Vor dem ersten Anstoß auf dem Rasen, den Titelverteidiger Frankreich und Senegal vollziehen, haben zunächst einmal die Funktionäre das Wort. Der Welt-Fußball-Verband FIFA, eine weltumspannende Organisation mit rund 200 Millionen Mitglieder in 204 Ländern, tritt am morgigen Dienstag in Südkoreas Hauptstadt Seoul zu einem Außerordentlichen Kongress zusammen. Tags darauf findet die Neuwahl des FIFA-Präsidenten statt. Es wird eine Kampfabstimmung geben. Zur Wahl stehen Amtsinhaber Joseph Blatter aus der Schweiz und sein afrikanischer Herausforderer Issa Hayatou aus Kamerun.
Selten war das Duell um das Amt des mächtigsten Fußball-Funktionärs der Welt so umstritten wie diesmal. Seit Monaten liefern sich Anhänger und Gegner des derzeitigen FIFA-Chefs vor den Augen einer irritierten Öffentlichkeit eine Schlammschlacht, die ohne Beispiel in der 98jährigen Geschichte des Verbandes ist.
Die Situation ist vollkommen unbefriedigend, es gibt ständig Gerüchte, Vorwürfe, der Fifa-Präsident hat gegen die Regeln der Fifa verstoßen, eine interne Untersuchung zum Thema Finanzen auch gestoppt. Dadurch hat er gegen alle Regeln verstoßen und jedes mögliche Ergebnis vor der ausstehenden Wahl unmöglich gemacht. Er will ja wiedergewählt werden, aber wir meinen, wir müssen uns auf einen verlassen können, der die Regeln anerkennt. Er kann doch nicht als Diktator auftreten, der alles ignoriert.
So sieht der Schwede Lennart Johansson, der Präsident der Europäischen Fußball-Union Uefa, die Zustände im Weltfußball-Verband unter der Herrschaft von Joseph Blatter. Diese Missstände sind der Hauptgrund, warum der Europäer die Abwahl des Amtsinhabers betreibt und dessen Herausforderer unterstützt, den Afrikaner Issa Hayatou.
Johansson ist ein gebranntes Kind. Vor vier Jahren in Paris war er selbst gegen Blatter im Kampf um die Präsidentschaft unterlegen, und zwar unter äußerst mysteriösen Umständen. Der Schweizer Blatter stand bis 1998 als FIFA- Generalsekretär viele Jahre in Diensten seines brasilianischen Vorgängers Joao Havelange stand und hat mit ihm , wie Kritiker wissen wollen, so manche gemeinsame Leiche im Keller. Im Vorfeld der Wahl 98 spannte Blatter die Fifa-Infrastruktur voll für seinen Wahlkampf ein. Und just in der Nacht vor der Wahl wechselten zahlreiche Briefumschläge mit 50 000 Dollar den Besitzer. Blatters Vertrauter und Sponsor, der Emir Mohamed bin Hamman aus Katar, schob sie afrikanischen Funktionären zu. Die votierten dann überraschenderweise für Blatter, statt wie angekündigt für Johansson.
Auch unmittelbar vor dem Wahltag am 8. Juni 1998 waren aus der Fifa-Zentrale in Zürich dubiose Zahlungen an mehrere Fußball-Verbände gegangen - Gelder, die eigentlich erst im Herbst gezahlt werden sollten. Laut dem schottischen Exekutiv-Mitglied David Will habe weder das FIFA-Präsidium noch die Finanzkommission von einem Vorziehen der Überweisungen gewusst, geschweige denn, ihnen, wie nach der Satzung erforderlich, zugestimmt. Will ist sicher, dass damit die Wahl beeinflusst worden war.
Der Präsident des Fußballverbandes von Somalia, Farro Addo, hat sogar eine aktive Korruption durch Joseph Blatter eingeräumt. Zu den Bestochenen zählt auch Sammy Joel Obingo , vormaliger Generalsekretär des Afrikanischen Kontinental-Verbandes. Sein erst dieser Tage zu Papier gebrachtes Eingeständnis liegt auch ARD-Afrika-Korrespondent Ralph Sina vor. Darin heißt es :
Hiermit erkläre ich, dass Sepp Blatter während eines Besuches in Nairobi vor vier Jahren Mitglieder der zentral- und ostafrikanischen Fußball-Vereinigungen einzeln in seinem Hotelzimmer empfangen hat. Blatter hat uns Geld für den Fall angeboten, dass er die Wahl als Fifa-Präsident gewinnt.
Generalsekretär des Welt-Fußballverbandes ist Michael Zen-Ruffinen. Der Landsmann und Zögling von Blatter hat Anfang dieses Monats ein Dossier vorgelegt, in dem er seinem einstigen Ziehvater Korruption, Betrug, Vetternwirtschaft, Amtsmissbrauch und finanzielles Missmanagement vorwirft. So hat der Russe Wjatscheslaw Koloskow 100 000 US-Dollar für Exekutivtätigkeiten in den Jahren 1998 und 99 bekommen, obwohl er erst seit dem Jahr 2000 Vorstandsmitglied ist. Blatter verteidigt dies mit dem Hinweis, Koloskow sei in dieser Zeit im Bereich der ehemaligen Sowjetstaaten für die FIFA tätig gewesen. Sein, Blatters Fehler sei nur gewesen, die Exekutive und die Finanzkommission nicht davon unterrichtet zu haben.
