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Lutheraner
"Wer fliehen muss, verliert niemals seine Menschenrechte"

Der Lutherische Weltbund, eine weltweite Gemeinschaft von 145 lutherischen Kirchen mit mehr als 72 Millionen Mitgliedern, hat sich in Wittenberg getroffen. Zentrales Thema war die Flüchtlingspolitik.

Vom Christoph Richter | 22.06.2016
    Mit einem Gottesdienst in der Schlosskirche in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) hat der Lutherische Weltbund (LWB) am Sonntag (23.08.15) sein internationales Jugendnetzwerk-Treffen eroeffnet (Foto). Zu der sogenannten Reformationswerkstatt werden bis 4. September mehr als 140 junge Reformer aus ueber 60 Laendern erwartet. Zu dem Treffen des Global Young Reformers Network hat das Deutsche Nationalkomitee des LWB eingeladen. Die Teilnehmer wollen bei der Werkstatt Wittenberg Reformationsprojekte entwickeln, die sie bis 2017 in ihren Heimatkirchen umsetzen wollen. Die Ergebnisse sollen auch in die Vorhaben des LWB zum 500. Reformationsjubilaeum 2017 einfliessen.
    Die Schlosskirche in Wittenberg. Die Stadt ist als neuer Standort des Lutherischen Weltbundes im Gespräch. (imago / Jens Schlueter)
    Gekommen waren rund 150 Mitglieder, darunter auch die 49 Ratsmitglieder, sie sind die gewählten Volksvertreter des Lutherischen Weltbundes. Für die Teilnehmer aus den anderen Kontinenten war es ein besonderes Erlebnis, die Originalschauplätze der Reformation zu sehen. Das liegt auch daran, dass Wittenberg für die Lutheraner als das Rom der evangelischen Christenheit und die Schlosskirche als deren Petersdom gilt. Das zentrale Thema der Ratstagung – so etwas wie ein weltweiter Parteitag der Lutheraner - war die Flüchtlingspolitik. Der Lutherische Weltbund betreut nach eigenen Angaben 2,3 Millionen Flüchtlinge. Von Deutschland verlangte er eine humane Asylpolitik. Martin Junge, der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes schloss in seine Kritik aber auch alle die Länder ein, die sich für Asylrechtsverschärfungen einsetzten, etwa beim Familiennachzug Flüchtlingen. Hier gehe es um das Schicksal von Kindern, sagte er.
    Der Lutherische Weltbund, unterstrich Generalsekretär Junge, der am vergangenen Freitag für weitere sieben Jahre wiedergewählt wurde, verstehe sich als Anwalt der Flüchtlinge. "Wir haben das Thema aufgenommen unter dem Eindruck einer massiv gestiegenen Anzahl von Flüchtlingen und einer Weltgemeinschaft, die sich der Situation politisch nicht annehmen möchte. Der erste Satz der Verlautbarung, finde ich, ist ein sehr starker Satz: ,Menschen auf der Flucht verlieren vieles, jedoch niemals ihre Menschenrechte.' Dieser Ansatz ist uns wichtig."
    Der Präsident des Lutherischen Weltbundes Munib Younan, der selbst aus einer palästinensischen Flüchtlingsfamilie stammt und der Jerusalemer Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land ist, forderte eine bessere Integration der Asylsuchenden. Sie sollten so ausgebildet und vorbereitet werden, dass sie nach ihrer Rückkehr beim Wiederaufbau ihrer Heimatländer helfen könnten.
    In besonderer Weise setzten sich die 49 Ratsmitglieder mit der Situation von Christen im Mittleren Osten auseinander. Nach Angaben des Lutherischen Weltbundes würden Christen immer häufiger Opfer gezielter gewaltsamer Übergriffe. Um an ihr Schicksal zu erinnern, wurde auf der Wittenberger Ratstagung eine Resolution verabschiedet: "Christen sind unter Druck im Mittleren Osten, und Christen spielen zur gleichen Zeit eine so unheimlich wichtige Rolle als interreligiöse Vermittler im Kontext des Mittleren Ostens. Wir wollten die Rolle hervorheben, diese Bedeutung, aber auch unsere Unterstützung kundgeben, damit die Präsenz aufrechterhalten werden kann."
    Das Treffen in Wittenberg, das Bundespräsident Joachim Gauck mit einer Predigt eröffnet hatte, war nicht nur von harmonischen Worten geprägt. Auf deutliche Kritik stieß die Entscheidung der lettischen Kirche, die Ordination von Frauen aus der Kirchenverfassung zu streichen.
    "Wir haben bestätigt, dass der Lutherische Weltbund seit 1984 auf die volle Beteiligung von Frauen im Pfarrdienst setzt. Daran halten wir fest. Wir werden mit der lettischen Kirche sprechen, wir werden den Frauen Solidarität zeugen. Und wir haben die lettische Kirche gebeten, die Stellungnahme nochmal zu überprüfen", sagt die schwedische Erzbischöfin Antje Jackelén.
    Zudem verabschiedete der Lutherische Weltbund ein Papier zur Kirche im öffentlichen Raum. Die Kirche müsse sich dafür einsetzen, heißt es da, dass gerade Arme und Schwache in der Gesellschaft Gehör fänden und an ihr teilhaben könnten.
    Wittenberg als Tagungsort des Ratstreffens des Lutherischen Weltbundes war schon mit Blick auf die Reformationsfeier im nächsten Jahr gewählt, gewissermaßen als eine Art Warm-up für das Großevent. 499 Jahre nach Luthers Thesenanschlag zum Ablasshandel wiesen die versammelten Vertreter des Lutherischen Weltbundes auf die aktuelle Bedeutung der Reformation hin. Es solle kein Fest der Kirchenspaltung werden, sondern ein Fest der Ökumene, so die Theologin Antje Jackelén: "Wir möchten die Reformation, das Jubiläum begehen, als ein ökumenisches Ereignis. Um zu zeigen, wir können uns gemeinsam über die Gabe des Evangeliums, die gute Botschaft freuen. Wir können aber auch unsere Trauer darüber ausdrücken, dass doch die Spaltung viele Menschen sehr negativ berührt und Leiden hervorgerufen hat."
    Am 31. Oktober diesen Jahres werden die Ratsmitglieder des Lutherischen Weltbundes anlässlich der gemeinsamen Reformationsfeier mit dem Päpstlichem Einheitsrat im schwedischen Lund auch Papst Franziskus treffen. Ob man ihn dann zur großen Reformationsfeier nach Wittenberg einladen werde, dazu wollte jedoch seitens der Lutheraner niemand etwas sagen.
    Geraunt wird, dass der Lutherische Weltbund seinen Hauptsitz Genf künftig gegen einen neuen Standort Wittenberg tauschen wolle. Auch dazu blieben die Verantwortlichen erstaunlich schweigsam.