Alles scheint sich in diesem Stück im wahrsten Sinn des Wortes um die Liebe zu drehen. Doch wichtiger als Rummelplatz und Prater ist, das versucht Karin Henkel in Ihrer Stuttgarter "Liliom"-Inszenierung zu zeigen, das Karussell, die ewige Repetition des Gleichen - im Kopf. Also rennen die Figuren auf der sich drehenden Bühnenscheibe im Kreis herum und sagen wie Repetieruhren alles so oft wie möglich. Vor allem Nichtssagendes.
Ja, Karin Henkel lässt ganze Passagen mehrfach aufsagen. Und Molnars noch irgendwie liebenswerter Galgenvogel, halb Vorstadt-Casanova, halb Schlemihl, verkommt in Stuttgart zum kraftprotzigen Nullbock-Klischee eines Asozialen: arbeitsscheu, dumm, gewalttätig.
Seine Geliebte, das Dienstmädchen Julia, mutiert zu einem sich cool gebenden Wesen ohne Eigenschaften - mit Ausnahme hoher Nehmerqualitäten. Jeder zweite Wortwechsel mit ihrem Liliom endet mit mindestens einem satten Fausthieb auf Nase oder Kopf - was ihrer Liebe zu ihm keinen Abbruch tut.
Klar, die Regisseurin hat sich bemüht, das im Original fast unerträglich kitschige Stück zu entstauben und zu entzuckern. Nur kommt halt bei Molnár unter dem Zuckerstaub ein Text aus Gips zum Vorschein. Keine Spur von witzsprühenden, pointierten Dialogen. Auch verbal: die ewige Wiederholung des Gleichen. An thematisch vergleichbare Horvath-Stücke mag man vor diesem Hintergrund gar nicht denken. Selbst in ihrer Wortarmut sind Molnárs Figuren geschwätzig, ist das Plot wirklich an der Peinlichkeitsgrenze: Der Ausrufer Liliom wird wegen seiner Liebe zu Julia von der eifersüchtigen Karussellbesitzerin entlassen, beide landen im sozialen Off.
Er zelebriert seine Arbeitslosigkeit, sie leidet, still und blutend. Dann der Versuch, der Armutsfalle durch einen mehr als dilettantisch ausgeführten Raubüberfall zu entgehen, schließlich der verzweifelte Selbstmord des Helden, um der Polizei zu entgehen. Julia gesteht dem Sterbenden ihre Liebe, nachdem er, blutend und mit durchschnittener Kehle, eine längere, ähnlich lautende Erklärung abgegeben hatte. Damit freilich ist "noch lang noch nicht Schluss".
Wie in altwienerisch-ungarischen Volkstheater-Besserungsstücken üblich, folgt ein ellenlanges Nachspiel im Himmel. Der tote Vorstadtstrizzi findet dort nicht die ersehnte Ruhe. Denn zwei geflügelte "Polizisten Gottes" zerren ihn vors himmlische Selbstmördergericht und räumen ihm eine letzte Bewährungschance ein: nach 16 Jahren Fegefeuer wird ihm Gelegenheit gegeben, an seiner, mittlerweile zu einer Art Julia-Clon herangewachsenen, erst nach seinem Tod geborenen Tochter etwas Gutes zu tun.
Im Original misslingt der väterliche Versuch, die Kleine mittels eines aus dem Jenseits mitgebrachten Sterns zu einer Art irdischer Bewährungshelferin zu machen. In Stuttgart benimmt sie sich einfach so kratzbürstig und vulgär daneben, dass Papi schließlich das tut, was er immer getan hat, wenn er nicht weiter wusste - ihr eine scheuert, dass die Nase blutet - und damit auch die zweite Chance vergibt. Und die Moral von der Geschicht'? Dumm geboren, nichts dazugelernt? Oder im heutigen Marketing-Sound: "Ich bin doch blöd. Und ich will's auch bleiben"?
Jedenfalls bestätigt das Stück in dieser modernisierten, ein bisschen auf elektronische Unterhaltungsindustrie umgefönten und mit Verweisen auf Fatih Akins Kultfilm Gegen die Wand garnierten Variante alle derzeit im öffentlichen Sprachraum kursierenden "Unterschichtler"-Vorurteile auf krude Weise. Selten aber haben ein loser und seine Partnerin einen so kalt gelassen wie auf diesem Parcours der Ödnis, auf dem hier alle ihre Karussellrunden zwischen sich immer enger zusammenschiebenden Wänden drehen.
Ja, die Bühne zeigt, was sich für die Figuren verändert, man kann zusehen, wie ihr Spiel-Raum schwindet. Sie dagegen bleiben eindimensional. Karin Henkel hat sich für die Überdeutlichkeit entschieden. Liliom brüllt und schlägt, Julia, verhärmt von Anfang an, schweigt und muss blutbefleckt und bekleckert herumlaufen. In den ausgiebigen Wiederholungsschleifen verliert die Aufführung schnell Spannung und Rhythmus. Vor allem aber erfährt man nicht, welche Art von System das Ringelspiel eigentlich am Laufen hält: soziale Umstände? Herrschaftsverhältnisse? Charakter? Fatum? Dummheit? Triebe? Liebe? Die Liebe bleibt eine Behauptung. Die Aufführung - ein entbehrlicher Wiederbelebungsversuch.