Ein Rührstück anderer Art führt Blatter im Korruptionsfall des FIFA-Schiedsrichters Lucien Bouchardeau aus dem Niger auf. Laut Zen-Ruffinen habe der afrikanische Unparteiische 25 000 US-Dollar erhalten, um Belastungsmaterial gegen den Somalier Addo zu sammeln wegen dessen Korruptionsvorwürfe. Dem hielt Blatter soziale Motive entgegen und schickte als Zeugen für seine Mildtätigkeit seinen hauptamtlichen Fifa-Direktor Walter Gagg vor.
Die Geste des Präsidenten war allein ein humanitärer Akt, wegen der schwierigen persönlichen Situation des Schiedsrichters, sie hat nichts mit Korruption zu tun.
Blatters persönliche Verfehlungen sind nur die eine Seite. Nicht weniger schwer wiegen die Vorwürfe von Misswirtschaft und Miss-Managment. Im vergangenen Jahr war die Vermarktungsagentur der FIFA, das Schweizer Unternehmen ISL, in Konkurs gegangen. Der mit den ISL-Managern eng verbandelte Blatter hatte den Zusammenbruch zunächst als wenig bedeutenden Vorgang heruntergespielt. Inzwischen weiß man aber um die wirtschaftlichen Eruptionen, die diese Insolvenz für den größten Sportverband der Welt mit sich gebracht hat.
Blatter hat in diesem Zusammenhang stets Zahlen vorgelegt, die offensichtlich getürkt sind. Ein Untersuchungsausschuss - so der gegen den Widerstand von Blatter zustande gekommene Beschluss der FIFA-Exekutive - sollte den undurchsichtigen Finanzhaushalt überprüfen. Bevor das Gremium aber seine Arbeit aufnehmen konnte, hatte der Fifa-Präsident eigenmächtig die Kommission schon wieder suspendiert und damit seine Kompetenzen erneut überschritten. Als fadenscheinige Begründung gab der Schweizer an, die Vertraulichkeit des Gremiums sei nicht gewährleistet. Mittlerweile arbeitet die Ad-hoc-Kommission wieder, wird aber ihre Arbeit erst nach der Neuwahl aufnehmen können - die Ergebnisse kommen damit für eine Klärung der Vorwürfe über unseriöse Geschäftsgebaren zu spät.
Bei der Exekutiv-Sitzung der FIFA am vergangenen Wochenende operierte Blatter mit Zahlen, die Generalsekretär Zen-Ruffinen und Vizepräsident David Will als geschönt bezeichnen. Will, auch Leiter der Finanz-Untersuchungskommission, beziffert den in Blatters vierjähriger Amtszeit angehäuften Schuldenberg auf 536 Millionen Schweizer Franken. Blatter hingegen behauptet, in dieser Zeit einen Gewinn von 191 Millionen Franken erwirtschaftet zu haben. Seine Gegenspieler suchen auch Antworten auf diese Fragen: Weshalb hatte die Fifa im vergangenen Jahr so viel flüssige Mittel nötig, dass sie Forderungen über 100 Millionen Euro an Sponsoren der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 schon vor der eigentlichen Finanzperiode verkauft hat? Und zweitens: Wie konnten Gelder, die der Fifa zustanden, auf einem Konto in Liechtenstein verschwinden?
Die Summe der Vorwürfe, die von Generalsekretär Zen-Ruffinen als Insider und Verantwortlicher für die Finanzaktionen der FIFA in einem Dossier festgehalten wurden und in der Presse kursieren, haben elf der insgesamt 24 Fifa-Exekutivmitglieder veranlasst, vor einem Schweizer Gericht gegen den FIFA-Präsidenten Klage einzureichen. Die Begründung lautet : Nach Schweizer Recht sei man zu einer Klage verpflichtet, wenn man Kenntnis von einem kriminellen Akt habe. Blatter hat inzwischen gekontert. Er sieht sich als Opfer einer Rufmordkampagne, seine Kritiker seien seinem Gegenkandidaten Hayatou verpflichtet und wollten ihn daher in den Schmutz ziehen :
Ich weise den Vorwurf der Korruption, ebenso die Vorwürfe der Misswirtschaft, der Verschleierung der finanziellen Verhältnisse zurück. Und ich habe auch die Statuten nicht verletzt, ich habe auch keine Akten verschwinden lassen.
Der Enthüllungsjournalist und Buchautor Thomas Kistner, der sich intensiv mit den Missständen im Fußball-Weltverband beschäftigt, sieht eine Zukunft für den Welt-Fußballverband nur für den Fall einer Abwahl Blatters:
In der Fifa ist es zwischenzeitlich so schlimm geworden, dass man eigentlich sagen kann, jeder x-beliebige, den man da rein setzen würde, kann fast zwangsläufig nur für eine Besserung sorgen, die Fifa sauberer oder transparenter zu führen, als das unter Blatter bisher der Fall war. Das ist ein Kinderspiel. Von daher wird es so oder so eine ganz neue Dimension geben, wenn der neue Mann nicht der Sauberste sein sollte. Das wird dauern, ähnliche Missstände wieder herbeizuführen.
Wer ist der Mann, der Blatter ablösen soll und als erster Afrikaner den Thron im Weltfußball anstrebt? Issa Hayatou kommt aus Kamerun. Der 55 Jahre alte ehemalige Leichtathlet, Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees und Präsident des afrikanischen Fußball-Verbandes, verspricht jene Transparenz, die alle Blatter-Kritiker vermissen.
