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Machtkampf um die EU-Außenpolitik

Durch den Hohen Vertreter, den neuen Chef-Außenpolitiker der EU, sollen bisher getrennte Stränge europäischer Außenpolitik zusammengeführt werden. Wer das Amt übernimmt, ist noch nicht entschieden, doch in Brüssel kursieren jede Menge Namen.

Von Doris Simon |
    "Wir haben den Außenkommissar, den Hohen Vertreter, den halbjährlich wechselnden Ratsvorsitzenden …"

    Vieles soll sich ändern mit dem Hohen Vertreter, dem neuen Chef-Außenpolitiker der Europäischen Union und seinem diplomatischen Dienst, das hofft nicht nur der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok.

    Die bisher getrennten Stränge europäischer Außenpolitik sollen zusammengeführt werden, Strategien und Ziele nicht mehr durch Kompetenzwirrwarr geschwächt werden. Ein starker Apparat soll den neuen starken Mann der EU-Diplomatie und die europäische Außenpolitik unterstützen. Bis zu 8000 Beamte könnten am Ende im Auswärtigen Amt der Europäischen Union arbeiten: Sie sollen anteilig aus den bestehenden Fachressorts der Europäischen Kommission und des Rates, der Brüsseler Vertretung der Mitgliedstaaten, kommen sowie aus den diplomatischen Diensten der 27 EU-Mitgliedsländer.

    Die 136 EU-Vertretungen in aller Welt sollen zu Botschaften ausgebaut werden. Dann, so hofft man in Brüssel, sind endgültig die Zeiten vorbei, wo Henry Kissinger spottete, er wisse nicht, wo er in Europa anrufen müsse, wenn es auf der Welt brenne. Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff erwartet von der Neuausrichtung, …

    "… dass die Orientierung der EU-Außenpolitik, die bisher stark auf Handel und Wirtschaft konzentriert ist, ergänzt wird durch eine echte politische Dimension. Das erwarten die anderen von uns. Der Auswärtige Dienst soll das Instrumentarium werden, mit dem die EU das auch leisten kann."

    In der Außenpolitik sind die 27 Mitgliedsstaaten der EU die alleinigen Entscheider, das europäische Parlament wird nur angehört. Doch mit ihrem Bericht, der mit großer Mehrheit verabschiedet werden dürfte, signalisieren die Europaabgeordneten den 27 Regierungen: Versucht nicht, die neuen Strukturen an uns vorbei aufzubauen.

    Schließlich verfügt das Europaparlament über einige Druckmittel, darunter das Haushaltsrecht: Ohne Zustimmung der Abgeordneten bekommt der neue diplomatische Dienst keine Mittel. Den Europaabgeordneten ist aber vor allem die parlamentarische Kontrolle des neuen EU-Amtes wichtig, und deshalb wollen sie dessen Anbindung an die Europäische Kommission. Genau das aber lehnen die Mitgliedsregierungen ab: Sie möchten selber möglichst viel Einfluss auf die europäische Außenpolitik behalten. Der SPD-Europaabgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörffler:

    "Ich möchte nicht, dass dieses Instrument zu einem Instrument unterschiedlicher Interessen wird. Das kann dann zu einem Spielball werden. Und genau das will ich nicht."

    Ob es am Ende gelingt, die Parallelstrukturen in der europäischen Außenpolitik zusammenzuführen, ist offen: Die 27 Mitgliedsstaaten müssen es wollen, der neue Europäische Ratspräsident darf nicht zu viel eigenen außenpolitischen Ehrgeiz entwickeln - und besonders viel hängt davon ab, wer der erste Amtschef im Europäischen diplomatischen Dienst wird. Noch ist nichts entschieden in der EU und in Brüssel kursieren jede Menge Namen: der französische Premierminister Francois Fillon und sein Außenminister Kouchner, der frühere EU-Kommissar Chris Patten und der jetzige Erweiterungskommissar Olli Rehn. Auch Joschka Fischers Name fehlt nicht, wenn es um den neuen Hohen Vertreter geht.

    Doch selbst ein starker Amtschef und ein geeinter auswärtiger Dienst der EU werden damit leben müssen, dass die großen Länder in der Europäischen Union weiter ihre ganz eigene Außenpolitik betreiben. Den neuen auswärtigen Dienst werden eher die kleineren EU-Mitgliedsstaaten nutzen. Sie unterhalten meist keine großen Strategieabteilungen und sind nicht überall mit Botschaften vertreten. Vorteile sieht der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok aber auch für die größeren EU-Mitglieder:

    "Es werden zunehmend Länder sagen, es werden zunehmend auch die Budgetausschüsse fragen, muss ich eine Botschaft in Ruanda haben? Reicht es nicht, wenn die das für uns mitmachen? Und die Konsularangelegenheiten auch? Es wird auch in den nächsten 30 Jahren eine deutsche Botschaft in Washington geben, aber ob es die überall in der Welt geben muss?"