Wenn zum Beispiel jemand zugibt, dass er in seinem Auto Alkohol und Zigaretten für seine Freunde transportiert, die ihm dafür Geld geben, und daraufhin sein Auto konfisziert wird oder gar in die Autopresse kommt, bevor er dagegen Berufung einlegen kann, dann finden wir das ziemlich stark und unverhältnismäßig. Das verstößt nicht nur gegen Gemeinschaftsrecht sondern auch gegen die Menschenrechtskonvention.

    Illegal ist jedoch nach Ansicht der Kommission, wenn die in Belgien zwar billig, aber völlig legal eingekauften Zigaretten zum Wiederverkauf auf dem Schwarzmarkt nach England transportiert und auf diese Weise dem britischen Finanzamt Verbrauchs-, Gewerbe- und Einkommenssteuer vorenthalten werden. Jonathan Todd: -- Die Kommission ist ganz eindeutig gegen den Schmuggel von Zigaretten. Uns ist klar, dass das Vereinigte Königreich ein großes Problem mit Schmuggel hat und dass die britischen Behörden dadurch mehrere Milliarden Euro pro Jahr an Steuereinnahmen verlieren. Das liegt an den wesentlich höheren Steuern in Großbritannien als im Rest Europas. Das ist ein großer Anreiz. Wir unterstützen jedoch die britische Regierung bei ihrem Bemühen, Schmuggel zu unterbinden. -- Beim Schmuggel zwischen den EU-Mitgliedstaaten wird der Unterschied zwischen den verschieden hohen Verbrauchsteuern ausgenutzt. Der britische Fiskus kassiert pro Packung Zigaretten 4,6 Euro Verbrauchssteuer. In Belgien beträgt die Steuerbelastung nur ein Drittel davon. Etwas höher ist sie in Deutschland – 1,85 Euro pro Schachtel. Gezielte Zigaretteneinkäufe in Europa können sich also lohnen – sie sind erlaubt, wenn es um den Eigenverbrauch geht, kriminell dagegen ist der Einkauf in einem Land und der Verkauf auf dem Schwarzmarkt eines anderen. Die ganz großen Gewinne fallen allerdings beim Schmuggel von Drittstaaten in die EU an, wie der Fall Reemtsma belegt. Mitte Januar wurde die Unternehmenszentrale des Hamburger Tabakkonzerns durchsucht. Die dabei gefundenen Dokumente deuten daraufhin, dass der Konzern vermutlich darüber informiert war, dass die in großen Mengen nach Osteuropa steuerfrei exportierten Zigaretten über dunkle Kanäle wieder zurück nach Deutschland gelangten und dort mit großem Gewinn auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden, sagt der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger:

    Aus solchen Fällen ergibt sich dann der Verdacht, dass das organisiert durchgeführt ist und ohne Hilfe bestimmter Leute im Hintergrund aus der Wirtschaft nicht möglich ist. Und das ist Ausgangspunkt dieses Verfahrens: Wie viele Zigaretten? Welche Zigarettenmarke zu welchem Zeitpunkt in welchem Wert in welche Länder ausgeführt, wann wieder eingeführt und wie hier verteilt? Das alles ist auch Gegenstand der Durchsuchung. Wir wollen weitere Beweismittel erlangen. Die Ermittlungen sind bei weitem noch nicht abgeschlossen.

    Milliarden von Zigaretten, vor allem jene der Reemtsma-Marke "West", sollen von dubiosen Geschäftspartnern des Hamburger Konzerns über den Umweg Osteuropa an den Finanzämtern vorbei in Deutschland verkauft worden sein. Der Gewinn sei enorm, klagt der österreichische Haushaltsexperte im Europäischen Parlament, Herbert Bösch. Denn beim Schmuggel von Zigaretten in die EU werden Mehrwertsteuer, Verbrauchssteuer und Zoll gespart.

    Es ist mir geläufig, dass auf einen Container Zigaretten etwa eine Million Euro Steuer und Zölle entfallen. Also wenn dieser Container auf dem Schwarzmarkt verschwindet, haben die Steuerzahler eine Million Euro verloren.

