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Luxleaks-Affäre
Juncker spricht vor dem Sonderausschuss

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker muss sich heute in Brüssel den Fragen des Luxleaks-Sonderausschusses stellen. Dass die Abgeordneten ihn ins Schwitzen bringen können, ist allerdings nicht zu erwarten. Noch vor einem Jahr enorm unter Druck, hat er sich längst als Kommissionschef und Krisenmanager bewährt. Gleichzeitig beklagen Ausschussmitglieder eine Behinderung ihrer Aufklärungsarbeit.

Von Jörg Münchenberg | 17.09.2015
    Jean-Claude Juncker spricht vor dem Europäischen Parlament in Strasbourg
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: Was hat er von der Steuervermeidung gewusst? (dpa/picture-alliance/ Patrick Seeger)
    Jean Claude Juncker ist ein viel beschäftigter Mann. Mehrfach musste der EU-Kommissionschef deshalb seinen geplanten Auftritt vor dem Luxleaks-Sonderausschuss des Europäischen Parlaments verschieben, heute aber wird er sich den Fragen der Abgeordneten stellen. Und sich dabei an seiner Aussage im Herbst 2014 messen lassen:
    "Es gibt nichts in meiner Vergangenheit, das nahelegt, dass ich in Europa aktiv die Steuervermeidung gefördert habe. Ich habe ihnen erklärt, das ist eine Folge der Nicht-Harmonisierung in Europa".
    Doch so einfach wird sich der früherer Regierungschefs von Luxemburg kaum aus der Affäre ziehen können. Denn das Großherzogtum steht im Mittelpunkt einer gigantischen Steuervermeidungsaffäre, bekannt als Luxleaks. Nach Journalisten-Recherchen gab es umfangreiche Absprachen zwischen Großkonzernen und den Luxemburger Finanzbehörden über erhebliche Steuervergünstigungen. Zur Aufarbeitung des Skandals wurde dann der parlamentarische Sonderausschuss gegründet, vor dem Juncker heute Rede und Antwort stehen muss:
    "Er muss sich die Frage gefallen lassen, was hat er in Luxemburg gewusst, was hat Luxemburg gemacht? Warum ist Luxemburg inzwischen einer der Länder, das aggressiv auch um Unternehmen mit günstigen Steuerabsprachen geworben hat. Und vor allem wollen wir von ihm auch wissen, warum denn die Regierungschefs und die Finanzminister jetzt seit 20 Jahren das Problem kennen, aber nichts gemacht haben".
    ...ärgert sich einer der Ko-Berichterstatter im Sonderausschuss, der FDP-Abgeordnete Michael Theurer. Viele würden den Kommissionschef gerne mit kritischen Fragen ordentlich ins Schwitzen bringen, doch damit ist kaum zu rechnen. Juncker, vor knapp einem Jahr wegen LuxLeaks politisch enorm unter Druck, hat sich längst als Kommissionschef und Krisenmanager bewährt. Dazu kommt: Gerade einmal 75 Minuten sind für die Frage-und-Antwort-Runden insgesamt vorgesehen.
    Giegold: "Erwarte Ehrlichkeit, Vollständigkeit und Transparenz"
    Für den altgedienten Politprofi Juncker dürfte dies kaum ein Problem sein. Gleichzeitig darf er aber den Auftritt nicht unterschätzen, zumal manche Abgeordnete richtig sauer sind. Der Ausschuss, so klagt der Grüne Sven Giegold, sei in seiner Aufklärungsarbeit in den letzten Monaten massiv behindert worden. Unternehmensvertreter sind erst gar nicht erschienen, angeforderte Akten blieben unter Verschluss:
    "Herr Juncker muss genau darlegen, welche Rolle er bei der Einrichtung der Steueroase Luxemburg gespielt hat. Da erwarte ich Ehrlichkeit und Vollständigkeit und Transparenz. Und darüber hinaus ist darüber zu diskutieren, wie er uns als Abgeordneten ermöglicht, was im Bundestag eine Selbstverständlichkeit wäre, dass wir alle Unterlagen einsehen können, die wir für unsere Arbeit brauchen".
    Juncker wird auf Steuer-Harmonisierung verweisen
    Denn auch die Kommission hat sich in dieser Frage nicht mit Ruhm bekleckert und wichtige Dokumente zurückgehalten. Ein Untersuchungsausschuss hätte hier nachdrücklicher auftreten können, war aber am Ende politisch nicht durchsetzbar. Insgesamt dürfte sich also der heutige Erkenntnisgewinn über das Steuergebaren in Europa trotz des prominenten Gastes eher in Grenzen halten, das ist letztlich auch bei Michael Theurer deutlich herauszuhören:
    "Wir hoffen, dass er dann auch eine Position findet. Und wenn er uns dann die Regierungschefs und Finanzminister der anderen Länder nennt, bei denen die Dinge auch nicht in Ordnung waren, dann ist das auch ein Erkenntnisgewinn".
    Da ist sie also wieder, die fehlende Steuer-Harmonisierung in Europa. Juncker wird darauf sicherlich zurückkommen. Und darauf verweisen, dass die Kommission längst gehandelt hat. Bis zum Jahresende sollen die Finanzminister den automatischen Informationsaustausch zwischen den EU-Staaten über Steuerabsprachen zwischen Unternehmen und Finanzbehörden formal absegnen. Luxemburg gehört übrigens zu den vehementen Befürwortern dieses Kommissionsvorschlages. Eine Hintertür haben sich die Abgeordneten dennoch offen gelassen. Der Sonderausschuss, dessen Arbeit eigentlich demnächst beendet ist, könnte verlängert werden. Schließlich gibt es bei LuxLeaks noch jede Menge dunkle Ecken auszuleuchten.