Ich würde alles dafür tun, dass wieder Frieden einkehrt und Ernsthaftigkeit. Wir brauchen Dialog, Transparenz und Demokratie. Das würde ich hier genauso machen wie ich es beim afrikanischen Fußball-Verband CAF gemacht habe. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen, aber beim CAF können sie sehen, dass ich diese moralischen Werte durchgesetzt habe und das will ich auch bei der Fifa tun.
Allerdings ist auch der Afrikaner Hayatou nicht ohne Kritiker. Sie werfen ihm vor, er habe die Schlüsselstellen im afrikanischen Verband mit ihm genehmen frankophonen Moslems besetzt und werde vom französischen Sportrechtehändler J.C. Darmon unterstützt, der die afrikanischen Fernseh-Übertragungsrechte besitzt.
Hayatou, der einer reichen Familie aus dem Norden Kameruns entstammt, hat starke Verbündete. Dazu gehören neben dem europäischen Fußball-Chef Johansson auch der Südkoreaner Chung Mong-joon, der Präsident des Asiatischen Fußball-Verbandes. Gemeinsam propagieren sie die Rettung des Welt-Fußballs, und Hayatou soll der oberste Sachwalter sein :
Lassen Sie uns objektiv sein, der Weltfußball ist noch nicht verdorben von den Spannungen innerhalb des Fifa-Exekutivkomitees. Wir müssen jetzt aber unsere Bemühungen darauf konzentrieren, um den Weltfußball wirklich nach vorne zu bringen. Statt dessen gibt es jetzt schon seit über einem Jahr Spannungen im Exekutivkomitee, was uns daran hindert, zum Beispiel die Jugend wirklich zu fördern.
Die Deutschen, die mit dem DFB innerhalb der FIFA die an Wirtschaftskraft und Mitgliedern stärkste Föderation stellen, haben sich in diesem Kampf um Gut und Böse auf die Seite des Establishments geschlagen - im Gegensatz übrigens zur Mehrheit der europäischen Verbände. Kritische Stimmen gibt es seitens des Deutschen Fußball-Bundes offiziell nicht. Dieser hatte sich schon frühzeitig im vergangenen Herbst schriftlich zugunsten von Blatter festgelegt. Eine der wenigen Gegenreden im deutschen Fußball kommt von Gewerkschaftsseite. Ernst Thomann, Geschäftsführer der Vereinigung deutscher Vertragsspieler VdV :
Er ist der Fifa-König auf dem Sonnenberg in Zürich, es gibt keine Kontrolle, es gibt keine demokratischen Prinzipien. Er ist der König, er ist der Kaiser im Fußball und er agiert im Grunde so, wie er will, ohne Kontrolle und ohne mögliche Reaktionsmechanismen.
Mit dieser Meinung steht der Fußball-Gewerkschaftler ziemlich allein in deutschen Funktionärskreisen. Die DFB-Spitze mit Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und seinem Vize Franz Beckenbauer spielt die Unwissende und redet die Problematik herunter. Beckenbauer, der auch Präsident des Organisationskomitees für die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland ist :
Wenn ich finanzielle Unregelmäßigkeiten anspreche, muss ich ihm das nachweisen. Aber es sind keine Nachweise da, das ist alles Polemik, das sind natürlich gezielte Kampagnen, um den Sepp Blatter ein bisschen in den Misskredit zu bekommen. Wir kommen immer wieder auf den gleichen Punkt zurück, der Leidtragende ist der Fußball.
Mit dieser Sicht der Dinge müssen sich die Deutschen der Vorwürfe seitens der Europäischen Fußball-Union aussetzen, sie seien undankbar. Das spricht Uefa-Präsident Lennart Johansson auch offen aus. Schließlich hat die UEFA mit ihrer Kampagne maßgeblichen Anteil an der Vergabe der WM 2006 nach Deutschland. Undank ist der Welten Lohn. Die Uefa hat ihre Schuldigkeit getan, jetzt hält man sich an die Fifa, von der der DFB reichlich Gelder für die WM 2006 in Deutschland erwartet. Auch hier spielt FIFA-Präsident Blatter eine eigenmächtige Rolle, wie der Journalist Thomas Kistner beschreibt.
Der Zuschuss, der den deutschen WM-Organisatoren 2006 vorab schon gewährt worden ist, kam im engen Verhältnis zwischen deutschen Organisatoren und Blatter zustande. Es geht um 172 Millionen Euro, die dann irgendwann kommuniziert wurden zur großen Überraschung der Fifa-Exekutive, die als einziges Gremium über diese Gelder eigentlich zu befinden hätte. Das hilft schon weiter und schafft Dankbarkeiten.
Nach einer DFB-Sitzung, bei der das Blatter-kritische Dossier von Zen-Ruffinen und die dazugehörige Stellungnahme des Fifa-Präsidenten vorgelegen haben sollen, veröffentlichte das DFB-Präsidium eine Pressemitteilung, in der es hieß :
Nach ausführlicher Beratung kam das DFB-Präsidium zum Ergebnis, nicht von der bereits vor Monaten angekündigten Unterstützung für Joseph Blatter abzurücken. Die erhobenen Vorwürfe gegen den Fifa-Präsidenten reduzieren sich nach Meinung der Mitglieder des DFB-Präsidiums auf unterschiedliche Bewertungen administrativer, finanz- und sportpolitischer Maßnahmen; weitergehende Schlussfolgerungen lassen sich aus den hier vorliegenden Unterlagen nicht ableiten.