    Bei jährlich mindestens 5000 in die EU geschmuggelten Containern komme man also auf eine stattliche Summe, sagt Kommissionssprecher Joachim Gross:

    Es ist schwer, so etwas zu taxieren, weil wir ja nicht wissen, wie hoch ist das Ausmaß an Schmuggel. Die Schätzungen gehen von etwa zwei Milliarden Euro im Jahr an Verlust aus, in Gesamteuropa bis zu 20 Milliarden Euro. Also die Bandbreite ist sehr groß, weil man nie weiß, wie viel geht durch Schmuggel verloren. Wenn man einen Schmuggelfall aufdeckt, ist das immer nur die Spitze des Eisbergs, weil man nicht überall ermitteln kann und auch nicht jeden Zigarettenschmuggler erwischen kann.

    Dreiviertel der Einnahmeverluste tragen die 15 nationalen Finanzämter, ein Viertel geht dem europäischen Haushalt verloren, der sich zu einem großen Teil aus den an den Außengrenzen erhobenen Zöllen finanziert. Um den Schmuggel in die EU zu stoppen, war schon 1994 in der EU-Kommission eine Task Force zur Bekämpfung des Zigarettenschmuggels eingerichtet worden. In der Sondereinheit arbeiten Fahnder der Antibetrugseinheit der Kommission, kurz OLAF mit Ermittlungsbeamten aus den Mitgliedsländern zusammen. Das größte Problem für die Fahnder sind die hohen Zigarettensteuern selbst. Um sie zu umgehen, lassen sich die Schmuggler immer neue Tricks einfallen, sagt OLAF-Chef Franz-Herbert Brüner. Anlaufstellen sind die Häfen von Antwerpen, Rotterdam, Marseille und Athen, aber auch die Grenzübergänge von Polen und Slowenien sowie die Küste Italiens, die eine zentrale Rolle bei dem Zigarettenschmuggel über die Balkan-Route spielt. Transport und Verkauf ist von international operierenden Mafiabanden professionell durchorganisiert.

    Man kann nicht jeden Container kontrollieren. Man macht grobe Kontrollen, aber das kann man natürlich ausnützen, wenn man das System kennt. Es ist wie ein Hase- und Igel-Spiel. Wenn man auf eine Spur gekommen ist, versucht man wieder eine neue Variante, immer unter dem Gesichtspunkt: Ich kann mir leisten, die Zigaretten drei Mal um die Welt zu transportieren und habe immer noch einen Gewinn. Die Gewinnchancen sind so groß, dass ich mir es leisten kann, viele, viele Wege zu gehen, um die schwächsten Punkte zu finden, wie wir es in Spanien hatten, wo man 20 Container auf so ein Roll-on-Schiff geladen hat, und dann ist die bei Nacht und Nebel angelandet, Trucks sind gekommen, haben die einfach Ruck, Zuck weg und hätten die also innerhalb von wenigen Stunden über ganz Spanien verteilt, erst mal irgendwelche Lager transportiert. Es ist also Geschwindigkeit, Logistik. Auch das kann man sich leisten, weil einfach die Gewinne so groß sind.

    Eine Zeit lang wurden Zigaretten von Holland und Belgien aus mit dem Ziel Westafrika auf Schiffe verladen, dann aber auf hoher See umgeladen und an die französischen Küste verbracht. Ein anderes Mal versandten Banden Zigaretten von einem großen Lager in den Niederlanden über den belgischen Flughafen Oostende nach Belgrad, entluden sie aber während eines Tankstops in Spanien. Eine wichtige Schmuggelroute führt über Montenegro. Dort werden Zigaretten auf Schnellboote verladen und an der italienischen Adriaküste heimlich an Land geschafft. Die Drahtzieher sitzen in der Schweiz, vermutet Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Kolb in Augsburg. Seit zehn Jahren verfolgt er die Spur von acht vorrangig in der Schweiz lebenden Geschäftsleuten, Teil einer international operierenden Schmuggelmafia, die jahrelang Zigaretten in großem Stil über Holland, Montenegro und Italien in die EU transportiert habe und teilweise immer noch transportiere.

    Waren und Geldfluss ist von Tätern, die in der Schweiz sitzen, gesteuert. Die mit dem Verkauf der Zigaretten auf dem Schwarzmarkt verdienten Gelder flossen an eine ganz bestimmte Wechselstube in der Schweiz und wurden von dort an Schweizer Großbanken weitergereicht.

