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Mach' doch mal lauter, Schatz!

Technik. - Musik mit großer Dynamik, also großen Unterschieden zwischen lauten und leisen Passagen ist beim Autofahren oft keine große Freude. Entweder sind die Fortissimo-Passagen zu laut oder die leisen Stellen gehen im Fahrtgeräusch unter. Ein Akustiker aus Aachen verspricht nun allen Geplagten Abhilfe.

Von Ralf Krauter |
    Musik, die bewegt, kommt auch mal ganz leise daher. Piano eben. Denn erst die Dynamik, also der Wechsel zwischen leisen und lauteren Passagen, verleiht einem Musikstück die Kraft, Emotionen zu wecken. Leider kann man diesen Kontrast bislang nur zu Hause oder im Konzertsaal genießen. Autoradios werden der musikalischen Dynamik bislang nicht gerecht. Ein unhaltbarer Zustand, findet der Jazz- und Klassik-Fan Gottfried Behler vom Institut für Technische Akustik der RWTH Aachen.

    "Ich bin vor allem mit den technischen Gegebenheiten nicht zufrieden im Auto. Dass man insbesondere, wenn man als Klassik-Hörer sich normale Musik anhört, nicht umhin kommt, dass man Pianissimo-Passagen immer lauter drehen muss, Fortissimo-Passagen dann wieder zu laut sind. Und wenn dann zufällig noch das Verkehrsinformationsprogramm umschaltet, dann wird man angebrüllt, weil das natürlich viel lauter ist als die CD. Das sind Dinge, von denen ich glaube, dass sie wirklich nicht in die Hand des Fahrers gehören. Sondern die gehören in die Hand eines automatisch regelnden Systems, das genau weiß, was passiert."

    Und genau solch eine clevere Elektronik hat Gottfried Behler jetzt entwickelt. Was nicht ganz ohne war. Einfach die Lautstärke des laufenden Radioprogramms zu registrieren, genügt nicht. Man muss auch wissen, wie laut das menschliche Gehör bestimmte Musikpassagen empfindet. Statt auf den physikalischen Schallpegel kommt es auf die gefühlte Lautheit an. Und die wiederum wird beeinflusst von den Umgebungsgeräuschen im Fahrzeug: Dem Surren des Motors, dem Rollgeräusch der Räder, dem Rauschen des Fahrtwindes. All diese Geräusche können Teile des Radioprogramms akustisch überdecken – und die bereits gehörten, auf das Fortissimo folgenden Flöten im Hintergrundrauschen untergehen lassen.

    Klingt für den Fahrer, als sei das Stück bereits zu Ende. Mit zwei Computer-Prozessoren lassen sich allerdings auch die leisen Passagen wieder hörbar machen – bislang allerdings nur im Labor. Behler:

    "Sie müssen einmal das Nutzsignal, das, was sie als Radioprogramm hören wollen, auswerten. Und sie müssen in einem zweiten Vorgang das Hintergrundgeräusch, das ja immer vermischt mit dem Nutzprogramm im Auto dargestellt wird, analysieren. Also es gibt Methoden, um das Hintergrundgeräusch zu separieren und dann auch in seiner Lautheit, in seiner maskierenden Wirkung auf den eigentlichen Nutzschall zu bewerten. Wenn sie diese beiden Bewertungen haben, dann können sie erfolgreich regeln."

    Und zwar so, dass die Pianissimo-Flöten-Passage automatisch so weit verstärkt wird, dass sie eben noch über dem Hintergrundlärm wahrnehmbar ist. Mehr wäre dann schon wieder zu viel des Guten, weil sonst der Kontrast zwischen lauten und leisen Sequenzen unnötig eingeschränkt würde. Behler:

    "Im Offline-Prozess haben wir es hörbar gemacht. Das heißt also, wir haben Laboraufzeichnungen von Fahrzeuginnengeräuschen genommen. Wir haben Musik genommen. Dann haben wir das zusammen gequirlt und dann haben wir das – wie man so schön sagt – processed. Und dann kommt natürlich etwas dabei heraus, was man sich anhören kann. Dabei sind auch Hörversuche gemacht worden. Bei diesen Hörversuchen stellt sich raus, dass die komprimierten Versionen immer den nicht komprimierten Versionen vorgezogen werden, bei fast jeder Musik."

    Komprimierung, das ist das Fachwort fürs Glätten der Dynamik durch das Verstärken leiser Passagen. Bei den bereits gehörten Sinfonie-Takten führt sie dazu, dass es wieder so klingt, als wären die Flöten nie verschwunden gewesen.

    Den Klassikfan freut es. Und auch mancher Jazz-Freund dürfte es genießen, endlich auch mal im Auto den gezupften Kontrabass zu hören. Bis es soweit ist, werden aber sicher noch ein paar Jahre vergehen. Auf die ersten Laborversuche müssen jetzt erst mal Praxistests mit fahrenden Autos folgen.

    "Das ist der nächste logische Schritt und das muss kommen. Es ist natürlich so, dass wir unsere Fühler ausgestreckt haben und ich hoffe, dass irgendeiner unserer deutschen Automobilhersteller Interesse an dieser Angelegenheit hat."