Weiter betonte das DFB-Präsidium seine Loyalität und Solidarität zur Uefa und speziell zu deren Präsidenten Lennart Johansson. DFB-Chef Mayer-Vorfelder war Anfang Mai bei der Tagung der UEFA als deren Vertreter in die FIFA-Exekutive delegiert worden. Nun will er den diplomatischen Doppelpass zwischen den beiden verfeindeten Fußball-Organisationen versuchen :
Ich glaub schon, dass es für den deutschen Fußball wichtig ist, das habe ich immer gesagt, deshalb habe ich ja auch kandidiert, im Blick auf 2006. Das ist schon sehr wichtig, das man nahe dran ist, weil man da gewisse Dinge auch eben mit beeinflussen kann. Aber ich sage noch einmal. Mein Hauptanliegen wird sein, auf der einen Seite die Interessen Europas mit aller Deutlichkeit zu vertreten, auf der anderen Seite auch den versuch zu machen, ausgleichend zu wirken und die Fifa und die Uefa wieder ein Stück näher zueinander zu bringen.
Neben Mayer-Vorfelder sind auch der Franzose Michel Platini und der Spanier Angel Maria Villar Llona als europäische Vertreter in die Fifa-Exekutive gewählt worden - drei Funktionäre, die dem Blatter-Lager zugerechnet werden. Ansonsten gelten die meisten Uefa-Mitglieder als Parteigänger von Gegenkandidat Hayatou.
Das wirft die Frage auf, wie die Chancen für einen Wechsel stehen. Der Afrikaner hat auch die asiatischen Verbände hinter sich. Denn der einflussreiche Fifa-Vize Chung Mong joon aus Südkorea, der längere Zeit selbst mit einer Kandidatur für das höchste FIFA-Amt geliebäugelt hatte, unterstützt nun Hayatou. Auf seinem eigenen Kontinent hat der Afrikaner allerdings nicht alle Verbände hinter sich, einige haben öffentlich ihr Votum für Blatter angekündigt. Das ficht Hayatou nicht an.
Die Wahl zur Fifa-Spitze ist eine weltweite Abstimmung, also reicht es nicht, nur die afrikanischen Stimmen hinter sich zu haben. Man braucht überall Unterstützer, um die Mehrheit zu haben, das ist, was zählt.
Pro Blatter haben sich bislang die zehn südamerikanischen Verbände erklärt. Die Verbindung liegt nahe: Schließlich ist Blatter ein Zögling seines Vorgängers Joao Havelange, für den der Schweizer als Generalsekretär eine Menge Drecksarbeit verrichtet hat.
Dazu kommt: Chef des brasilianischen Fußball-Verbandes ist Havelanges Schwiegersohn Ricardo Teixeira, dessen kriminelle Machenschaften im Verband mittlerweile schon vor Untersuchungsausschüssen in der Politik verhandelt werden. Ob Teixiera, Mayer-Vorfelder oder Blatter, drei Brüder im Geiste, deren Geschäftsführung von staatlichen Ermittlungen sowie von Vorwürfen der Korruption und der Steuerhinterziehung begleitet werden?
Eng verbunden ist Blatter auch mit dem Präsidenten der Konföderation nord-, zentralamerikanischer und karibischer Fußball-Verbände CONCACAF, Jack Warner, der von ähnlichem Kaliber ist. Der FIFA-Chef hat Warner die TV-Rechte für den amerikanischen Raum für den Preis von einem Dollar überlassen und den ehemaligen Lehrer damit zum Multimillionär gemacht.
Noch nicht geklärt ist die Stimmenverteilung bei den Verbänden Ozeaniens. Die meisten Stimmen holt Blatter bei den so genannten Mini-Verbänden. Als Entwicklungshilfe im Projekt "Goal" getarnt, erhalten diese eine Million Dollar in vier Jahren. Zum Dank veröffentlichen dann Fußball-Zwerge wie die Bahamas, Guatemala und die Dominikanische Republik Ergebenheits-Adressen an den Fifa-Präsidenten per weltweiter Pressemitteilungen. In denen wird Blatter für finanzielle Unterstützung, aber auch für Transparenz und Ehrlichkeit gelobt, die er in die Fifa gebracht habe.
Der Schweizer argumentiert, seine Gegner wollten aus der Fifa einen Verband der Konföderationen machen, eine Art lose Holding, in der die Großen das Sagen haben. Fifa-Pressesprecher Andreas Herren :
Es ist eine Tatsache: Jedes Mitglied hat eine Stimme, Ja gut, die großen haben, das würde die ganz Kleinen an die wand drängen. Langfristig würde das zu einer Konzentration an verschiedenen Orten führen, aber es wäre dann nicht mehr eine weltumspannende Bewegung.
Thomas Kistner hingegen, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, sieht genau hier die Besonderheiten des Systems Blatter, das auf Korruption ausgelegt sei :
Eine kleine Sandinsel in der Karibik, ohne jetzt irgend jemand zu nahe treten zu wollen mit fünf Kilometern Länge und 15 000 Bewohnern hat das gleiche Stimmrecht in der Fifa, auch am 29. Mai, wenn der Fifa-Präsident gewählt wird, wie der DFB, der Deutsche Fußball-Bund mit seinen sechs Millionen Mitgliedern. Da drängt es sich förmlich auf, an diese Länder heranzugehen, an diese Tropeninseln, an diese Zwergstaaten und Kleinstländer dieser Welt, die Fußball überhaupt keine Rolle spielen, die teilweise nicht einmal Sportplätze haben, auf jeden Fall keinen geregelten Spielbetrieb und die natürlich alle gute Gelder kassieren von der Fifa, deren Verwertung in den kleinen Ländern dann auch nicht ausreichend kontrolliert werden.