    In einem Bericht des Untersuchungsausschusses des Parlaments von Montenegro vom letzten Jahr zur Rolle des Balkan-Landes im Zigarettenschmuggel wird dieser Vorwurf bestätigt. Selbst der Regierungschef Montenegros, Milo Djukanovic, und Mitglieder seiner Regierung werden von dem Ausschuss verdächtigt, am Zigarettenschmuggel beteiligt oder ihn zumindest toleriert und von ihm in starkem Masse profitiert zu haben. Auch der vor kurzem ermordete Premierminister Serbiens, Zoran Djindjic, geriet in den Verdacht, seine Wahlkampfkampagne mit Geldern aus dem Zigarettenschmuggel finanziert zu haben. Um die Verdachtsmomente zu erhärten, müssen eine Vielzahl von Indizien zusammengetragen werden, so Herbert Bösch. Und da die Schmuggler international operieren, müssen auch die Fahnder grenzübergreifend arbeiten und die Behörden in den betroffenen Staaten zur Zusammenarbeit auffordern. Das sei aber frustrierend, so der Europaabgeordnete. Das System der Frachtkontrolle an den EU-Grenzen sei total veraltet. Versandpapiere werden mit gefälschter Unterschrift und Stempel versehen an die Zollstelle zurückgeschickt, die sie beim Grenzübergang in die EU ausgestellt hat. Da die Beamten im Schnitt jährlich mehrere Hunderttausend solcher sogenannten Rückscheine mit den ursprünglich ausgestellten Dokumenten vergleichen müssen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Betrug rechtzeitig entdeckt wird, sagt Herbert Bösch. Zwar werde die Grenzabfertigung von LKWs auf ein modernes Datenverarbeitungssystem umgestellt. Aber häufig werde noch das alte System angewandt mit Durchschlägen, die man zurückschicken muss". -- Um dem Schmuggel schneller auf die Spur zu kommen, soll das Personal der Anti-Betrugseinheit OLAF aufgestockt werden. Der Personalzuwachs ändert jedoch nichts an der eingeschränkten Handlungsfähigkeit der Behörde. OLAF darf nur die verschiedenen Anti-Betrugs-Aktionen der Mitgliedstaaten koordinieren. Nach wie vor sind für die Betrugsbekämpfung in erster Linie die nationalen Behörden verantwortlich. Nur sie können, wenn eine Strafverfolgung nötig ist, Ermittlungen anstellen, Tatverdächtige festnehmen, Anklage erheben und ein Verfahren anstrengen. Weil aber der Tatbestand Zigarettenschmuggel in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt ist und die Staatsanwaltschaften bis heute Mühe haben, grenzübergreifend zusammenzuarbeiten, gehen Schmuggler oft straffrei aus.

    OLAF-Chef Franz-Hermann Brüner möchte dies ändern. Er wünscht sich vor allem einheitliche juristische Verfahren zum Beispiel zur Beweissicherung. Er fordert aber auch einheitliche Straftatbestände und Strafen. Dazu müssten unter anderem die nationalen Strafrechtsordnungen aneinander angepasst werden, was bis jetzt allerdings vom EU-Ministerrat, dem eigentlichen Entscheidungsträger in der EU, schon mehrfach verworfen wurde. Das zeige, wie wenig Interesse die Mehrheit der EU-Regierungen an einer wirksamen Betrugsbekämpfung habe, kritisiert Herbert Bösch.

    Immerhin unterstützen jetzt zehn Mitgliedstaaten die EU-Kommission bei ihrer Klage gegen die amerikanischen Zigarettenhersteller Philip Morris und Reynolds. Diese billigten und profitierten von dem Verkauf ihrer Produkte auf dem Schwarzmarkt, indem sie Einfuhrzoll und Umsatzsteuer sparten, meint die zuständige EU-Kommissarin Michaele Schreyer:

    Diese Klage haben wir ja erhoben mit dem Vorwurf, dass die beiden Hersteller sehr wohl wissen, dass die hergestellten Zigaretten auf dem Schwarzmarkt landen und quasi darüber auch in den Schmuggel und in die Bedienung des Schwarzmarkts involviert sind. Wir haben diese Klage in Amerika erhoben und es hat dort zunächst eine Abweisung der Klage gegeben deshalb, weil wir sozusagen keinen finanziellen Schaden erleiden würden, weil des Finanzierungssystem der EU so ist, dass wenn auf Grund von Schmuggel weniger Zolleinnahmen da sind, dann müssen die Mitgliedstaaten mehr Beiträge entrichten. Das war natürlich sehr verblüffend, da ist ja kein Schaden da. Es haben dann die Mitgliedstaaten selber sich dann der Klage angeschlossen, um dieses Argument hinfällig zu machen, weil die Mitgliedstaaten haben ja den Schaden, wenn sie zahlen müssen. Und es wurde die Klageberechtigung auch wieder abgewiesen, und zwar mit der Argumentation, dass die Rechtsprechung in den USA nicht zulassen würde, dass Drittstaaten ihre Steuern einklagen können vor amerikanischen Gerichten.

