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Lux-Leaks
Luxemburg will Person Juncker nicht beschädigen

Die LuxLeaks haben gezeigt, wie das Großherzogtum über drei Jahrzehnte hinweg mit Steuersparmodellen Weltkonzerne anzulocken versuchte. Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel - seit einem Jahr im Amt - wehrt sich, doch die Vorwürfe betreffen vor allem seinen Vorgänger Jean-Claude Juncker - den heutigen EU-Kommissionspräsidenten.

Von Tonia Koch | 10.11.2014
    Der Luxemburger Jean-Claude Juncker bei der Vorstellung seiner Pläne und Kandidaten im Europaparlament.
    LuxLeaks betreffen einen Zeitraum, in dem Jean-Claude Juncker (EU-Kommissionspräsident) luxemburgischer Premierminister war. (picture alliance / dpa / Patrick Seeger)
    Die Luxemburger Regierungskoalition bestehend aus Roten, Grünen und Blauen, im Großherzogtum tragen die Liberalen blau statt gelb, könnte es sich einfach machen. Die Enthüllungen über tausende Seiten zwar legaler aber moralisch fragwürdiger Steuertricks betreffen einen Zeitraum, da war sie nicht im Amt, da hatte Jean-Claude Juncker das Heft des Handelns in der Hand. Ununterbrochen, 19 lange Jahre hatte der konservative Regierungschef die Geschicke Luxemburgs gelenkt. Bis er im Herbst des vergangenen Jahres die politische Macht verlor. Was läge für Premierminister Xavier Bettel also näher als mit dem Finger auf seinen Vorgänger zu zeigen, den frisch gebackenen EU-Kommissionspräsidenten Juncker.
    Das mache er nicht und überhaupt mit dem Finger auf andere zeigen, das sei nicht sein Stil, sagt Bettel.
    "Das wäre die einfache Lösung. Alles, was vorher passiert ist, das ist die Schuld eines anderen und ich hab' nichts damit zu tun, so mach ich keine Politik."
    Schließlich habe das ganze Land gut von diesem System gelebt. Alle seien zufrieden gewesen, wenn die Haushaltskasse gut gefüllt gewesen sei. Und er werde nicht müde zu betonen, dass die luxemburgische Steuergesetzgebung legal sei und vergleichbar anderer Länder über die im Moment nur niemand rede.
    "Hier wird ein Land an den Pranger gestellt, wo andere Länder die gleichen Praktiken haben. Und ich will einfach nicht akzeptieren, dass das Gefühl, das Bild gegeben wird, als ob in Luxemburg alle Leute Betrüger und Gauner seien, das ist einfach nicht zu akzeptieren."
    Dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union steuerlich miteinander konkurrieren, ist gewollt. Dahinter steckt der Gedanke, dass der Wettbewerb in Steuerfragen durchaus eine heilsame Wirkung haben kann. Dass er auf den Steuerhunger der Regierungen mäßigend wirkt. In erster Linie hilft das den Unternehmen. Dass diese danach trachteten, möglichst wenig Steuern zu zahlen sei ihnen nicht vorzuwerfen, so lange es legal sei, sagt der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna. Nur würden die Forderungen nach Steuervermeidungsstrategien immer drastischer.
    "In den letzten Jahren hat sich eine Entwicklung verstärkt, die sich unter Steueroptimierung zusammenfassen lässt und sie führt dazu, dass einige Betriebe keine Steuern zahlen. Das findet die luxemburgische Regierung nicht gut und ich bin überzeugt, das auch der luxemburgische Steuerzahler das nicht gut findet."
    Die Frage, in welchem Ausmaß sich Luxemburg zulasten des Steuerzahlers zulasten womöglich auch zulasten der Nachbarn an überzogenen Steuersparmodellen beteiligt hat, das soll nach Auffassung der luxemburgischen Linken ein Parlamentarischer Untersuchungsausschusses klären. Justin Turpel, Parlamentsabgeordneter der Linken.
    "Wem hat es genutzt, wie wurde es getätigt, wie viel wurde so den Staaten entzogen, und wie soll man in der Zukunft vorgehen. Diese Debatte, da sind wir dafür, sollte offen geführt werden, öffentlich geführt werden."
    Juncker wird nicht im Fokus der Untersuchungen stehen
    Im Verlauf der Woche entscheidet sich, ob sich für diesen Vorschlag eine Mehrheit findet. Zweifel sind berechtigt. Ein Untersuchungsausschuss müsste sich zuvörderst mit der Rolle des ehemaligen Premierministers Jean-Claude Juncker in diesem Zusammenhang befassen. Das wird nicht geschehen. Niemand hat in Luxemburg ein Interesse daran, die Person Juncker zu beschädigen, das Land steht geschlossen hinter dem EU-Kommissionspräsidenten. Schließlich war es Juncker, der 2013 die Zeichen der Zeit erkannte und das über Jahrzehnte gehütete Bankgeheimnis, die Grundlage Luxemburger Reichtums, zur Disposition stellte.
    "Unser Finanzplatz hat sich schon seit Jahren einer Weißgeldstrategie verschrieben. Unser Finanzplatz lebt nicht von Schwarzgeld und von Steuerhinterziehung. Deshalb können wir ohne Bedenken den automatischen Informationsaustausch zum 1. Januar 2015 einführen."
    In der vergangenen Woche hat die Abgeordnetenkammer über eine entsprechende Gesetzesvorlage abgestimmt. Aber die Regierung sei nicht konsequent, sagt der Linken Abgeordnete Justin Turpel.
    "Parallel werden wieder neue Schlupflöcher geschaffen, wie die Stiftungen auf Familienbasis in die sehr reiche Leute ihr Vermögen einbringen sollen und die überhaupt nicht mehr besteuert werden, also die ganze Politik ist doppelzüngig und damit wird diese Spirale des Steuerdumpings nicht durchbrochen, da müsste man einen Paradigmenwechsel herbeiführen, nicht nur in Luxemburg, nicht nur in Luxemburg!"
    Nicht nur in Luxemburg, darüber sind sich alle einig. Das Land fühlt sich ungerecht behandelt, weil es als einziges wegen seiner Steuersparmodelle an den Pranger gestellt wird.