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Lutz Förster erklärt Lutz Förster

Lutz Förster, einst Tänzer bei Pina Bausch, stellt sich vor: Im letzten Teil einer Trilogie des französischen Choreografen Jérome Bels, die sich mit dem Wissen von Tänzern befasst, erzählt Förster von seinem Leben, Foxtrott und klassischem Ballett.

Von Wibke Hüster | 23.10.2009
    Was würde Lutz Förster in dieser Inszenierung von sich und seinem besonderen Verhältnis zu Pina Bausch preisgeben, was würde er über die Kunst der sprechenden, singenden, tanzenden Darsteller der berühmtesten Epoche des deutschen Tanzes berichten - nun da sie endgültig abgeschlossen ist? Interessanter noch wären die Beweggründe für ein Leben als Tänzer von Pina Bausch gewesen, Argumente für deren Kunst, in die alle ihre Tänzer so vieles aus ihrem Privatleben investierten - manchmal auch opferten.

    Lutz Förster holt erst einmal viel weiter aus und berichtet von seinen ersten Schritten auf einer Bühne. Mit 13 Jahren habe er bereits Gesellschaftstänze wie Foxtrott oder Chachacha vorgeführt.

    Pina Bausch entdeckte den mit 21 Jahren nicht mehr jungen Tanzstudenten in der Folkwang Hochschule und ließ in ihrem legendären Frühlingsopfer mittanzen. Nach seinem Examen nahm sie ihn ins Tanztheater Wuppertal auf, sie mochte den Langen mit der großen Nase und dem schönen tiefen Plié in der zweiten Position.
    "1980" heißt das erste Stück, das nach dem Tod von Rolf Borzik, dem Ausstatter und Lebensgefährten von Pina Bausch, entsteht. Wie alle Tänzer versucht auch Lutz Förster, die Choreografin in den Proben abzulenken und aufzuheitern, indem er die verrücktesten Dinge vorschlägt: wie jemand kocht und dabei Ballettschritte ausführt, dass man dem Publikum Tee servieren könnte oder herumsummen wie eine Biene, die Honig sammelt. Und noch viel größere Albernheiten führt Förster vor - wie etwa die Dankesrede an einen Stuhl ...

    Und wer sich immer fragte, wie Lutz Förster darauf gekommen sei, Sophie Tuckers Lied "The Man I Love" in dem Stück "Nelken" in Gebärdensprache vorzuführen, dessen Wissensdurst stillt der Tänzer. Am Nacktbadestrand der Homosexuellen von San Diego hatte es ihm ein Dolmetscher beigebracht, der alltags bei Gericht für Gehörlose simultan übersetzte.

    Das war der Höhepunkt des Stücks an Hintergründigkeit. Bob Wilson hat Förster in einer New Yorker Disco kennengelernt, soso. Alles, was über diesen Hinterbühnen-Small-Talk hinausginge, hat Förster vermieden. Nichts kommt auf den Tisch, nicht die winzigste neue Information oder der leiseste berührende Moment von Intimität.

    Aber was viel schlimmer ist: Es kommt auch nicht ein einziges Argument zur Sprache. Warum ging Lutz Förster zum Tanztheater? Schenkt man diesem Abend Glauben, dann, weil er so gerne erfundenes Zeug in ein Mikrofon redete. Genau das lässt Jérôme Bel ihn hier tun. Eigentlich hätte er das Stück absagen sollen, so enttäuschend fassadenhaft ist dieser Auftritt geworden. Wie witzig, wie aufschlussreich und faszinierend waren nicht Bels andere Solostudien geraten. Sie führten mitten ins Herz des klassischen Balletts und des religiös-rituellen Tanzes. Der Wuppertaler Star aber mauert und strengt sich noch nicht mal besonders an, gut zu tanzen und zu sprechen. Für die Zukunft des Tanztheaters Wuppertal nach Pina Bausch lässt das nichts Gutes erwarten.