    Dagegen sind die Europäer in die Berufung gegangen und verklagten außerdem Anfang November 2002 den Zigarettenhersteller Reynolds speziell wegen Geldwäsche in Verbindung von Zigarettenschmuggel. Michaele Schreyer: -- Ich kann nur noch mal sagen, dass wir es für notwendig halten, dass die Hersteller ihre Sorgfaltspflicht übernehmen, alles zu machen, um den Schmuggel zu unterbinden, denn es geht hier nicht nur um einen finanziellen Schaden, sondern Schmuggel ist dann auch verbunden mit weiteren Delikten, mit Drogenkriminalität, mit Geldwäsche, weil das auf illegale Weise verdiente Geld dann meistens auch wieder in Kanäle gespeist wird, um weitere illegale Machenschaften zu betreiben.

    Reynolds soll mit Hilfe von Saddam Husseins Sohn Udai Hussein das Embargo gegen den Irak gebrochen und Millionen von Zigaretten über die Türkei und Zypern in den Irak geschmuggelt haben. Außerdem soll die US-Firma mit Hilfe von Zigarettengeschäften Profite aus dem Drogenhandel gewaschen haben. Zwar wird in dieser Klage der Verlust von Steuern nicht erwähnt, dennoch hofft Michaele Schreyer, dass eine mögliche Verurteilung der Firma Reynolds wegen Geldwäsche sich positiv auf die andere Klage auswirken könne. Schließlich sollen Reynolds und Philip Morris gezwungen werden, zwischen zehn und dreißig Milliarden Euro in die EU-Kasse als Ausgleich für durch Schmuggel entgangene Steuern und Zölle zu zahlen, erklärt Joachim Gross.

    Im Zuge dieses Verfahrens ermittelt OLAF natürlich weiter. Und es wird daran gedacht, diese Klage wegen Geldwäsche auch auf andere Tabakkonzerne auszuweiten. OLAF ermittelt ja europaweit in Fällen des Zigarettenschmuggels und hat natürlich auch Hinweise gegeben, die für die deutschen Zollbehörden nicht gerade unwichtig waren. Was den Fall Reemtsma angeht, so glaubt OLAF auch ermittelt zu haben, dass Reemtsma gegen das Irak-Embargo verstoßen hat, in dem nämlich Zigaretten in den Irak geschmuggelt wurden. Reemtsma ist ja Teil eines britischen Konzerns, von Imperial Tobacco. Auch dort wird ermittelt. Speziell was den Fall Reemtsma angeht, so haben wir hier keine Daten darüber, wie hoch jetzt dieser Verlust an Steuereinnahmen taxiert wird. Das ist Sache der nationalen Behörden, also in Deutschland des Zollkriminalamtes.

    Die deutschen Ermittler gehen davon aus, dass Reemtsma im Jahr 2000 17 Millionen Zigaretten über die Türkei in den Irak geschmuggelt haben könnte. Mit dem Argument, damals noch nicht Eigner des Hamburger Tabakkonzerns gewesen zu sein, wehrt die britische Firma Imperial Tobacco jegliche Verantwortung für den illegalen Deal ab. Allerdings ist die in Bristol niedergelassene Tabak-Firma selbst Ziel einer Untersuchung des britischen Parlaments. Denn auch deren Marken "Regal" und "Superkings" werden milliardenfach über Ost- und Südosteuropa in die EU und vor allem nach England zurückgeschmuggelt.

    Der Schwarzmarkt in England floriere, erzählt Marc aus Suffolk, während er die letzte Kiste Zigaretten in seinem Auto verstaut:

    In den Dörfern und Städten gibt es überall Leute, die Zigaretten verkaufen. Das spricht sich rum. Wenn sie zum Beispiel auf Flohmärkte gehen. Dort finden Sie sicher jemand, der vielleicht fünf Schachteln Tabak anbietet. Sie kaufen die fünf, und wenn Sie nach einer Weile zurückkommen, hat er fünf neue im Angebot. Wenn Sie mit ihm reden, und sagen: Ich brauche soundsoviel, dann macht er seinen Kleintransporter auf und da sind noch viel mehr drin. Sie müssen nur fragen. Dann bekommen Sie schon, was Sie wollen.