Selten war das Duell um das Amt des mächtigsten Fußball-Funktionärs der Welt so umstritten wie diesmal. Seit Monaten liefern sich Anhänger und Gegner des derzeitigen FIFA-Chefs vor den Augen einer irritierten Öffentlichkeit eine Schlammschlacht, die ohne Beispiel in der 98jährigen Geschichte des Verbandes ist.
Die Situation ist vollkommen unbefriedigend, es gibt ständig Gerüchte, Vorwürfe, der Fifa-Präsident hat gegen die Regeln der Fifa verstoßen, eine interne Untersuchung zum Thema Finanzen auch gestoppt. Dadurch hat er gegen alle Regeln verstoßen und jedes mögliche Ergebnis vor der ausstehenden Wahl unmöglich gemacht. Er will ja wiedergewählt werden, aber wir meinen, wir müssen uns auf einen verlassen können, der die Regeln anerkennt. Er kann doch nicht als Diktator auftreten, der alles ignoriert.
So sieht der Schwede Lennart Johansson, der Präsident der Europäischen Fußball-Union Uefa, die Zustände im Weltfußball-Verband unter der Herrschaft von Joseph Blatter. Diese Missstände sind der Hauptgrund, warum der Europäer die Abwahl des Amtsinhabers betreibt und dessen Herausforderer unterstützt, den Afrikaner Issa Hayatou.
Johansson ist ein gebranntes Kind. Vor vier Jahren in Paris war er selbst gegen Blatter im Kampf um die Präsidentschaft unterlegen, und zwar unter äußerst mysteriösen Umständen. Der Schweizer Blatter stand bis 1998 als FIFA- Generalsekretär viele Jahre in Diensten seines brasilianischen Vorgängers Joao Havelange stand und hat mit ihm , wie Kritiker wissen wollen, so manche gemeinsame Leiche im Keller. Im Vorfeld der Wahl 98 spannte Blatter die Fifa-Infrastruktur voll für seinen Wahlkampf ein. Und just in der Nacht vor der Wahl wechselten zahlreiche Briefumschläge mit 50 000 Dollar den Besitzer. Blatters Vertrauter und Sponsor, der Emir Mohamed bin Hamman aus Katar, schob sie afrikanischen Funktionären zu. Die votierten dann überraschenderweise für Blatter, statt wie angekündigt für Johansson.
Auch unmittelbar vor dem Wahltag am 8. Juni 1998 waren aus der Fifa-Zentrale in Zürich dubiose Zahlungen an mehrere Fußball-Verbände gegangen - Gelder, die eigentlich erst im Herbst gezahlt werden sollten. Laut dem schottischen Exekutiv-Mitglied David Will habe weder das FIFA-Präsidium noch die Finanzkommission von einem Vorziehen der Überweisungen gewusst, geschweige denn, ihnen, wie nach der Satzung erforderlich, zugestimmt. Will ist sicher, dass damit die Wahl beeinflusst worden war.
Der Präsident des Fußballverbandes von Somalia, Farro Addo, hat sogar eine aktive Korruption durch Joseph Blatter eingeräumt. Zu den Bestochenen zählt auch Sammy Joel Obingo , vormaliger Generalsekretär des Afrikanischen Kontinental-Verbandes. Sein erst dieser Tage zu Papier gebrachtes Eingeständnis liegt auch ARD-Afrika-Korrespondent Ralph Sina vor. Darin heißt es :
Hiermit erkläre ich, dass Sepp Blatter während eines Besuches in Nairobi vor vier Jahren Mitglieder der zentral- und ostafrikanischen Fußball-Vereinigungen einzeln in seinem Hotelzimmer empfangen hat. Blatter hat uns Geld für den Fall angeboten, dass er die Wahl als Fifa-Präsident gewinnt.
Generalsekretär des Welt-Fußballverbandes ist Michael Zen-Ruffinen. Der Landsmann und Zögling von Blatter hat Anfang dieses Monats ein Dossier vorgelegt, in dem er seinem einstigen Ziehvater Korruption, Betrug, Vetternwirtschaft, Amtsmissbrauch und finanzielles Missmanagement vorwirft. So hat der Russe Wjatscheslaw Koloskow 100 000 US-Dollar für Exekutivtätigkeiten in den Jahren 1998 und 99 bekommen, obwohl er erst seit dem Jahr 2000 Vorstandsmitglied ist. Blatter verteidigt dies mit dem Hinweis, Koloskow sei in dieser Zeit im Bereich der ehemaligen Sowjetstaaten für die FIFA tätig gewesen. Sein, Blatters Fehler sei nur gewesen, die Exekutive und die Finanzkommission nicht davon unterrichtet zu haben.
Ein Rührstück anderer Art führt Blatter im Korruptionsfall des FIFA-Schiedsrichters Lucien Bouchardeau aus dem Niger auf. Laut Zen-Ruffinen habe der afrikanische Unparteiische 25 000 US-Dollar erhalten, um Belastungsmaterial gegen den Somalier Addo zu sammeln wegen dessen Korruptionsvorwürfe. Dem hielt Blatter soziale Motive entgegen und schickte als Zeugen für seine Mildtätigkeit seinen hauptamtlichen Fifa-Direktor Walter Gagg vor.
