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Machtkampf der Brüsseler Institutionen

Mitte Dezember konnten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union endlich auf einen Kompromiss beim EU-Haushaltsplan für die Jahre 2007 bis 2013 einigen. Gestern wurde dieser dem Europa-Parlament zur Abstimmung vorgelegt. Mehr als zwei Drittel der Abgeordneten lehnten den Finanzkompromiss des Rates jedoch ab. Die Begründung: Mit der geplanten Finanzausstattung könnten weder die politischen noch die wirtschaftlichen Ziele der Union erreicht werden. Nachbesserungen seien erforderlich, besonders für die Bereiche Forschung, Bildung, Sicherheit und Außenpolitik. Was bedeutet diese Ablehnung des EU-Haushalts durch das Europäische Parlament? Ist es eher eine Chance oder ein Fiasko? Ein Bericht von Ruth Reichstein.

    Die Bar vor dem Pressesaal der Europäischen Kommission in Brüssel. Hier treffen sich Beamten der Behörde, Lobbyisten und Journalisten zum Meinungsaustausch. Zbigniew Gniatkowski sitzt an einem der Tische und schreibt eifrig das mit, was er über Handy diktiert bekommt. Der Sprecher der polnischen EU-Vertretung hat gerade von einem Kollegen in Straßburg erfahren, dass die Abgeordneten gegen den Finanz-Kompromiss der Mitgliedstaaten gestimmt haben. Eine große Mehrheit im EU-Parlament lehnte den Beschluss der Staats- und Regierungschefs vom Dezember vergangenen Jahres ab. Für den polnischen Politiker ist das keine gute Nachricht:
    " Das ist ein klares Signal an die Entscheidung der Mitgliedsstaaten vom Dezember. Sicherlich sind einige Punkte der Abgeordneten verständlich, aber wir dürfen nicht vergessen, wie hart die Verhandlungen im vergangenen Jahr waren. Am 23. Januar treffen sich die drei Institutionen und wir hoffen, dass sie dann schnell zu einem Kompromiss kommen, denn den brauchen wir dringend. "

    Zbigniew Gniatkowski will es vor dem Mikrofon nicht sagen, aber für ihn ist diese Entschließung des Parlaments vor allem ein Versuch der Abgeordneten ihre Macht im Spiel der Brüsseler Institutionen auszubauen. Das meint auch Guillaume Durand vom Think Tank European Policy Center:

    " Es liegt auf der Hand, dass es eine Gelegenheit für das Parlament ist, sich zu behaupten. Und das ist auch sein gutes Recht, weil die Abgeordneten dem Haushalt zustimmen müssen, sonst kann er nicht in Kraft treten. "

    Am 1. Februar wird die Kommission einen detaillieren Vorschlag auf den Tisch legen, in dem das Geld in die verschiedenen Töpfe verteilt wird. Darüber müssen die Abgeordneten dann beraten. Für die Kommission ist der Widerstand des Parlaments nicht nur negativ, sagt Robert Soltyk, Sprecher der zuständigen Kommissarin Dalia Grybauskaite:

    " Wir müssen uns immer ins Gedächtnis rufen, dass die Zustimmung des Parlaments nicht selbstverständlich ist. Die Abgeordneten haben ihre Prioritäten und die müssen wir ernst nehmen. Das gilt zum Beispiel für Bildungs- und Jugendpolitik. Schon im Dezember hat die Kommissarin gesagt, dass der Beschluss der Mitgliedstaaten nicht ideal ist. Deshalb hoffen wir, dass das Parlament ihn jetzt verbessern kann und wir im März einen Kompromiss haben werden. "

    Dennoch ist die Gefahr groß, dass die Verhandlungen mit diesem Votum der Abgeordneten noch schwieriger verlaufen als bisher erwartet. Und das könnte für die Länder, die auf das EU-Geld angewiesen sind, schmerzliche Folgen haben. Denn die EU-Kommission wird auf jeden Fall mindestens zwölf Monate brauchen, um das Geld verfügbar zu machen, zum Beispiel für die Zahlungen an die ärmsten Regionen der EU. Zbigniew Gniatkowski befürchtet, dass Polen am 1. Januar 2007 nicht das Geld zur Verfügung steht, das dringend gebraucht wird. Ein Beispiel:

    " Die U-Bahn in Warschau. Um die weiter auszubauen, brauchen wir EU-Gelder. Ohne dieses Geld wird es sehr, sehr schwierig für uns. Natürlich wird der polnische Staat dieses Projekt co-finanzieren. Aber wir brauchen das Geld der EU als Grundlage. "

    Die Verhandlungen zwischen Mitgliedstaaten, Kommission und Parlament gehen jetzt also in eine entscheidende Phase. Die Österreichische EU-Präsidentschaft will die Einigung bis März schaffen. Politikwissenschaftler Guillaume Durand rechnet bis dahin mit einem erhöhten Druck auf die EU-Abgeordneten:

    " Die Abgeordneten haben eine große Unabhängigkeit von ihren jeweiligen Regierungen bewiesen. Sicherlicht wurde schon Druck auf sie ausgeübt. Jetzt liegt der Ball wieder beim Europäischen Rat. Weitere Zugeständnisse zu machen, wird sicherlich schwierig sein. Aber die Staaten werden schon einige Ideen haben. Jetzt muss vor allem die Österreichische Präsidentschaft gute Arbeit leisten. "