Zum ersten Mal diskutierte eine Jury aus Kritikern, Wissenschaftlern und Autoren, zu der ich auch gehörte, öffentlich jedes der vorgestellten Hörspiele. Besondere Beachtung fand dabei Oliver Sturms Umsetzung eines in Kassel spielenden Kapitels aus Becketts posthum erschienenem autobiographischen Roman "Traum von mehr bis minder schönen Frauen". Aus "Immer dein, Tuissimus".
Während unter den Einreichungen die Literatur- und Theaterbearbeitungen deutlich überwogen, war die vom Westdeutschen Rundfunk eingereichte Produktion "Die Kinski-Bänder. Gottes letztes Interview" ganz und gar nur als Originalhörspiel möglich. Um ein Interview zu vereinbaren rief Lorenz Schröter Klaus Kinski kurz vor seinem Tod an. Während sich die Verabredung zum professionellen Talk immer komplizierter entwickelte, nahm er die zahllosen Telefonate auf. So ist schließlich doch etwas wie ein Interview auf Umwegen entstanden.
Nach ausführlichen Diskussionen kürte die Jury schließlich ihren Preisträger - und kam dabei zum selben Schluss wie das Publikum, dessen Stimmen per Internet und an Laptops vor Ort eingesammelt wurden. Sowohl der Online-Award als auch der Preis der Jury ging an Matthias Baxmanns Hörspiel "Entweder bin ich irr oder die Welt".
"Basierend auf den Tagebüchern, die Einar Schleef 1953 bis 1963 geführt und bis kurz vor seinem Tod 2001 mehrfach bearbeitet und kommentiert hat, gelingt dieser Produktion eine enge Verknüpfung von Künstlerbiographie und Zeitgeschichte." So heißt es in der Jurybegründung, die sowohl den Autor Matthias Baxmann als auch den Regisseur Ulrich Lampen und die beiden Sprecher Angelica Domröse und Sylvester Groth ausdrücklich erwähnt. Lampen hat zur Umsetzung von Baxmanns genauer Textkomposition ein differenziertes System von Stereopositionen und Stimmhaltungen geschaffen, das dem Stück zu großer Transparenz verhilft. Die Jury hob diese Klarheit besonders hervor: "So entsteht vor unserem inneren Auge ein Sittenbild vom Aufwachsen in der DDR zwischen Stalins Tod und Mauerbau, zwischen politischer Repression und jugendlicher Auflehnung, zwischen familiärer Enge und Erwachen des Sexus. Dieses Hörspiel lässt uns mit äußerster Klarheit zum Zeugen der Entwicklung eines widersprüchlichen künstlerischen Genies werden."
Der Jury des neu gegründeten ARD-Hörspielpreises saß die ehemalige Staatsministerin für Kultur und Medien, Christina Weiss, vor.
Olbert: Frau Weiss, was war Ihr genereller Eindruck von den ARD-Hörspieltagen?
Weiss: Generell habe ich den Eindruck, dass die Entwicklung der technischen Möglichkeiten, mit elektronischen Klängen und elektronischer Musik zu arbeiten, die Lust am Hörspiel wieder steigert und zwar sowohl bei denen, die sie machen, als auch bei denen, die sie hören.
Olbert: Sind Ihnen bestimmte Trends aufgefallen?
Weiss: Ein Trend, der wirklich auffällt, ist, dass sehr viele Hörspiele zum ARD-Hörspielpreis eingereicht wurden, die auf Fremdtexten beruhen. Es gibt offensichtlich wenige Autorinnen und Autoren, die selber ihren Hörspieltext produzieren, möglicherweise sogar zusammen mit einem Komponisten. Das fand ich ein bisschen traurig. Denn die Bearbeitung einer guten literarischen Vorlage von Beckett oder Einar Schleef ist zwar hochinteressant, aber das ist keine Produktion der Künstlerin oder des Künstlers selbst.
Olbert: Haben Sie eine Vermutung, woran das liegt?
Weiss: Ich kann nicht genau sagen, woran es liegt, glaube aber, es könnte auch an den Redaktionen liegen. Natürlich findet man mit einem schon bekannten Autor sofort ein anderes Publikum. Wenn es daran liegt, wäre es fehlender Mut zum Risiko. Das wäre schade.
Olbert: Welche Verbindung haben Sie zum Hörspiel?