Die Geste des Präsidenten war allein ein humanitärer Akt, wegen der schwierigen persönlichen Situation des Schiedsrichters, sie hat nichts mit Korruption zu tun.
Blatters persönliche Verfehlungen sind nur die eine Seite. Nicht weniger schwer wiegen die Vorwürfe von Misswirtschaft und Miss-Managment. Im vergangenen Jahr war die Vermarktungsagentur der FIFA, das Schweizer Unternehmen ISL, in Konkurs gegangen. Der mit den ISL-Managern eng verbandelte Blatter hatte den Zusammenbruch zunächst als wenig bedeutenden Vorgang heruntergespielt. Inzwischen weiß man aber um die wirtschaftlichen Eruptionen, die diese Insolvenz für den größten Sportverband der Welt mit sich gebracht hat.
Blatter hat in diesem Zusammenhang stets Zahlen vorgelegt, die offensichtlich getürkt sind. Ein Untersuchungsausschuss - so der gegen den Widerstand von Blatter zustande gekommene Beschluss der FIFA-Exekutive - sollte den undurchsichtigen Finanzhaushalt überprüfen. Bevor das Gremium aber seine Arbeit aufnehmen konnte, hatte der Fifa-Präsident eigenmächtig die Kommission schon wieder suspendiert und damit seine Kompetenzen erneut überschritten. Als fadenscheinige Begründung gab der Schweizer an, die Vertraulichkeit des Gremiums sei nicht gewährleistet. Mittlerweile arbeitet die Ad-hoc-Kommission wieder, wird aber ihre Arbeit erst nach der Neuwahl aufnehmen können - die Ergebnisse kommen damit für eine Klärung der Vorwürfe über unseriöse Geschäftsgebaren zu spät.
Bei der Exekutiv-Sitzung der FIFA am vergangenen Wochenende operierte Blatter mit Zahlen, die Generalsekretär Zen-Ruffinen und Vizepräsident David Will als geschönt bezeichnen. Will, auch Leiter der Finanz-Untersuchungskommission, beziffert den in Blatters vierjähriger Amtszeit angehäuften Schuldenberg auf 536 Millionen Schweizer Franken. Blatter hingegen behauptet, in dieser Zeit einen Gewinn von 191 Millionen Franken erwirtschaftet zu haben. Seine Gegenspieler suchen auch Antworten auf diese Fragen: Weshalb hatte die Fifa im vergangenen Jahr so viel flüssige Mittel nötig, dass sie Forderungen über 100 Millionen Euro an Sponsoren der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 schon vor der eigentlichen Finanzperiode verkauft hat? Und zweitens: Wie konnten Gelder, die der Fifa zustanden, auf einem Konto in Liechtenstein verschwinden?
Die Summe der Vorwürfe, die von Generalsekretär Zen-Ruffinen als Insider und Verantwortlicher für die Finanzaktionen der FIFA in einem Dossier festgehalten wurden und in der Presse kursieren, haben elf der insgesamt 24 Fifa-Exekutivmitglieder veranlasst, vor einem Schweizer Gericht gegen den FIFA-Präsidenten Klage einzureichen. Die Begründung lautet : Nach Schweizer Recht sei man zu einer Klage verpflichtet, wenn man Kenntnis von einem kriminellen Akt habe. Blatter hat inzwischen gekontert. Er sieht sich als Opfer einer Rufmordkampagne, seine Kritiker seien seinem Gegenkandidaten Hayatou verpflichtet und wollten ihn daher in den Schmutz ziehen :
Ich weise den Vorwurf der Korruption, ebenso die Vorwürfe der Misswirtschaft, der Verschleierung der finanziellen Verhältnisse zurück. Und ich habe auch die Statuten nicht verletzt, ich habe auch keine Akten verschwinden lassen.
Der Enthüllungsjournalist und Buchautor Thomas Kistner, der sich intensiv mit den Missständen im Fußball-Weltverband beschäftigt, sieht eine Zukunft für den Welt-Fußballverband nur für den Fall einer Abwahl Blatters:
In der Fifa ist es zwischenzeitlich so schlimm geworden, dass man eigentlich sagen kann, jeder x-beliebige, den man da rein setzen würde, kann fast zwangsläufig nur für eine Besserung sorgen, die Fifa sauberer oder transparenter zu führen, als das unter Blatter bisher der Fall war. Das ist ein Kinderspiel. Von daher wird es so oder so eine ganz neue Dimension geben, wenn der neue Mann nicht der Sauberste sein sollte. Das wird dauern, ähnliche Missstände wieder herbeizuführen.
Wer ist der Mann, der Blatter ablösen soll und als erster Afrikaner den Thron im Weltfußball anstrebt? Issa Hayatou kommt aus Kamerun. Der 55 Jahre alte ehemalige Leichtathlet, Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees und Präsident des afrikanischen Fußball-Verbandes, verspricht jene Transparenz, die alle Blatter-Kritiker vermissen.
Ich würde alles dafür tun, dass wieder Frieden einkehrt und Ernsthaftigkeit. Wir brauchen Dialog, Transparenz und Demokratie. Das würde ich hier genauso machen wie ich es beim afrikanischen Fußball-Verband CAF gemacht habe. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen, aber beim CAF können sie sehen, dass ich diese moralischen Werte durchgesetzt habe und das will ich auch bei der Fifa tun.