Ja, Karin Henkel lässt ganze Passagen mehrfach aufsagen. Und Molnars noch irgendwie liebenswerter Galgenvogel, halb Vorstadt-Casanova, halb Schlemihl, verkommt in Stuttgart zum kraftprotzigen Nullbock-Klischee eines Asozialen: arbeitsscheu, dumm, gewalttätig.
Seine Geliebte, das Dienstmädchen Julia, mutiert zu einem sich cool gebenden Wesen ohne Eigenschaften - mit Ausnahme hoher Nehmerqualitäten. Jeder zweite Wortwechsel mit ihrem Liliom endet mit mindestens einem satten Fausthieb auf Nase oder Kopf - was ihrer Liebe zu ihm keinen Abbruch tut.
Klar, die Regisseurin hat sich bemüht, das im Original fast unerträglich kitschige Stück zu entstauben und zu entzuckern. Nur kommt halt bei Molnár unter dem Zuckerstaub ein Text aus Gips zum Vorschein. Keine Spur von witzsprühenden, pointierten Dialogen. Auch verbal: die ewige Wiederholung des Gleichen. An thematisch vergleichbare Horvath-Stücke mag man vor diesem Hintergrund gar nicht denken. Selbst in ihrer Wortarmut sind Molnárs Figuren geschwätzig, ist das Plot wirklich an der Peinlichkeitsgrenze: Der Ausrufer Liliom wird wegen seiner Liebe zu Julia von der eifersüchtigen Karussellbesitzerin entlassen, beide landen im sozialen Off.
Er zelebriert seine Arbeitslosigkeit, sie leidet, still und blutend. Dann der Versuch, der Armutsfalle durch einen mehr als dilettantisch ausgeführten Raubüberfall zu entgehen, schließlich der verzweifelte Selbstmord des Helden, um der Polizei zu entgehen. Julia gesteht dem Sterbenden ihre Liebe, nachdem er, blutend und mit durchschnittener Kehle, eine längere, ähnlich lautende Erklärung abgegeben hatte. Damit freilich ist "noch lang noch nicht Schluss".
Wie in altwienerisch-ungarischen Volkstheater-Besserungsstücken üblich, folgt ein ellenlanges Nachspiel im Himmel. Der tote Vorstadtstrizzi findet dort nicht die ersehnte Ruhe. Denn zwei geflügelte "Polizisten Gottes" zerren ihn vors himmlische Selbstmördergericht und räumen ihm eine letzte Bewährungschance ein: nach 16 Jahren Fegefeuer wird ihm Gelegenheit gegeben, an seiner, mittlerweile zu einer Art Julia-Clon herangewachsenen, erst nach seinem Tod geborenen Tochter etwas Gutes zu tun.
Im Original misslingt der väterliche Versuch, die Kleine mittels eines aus dem Jenseits mitgebrachten Sterns zu einer Art irdischer Bewährungshelferin zu machen. In Stuttgart benimmt sie sich einfach so kratzbürstig und vulgär daneben, dass Papi schließlich das tut, was er immer getan hat, wenn er nicht weiter wusste - ihr eine scheuert, dass die Nase blutet - und damit auch die zweite Chance vergibt. Und die Moral von der Geschicht'? Dumm geboren, nichts dazugelernt? Oder im heutigen Marketing-Sound: "Ich bin doch blöd. Und ich will's auch bleiben"?
Jedenfalls bestätigt das Stück in dieser modernisierten, ein bisschen auf elektronische Unterhaltungsindustrie umgefönten und mit Verweisen auf Fatih Akins Kultfilm Gegen die Wand garnierten Variante alle derzeit im öffentlichen Sprachraum kursierenden "Unterschichtler"-Vorurteile auf krude Weise. Selten aber haben ein loser und seine Partnerin einen so kalt gelassen wie auf diesem Parcours der Ödnis, auf dem hier alle ihre Karussellrunden zwischen sich immer enger zusammenschiebenden Wänden drehen.
Ja, die Bühne zeigt, was sich für die Figuren verändert, man kann zusehen, wie ihr Spiel-Raum schwindet. Sie dagegen bleiben eindimensional. Karin Henkel hat sich für die Überdeutlichkeit entschieden. Liliom brüllt und schlägt, Julia, verhärmt von Anfang an, schweigt und muss blutbefleckt und bekleckert herumlaufen. In den ausgiebigen Wiederholungsschleifen verliert die Aufführung schnell Spannung und Rhythmus. Vor allem aber erfährt man nicht, welche Art von System das Ringelspiel eigentlich am Laufen hält: soziale Umstände? Herrschaftsverhältnisse? Charakter? Fatum? Dummheit? Triebe? Liebe? Die Liebe bleibt eine Behauptung. Die Aufführung - ein entbehrlicher Wiederbelebungsversuch.