Weiss: Ich komme sehr viel stärker von der akustischen Kunst her. Ich liebe Neue Musik und habe mich zehn Jahre lang in der Jury des Karl-Sczuka-Preises mit Radiokunst beschäftigt, also einer Kunst, die nur durch das Radio vermittelbar ist. Ich finde aber den Einblick in etwas traditionellere Hörspiele ebenfalls sehr spannend. Das Zuhören hat einfach eine besondere Qualität.
Olbert: Wie werden denn in diesen Hörspielen Musik, Geräusche und Stimmen eingesetzt?
Weiss: Da sehe ich leider einige Mängel. Ich glaube nicht, dass die normale Regie der Hörspiele wirklich ganz präzise und hart mit den Schauspielern arbeitet. Es wird nach wie vor häufig zu artifiziell gesprochen, gegen den Text gesprochen und offensichtlich vorher nicht genug diskutiert. Das ist etwas, das mich stört. Ebenso stört mich, wenn Musik oder Klang nur illustrativ eingesetzt wird. Ich wünsche mir, dass mehr Hörspiele produziert werden, für die Musik und Klänge eigens komponiert werden. Das sind einfach auch wunderbare Auftragssituationen für Komponisten.
Olbert: Sie waren in der rot-grünen Bundesregierung Staatsministerin für Kultur. Spielte da das Hörspiel eine Rolle?
Weiss: Ich war ja Staatsministerin für Kultur und Medien. Der Rundfunk ist ja Ländersache, aber ich saß in Brüssel oft in den jeweiligen Runden. Ich habe sehr darum gekämpft, dass die Öffnung des Rundfunks hin zu anderen Medien möglich wird. Ich habe aber auch sehr darum gekämpft, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten endlich mal wieder darüber nachdenken, wofür sie eigentlich gebührenfinanziert sind. Sie sind gebührenfinanziert, weil sie einen kulturellen Auftrag zu erfüllen haben und nicht, weil sie im Quotenwettbewerb siegen müssen.
Olbert: Nun veranstaltet die ARD ihre Tage des Hörspiels bereits zum dritten Mal und hat den ARD-Hörspielpreis neu eingeführt. Wie schätzen Sie diese Veranstaltung ein?
Weiss: Das schätze ich sehr hoch ein, weil es einen hohen Werbeeffekt hat. Die Veranstaltungen sind sehr gut besucht. Ich halte Werbung für diese Seite des Radios für ganz wichtig. Sehr viele Leute nehmen das gar nicht wahr. Sie nehmen Radio als Musikmaschine und als Nachrichtenlieferant wahr. Aber es gibt ja viel mehr.
Während unter den Einreichungen die Literatur- und Theaterbearbeitungen deutlich überwogen, war die vom Westdeutschen Rundfunk eingereichte Produktion "Die Kinski-Bänder. Gottes letztes Interview" ganz und gar nur als Originalhörspiel möglich. Um ein Interview zu vereinbaren rief Lorenz Schröter Klaus Kinski kurz vor seinem Tod an. Während sich die Verabredung zum professionellen Talk immer komplizierter entwickelte, nahm er die zahllosen Telefonate auf. So ist schließlich doch etwas wie ein Interview auf Umwegen entstanden.
Nach ausführlichen Diskussionen kürte die Jury schließlich ihren Preisträger - und kam dabei zum selben Schluss wie das Publikum, dessen Stimmen per Internet und an Laptops vor Ort eingesammelt wurden. Sowohl der Online-Award als auch der Preis der Jury ging an Matthias Baxmanns Hörspiel "Entweder bin ich irr oder die Welt".
"Basierend auf den Tagebüchern, die Einar Schleef 1953 bis 1963 geführt und bis kurz vor seinem Tod 2001 mehrfach bearbeitet und kommentiert hat, gelingt dieser Produktion eine enge Verknüpfung von Künstlerbiographie und Zeitgeschichte." So heißt es in der Jurybegründung, die sowohl den Autor Matthias Baxmann als auch den Regisseur Ulrich Lampen und die beiden Sprecher Angelica Domröse und Sylvester Groth ausdrücklich erwähnt. Lampen hat zur Umsetzung von Baxmanns genauer Textkomposition ein differenziertes System von Stereopositionen und Stimmhaltungen geschaffen, das dem Stück zu großer Transparenz verhilft. Die Jury hob diese Klarheit besonders hervor: "So entsteht vor unserem inneren Auge ein Sittenbild vom Aufwachsen in der DDR zwischen Stalins Tod und Mauerbau, zwischen politischer Repression und jugendlicher Auflehnung, zwischen familiärer Enge und Erwachen des Sexus. Dieses Hörspiel lässt uns mit äußerster Klarheit zum Zeugen der Entwicklung eines widersprüchlichen künstlerischen Genies werden."