Allerdings ist auch der Afrikaner Hayatou nicht ohne Kritiker. Sie werfen ihm vor, er habe die Schlüsselstellen im afrikanischen Verband mit ihm genehmen frankophonen Moslems besetzt und werde vom französischen Sportrechtehändler J.C. Darmon unterstützt, der die afrikanischen Fernseh-Übertragungsrechte besitzt.
Hayatou, der einer reichen Familie aus dem Norden Kameruns entstammt, hat starke Verbündete. Dazu gehören neben dem europäischen Fußball-Chef Johansson auch der Südkoreaner Chung Mong-joon, der Präsident des Asiatischen Fußball-Verbandes. Gemeinsam propagieren sie die Rettung des Welt-Fußballs, und Hayatou soll der oberste Sachwalter sein :
Lassen Sie uns objektiv sein, der Weltfußball ist noch nicht verdorben von den Spannungen innerhalb des Fifa-Exekutivkomitees. Wir müssen jetzt aber unsere Bemühungen darauf konzentrieren, um den Weltfußball wirklich nach vorne zu bringen. Statt dessen gibt es jetzt schon seit über einem Jahr Spannungen im Exekutivkomitee, was uns daran hindert, zum Beispiel die Jugend wirklich zu fördern.
Die Deutschen, die mit dem DFB innerhalb der FIFA die an Wirtschaftskraft und Mitgliedern stärkste Föderation stellen, haben sich in diesem Kampf um Gut und Böse auf die Seite des Establishments geschlagen - im Gegensatz übrigens zur Mehrheit der europäischen Verbände. Kritische Stimmen gibt es seitens des Deutschen Fußball-Bundes offiziell nicht. Dieser hatte sich schon frühzeitig im vergangenen Herbst schriftlich zugunsten von Blatter festgelegt. Eine der wenigen Gegenreden im deutschen Fußball kommt von Gewerkschaftsseite. Ernst Thomann, Geschäftsführer der Vereinigung deutscher Vertragsspieler VdV :
Er ist der Fifa-König auf dem Sonnenberg in Zürich, es gibt keine Kontrolle, es gibt keine demokratischen Prinzipien. Er ist der König, er ist der Kaiser im Fußball und er agiert im Grunde so, wie er will, ohne Kontrolle und ohne mögliche Reaktionsmechanismen.
Mit dieser Meinung steht der Fußball-Gewerkschaftler ziemlich allein in deutschen Funktionärskreisen. Die DFB-Spitze mit Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und seinem Vize Franz Beckenbauer spielt die Unwissende und redet die Problematik herunter. Beckenbauer, der auch Präsident des Organisationskomitees für die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland ist :
Wenn ich finanzielle Unregelmäßigkeiten anspreche, muss ich ihm das nachweisen. Aber es sind keine Nachweise da, das ist alles Polemik, das sind natürlich gezielte Kampagnen, um den Sepp Blatter ein bisschen in den Misskredit zu bekommen. Wir kommen immer wieder auf den gleichen Punkt zurück, der Leidtragende ist der Fußball.
Mit dieser Sicht der Dinge müssen sich die Deutschen der Vorwürfe seitens der Europäischen Fußball-Union aussetzen, sie seien undankbar. Das spricht Uefa-Präsident Lennart Johansson auch offen aus. Schließlich hat die UEFA mit ihrer Kampagne maßgeblichen Anteil an der Vergabe der WM 2006 nach Deutschland. Undank ist der Welten Lohn. Die Uefa hat ihre Schuldigkeit getan, jetzt hält man sich an die Fifa, von der der DFB reichlich Gelder für die WM 2006 in Deutschland erwartet. Auch hier spielt FIFA-Präsident Blatter eine eigenmächtige Rolle, wie der Journalist Thomas Kistner beschreibt.
Der Zuschuss, der den deutschen WM-Organisatoren 2006 vorab schon gewährt worden ist, kam im engen Verhältnis zwischen deutschen Organisatoren und Blatter zustande. Es geht um 172 Millionen Euro, die dann irgendwann kommuniziert wurden zur großen Überraschung der Fifa-Exekutive, die als einziges Gremium über diese Gelder eigentlich zu befinden hätte. Das hilft schon weiter und schafft Dankbarkeiten.
Nach einer DFB-Sitzung, bei der das Blatter-kritische Dossier von Zen-Ruffinen und die dazugehörige Stellungnahme des Fifa-Präsidenten vorgelegen haben sollen, veröffentlichte das DFB-Präsidium eine Pressemitteilung, in der es hieß :
Nach ausführlicher Beratung kam das DFB-Präsidium zum Ergebnis, nicht von der bereits vor Monaten angekündigten Unterstützung für Joseph Blatter abzurücken. Die erhobenen Vorwürfe gegen den Fifa-Präsidenten reduzieren sich nach Meinung der Mitglieder des DFB-Präsidiums auf unterschiedliche Bewertungen administrativer, finanz- und sportpolitischer Maßnahmen; weitergehende Schlussfolgerungen lassen sich aus den hier vorliegenden Unterlagen nicht ableiten.
Weiter betonte das DFB-Präsidium seine Loyalität und Solidarität zur Uefa und speziell zu deren Präsidenten Lennart Johansson. DFB-Chef Mayer-Vorfelder war Anfang Mai bei der Tagung der UEFA als deren Vertreter in die FIFA-Exekutive delegiert worden. Nun will er den diplomatischen Doppelpass zwischen den beiden verfeindeten Fußball-Organisationen versuchen :
Ich glaub schon, dass es für den deutschen Fußball wichtig ist, das habe ich immer gesagt, deshalb habe ich ja auch kandidiert, im Blick auf 2006. Das ist schon sehr wichtig, das man nahe dran ist, weil man da gewisse Dinge auch eben mit beeinflussen kann. Aber ich sage noch einmal. Mein Hauptanliegen wird sein, auf der einen Seite die Interessen Europas mit aller Deutlichkeit zu vertreten, auf der anderen Seite auch den versuch zu machen, ausgleichend zu wirken und die Fifa und die Uefa wieder ein Stück näher zueinander zu bringen.
Neben Mayer-Vorfelder sind auch der Franzose Michel Platini und der Spanier Angel Maria Villar Llona als europäische Vertreter in die Fifa-Exekutive gewählt worden - drei Funktionäre, die dem Blatter-Lager zugerechnet werden. Ansonsten gelten die meisten Uefa-Mitglieder als Parteigänger von Gegenkandidat Hayatou.
Das wirft die Frage auf, wie die Chancen für einen Wechsel stehen. Der Afrikaner hat auch die asiatischen Verbände hinter sich. Denn der einflussreiche Fifa-Vize Chung Mong joon aus Südkorea, der längere Zeit selbst mit einer Kandidatur für das höchste FIFA-Amt geliebäugelt hatte, unterstützt nun Hayatou. Auf seinem eigenen Kontinent hat der Afrikaner allerdings nicht alle Verbände hinter sich, einige haben öffentlich ihr Votum für Blatter angekündigt. Das ficht Hayatou nicht an.
Die Wahl zur Fifa-Spitze ist eine weltweite Abstimmung, also reicht es nicht, nur die afrikanischen Stimmen hinter sich zu haben. Man braucht überall Unterstützer, um die Mehrheit zu haben, das ist, was zählt.
Pro Blatter haben sich bislang die zehn südamerikanischen Verbände erklärt. Die Verbindung liegt nahe: Schließlich ist Blatter ein Zögling seines Vorgängers Joao Havelange, für den der Schweizer als Generalsekretär eine Menge Drecksarbeit verrichtet hat.
Dazu kommt: Chef des brasilianischen Fußball-Verbandes ist Havelanges Schwiegersohn Ricardo Teixeira, dessen kriminelle Machenschaften im Verband mittlerweile schon vor Untersuchungsausschüssen in der Politik verhandelt werden. Ob Teixiera, Mayer-Vorfelder oder Blatter, drei Brüder im Geiste, deren Geschäftsführung von staatlichen Ermittlungen sowie von Vorwürfen der Korruption und der Steuerhinterziehung begleitet werden?
Eng verbunden ist Blatter auch mit dem Präsidenten der Konföderation nord-, zentralamerikanischer und karibischer Fußball-Verbände CONCACAF, Jack Warner, der von ähnlichem Kaliber ist. Der FIFA-Chef hat Warner die TV-Rechte für den amerikanischen Raum für den Preis von einem Dollar überlassen und den ehemaligen Lehrer damit zum Multimillionär gemacht.
Noch nicht geklärt ist die Stimmenverteilung bei den Verbänden Ozeaniens. Die meisten Stimmen holt Blatter bei den so genannten Mini-Verbänden. Als Entwicklungshilfe im Projekt "Goal" getarnt, erhalten diese eine Million Dollar in vier Jahren. Zum Dank veröffentlichen dann Fußball-Zwerge wie die Bahamas, Guatemala und die Dominikanische Republik Ergebenheits-Adressen an den Fifa-Präsidenten per weltweiter Pressemitteilungen. In denen wird Blatter für finanzielle Unterstützung, aber auch für Transparenz und Ehrlichkeit gelobt, die er in die Fifa gebracht habe.
Der Schweizer argumentiert, seine Gegner wollten aus der Fifa einen Verband der Konföderationen machen, eine Art lose Holding, in der die Großen das Sagen haben. Fifa-Pressesprecher Andreas Herren :
Es ist eine Tatsache: Jedes Mitglied hat eine Stimme, Ja gut, die großen haben, das würde die ganz Kleinen an die wand drängen. Langfristig würde das zu einer Konzentration an verschiedenen Orten führen, aber es wäre dann nicht mehr eine weltumspannende Bewegung.
Thomas Kistner hingegen, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, sieht genau hier die Besonderheiten des Systems Blatter, das auf Korruption ausgelegt sei :
Eine kleine Sandinsel in der Karibik, ohne jetzt irgend jemand zu nahe treten zu wollen mit fünf Kilometern Länge und 15 000 Bewohnern hat das gleiche Stimmrecht in der Fifa, auch am 29. Mai, wenn der Fifa-Präsident gewählt wird, wie der DFB, der Deutsche Fußball-Bund mit seinen sechs Millionen Mitgliedern. Da drängt es sich förmlich auf, an diese Länder heranzugehen, an diese Tropeninseln, an diese Zwergstaaten und Kleinstländer dieser Welt, die Fußball überhaupt keine Rolle spielen, die teilweise nicht einmal Sportplätze haben, auf jeden Fall keinen geregelten Spielbetrieb und die natürlich alle gute Gelder kassieren von der Fifa, deren Verwertung in den kleinen Ländern dann auch nicht ausreichend kontrolliert werden.