Der Jury des neu gegründeten ARD-Hörspielpreises saß die ehemalige Staatsministerin für Kultur und Medien, Christina Weiss, vor.
Olbert: Frau Weiss, was war Ihr genereller Eindruck von den ARD-Hörspieltagen?
Weiss: Generell habe ich den Eindruck, dass die Entwicklung der technischen Möglichkeiten, mit elektronischen Klängen und elektronischer Musik zu arbeiten, die Lust am Hörspiel wieder steigert und zwar sowohl bei denen, die sie machen, als auch bei denen, die sie hören.
Olbert: Sind Ihnen bestimmte Trends aufgefallen?
Weiss: Ein Trend, der wirklich auffällt, ist, dass sehr viele Hörspiele zum ARD-Hörspielpreis eingereicht wurden, die auf Fremdtexten beruhen. Es gibt offensichtlich wenige Autorinnen und Autoren, die selber ihren Hörspieltext produzieren, möglicherweise sogar zusammen mit einem Komponisten. Das fand ich ein bisschen traurig. Denn die Bearbeitung einer guten literarischen Vorlage von Beckett oder Einar Schleef ist zwar hochinteressant, aber das ist keine Produktion der Künstlerin oder des Künstlers selbst.
Olbert: Haben Sie eine Vermutung, woran das liegt?
Weiss: Ich kann nicht genau sagen, woran es liegt, glaube aber, es könnte auch an den Redaktionen liegen. Natürlich findet man mit einem schon bekannten Autor sofort ein anderes Publikum. Wenn es daran liegt, wäre es fehlender Mut zum Risiko. Das wäre schade.
Olbert: Welche Verbindung haben Sie zum Hörspiel?
Weiss: Ich komme sehr viel stärker von der akustischen Kunst her. Ich liebe Neue Musik und habe mich zehn Jahre lang in der Jury des Karl-Sczuka-Preises mit Radiokunst beschäftigt, also einer Kunst, die nur durch das Radio vermittelbar ist. Ich finde aber den Einblick in etwas traditionellere Hörspiele ebenfalls sehr spannend. Das Zuhören hat einfach eine besondere Qualität.
Olbert: Wie werden denn in diesen Hörspielen Musik, Geräusche und Stimmen eingesetzt?
Weiss: Da sehe ich leider einige Mängel. Ich glaube nicht, dass die normale Regie der Hörspiele wirklich ganz präzise und hart mit den Schauspielern arbeitet. Es wird nach wie vor häufig zu artifiziell gesprochen, gegen den Text gesprochen und offensichtlich vorher nicht genug diskutiert. Das ist etwas, das mich stört. Ebenso stört mich, wenn Musik oder Klang nur illustrativ eingesetzt wird. Ich wünsche mir, dass mehr Hörspiele produziert werden, für die Musik und Klänge eigens komponiert werden. Das sind einfach auch wunderbare Auftragssituationen für Komponisten.
Olbert: Sie waren in der rot-grünen Bundesregierung Staatsministerin für Kultur. Spielte da das Hörspiel eine Rolle?
Weiss: Ich war ja Staatsministerin für Kultur und Medien. Der Rundfunk ist ja Ländersache, aber ich saß in Brüssel oft in den jeweiligen Runden. Ich habe sehr darum gekämpft, dass die Öffnung des Rundfunks hin zu anderen Medien möglich wird. Ich habe aber auch sehr darum gekämpft, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten endlich mal wieder darüber nachdenken, wofür sie eigentlich gebührenfinanziert sind. Sie sind gebührenfinanziert, weil sie einen kulturellen Auftrag zu erfüllen haben und nicht, weil sie im Quotenwettbewerb siegen müssen.
Olbert: Nun veranstaltet die ARD ihre Tage des Hörspiels bereits zum dritten Mal und hat den ARD-Hörspielpreis neu eingeführt. Wie schätzen Sie diese Veranstaltung ein?
Weiss: Das schätze ich sehr hoch ein, weil es einen hohen Werbeeffekt hat. Die Veranstaltungen sind sehr gut besucht. Ich halte Werbung für diese Seite des Radios für ganz wichtig. Sehr viele Leute nehmen das gar nicht wahr. Sie nehmen Radio als Musikmaschine und als Nachrichtenlieferant wahr. Aber es gibt ja viel mehr.