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Machtlos, ziellos, führungslos

Ob in Großbritannien, Deutschland oder Frankreich - fast in ganz Europa stecken Sozialdemokraten und linke Parteien im Meinungstief. Auch Italien macht dabei keine Ausnahme. Und das, obwohl dort eine politisch-mediale Schlammschlacht um das Liebesleben des Regierungschefs Berlusconi tobt.

Von Karl Hoffmann |
    Im Jahr 2002 gab der als progressiv bekannte Filmregisseur Nanni Moretti ein vernichtendes Urteil über die Führung der italienischen Opposition ab:

    "Mit dieser Führungsriege werden wir niemals Wahlen gewinnen, so Leid es mir tut."

    Und:

    "Das Hauptproblem der Mitte-Links-Koalition ist, dass sie zwei, drei oder sogar vier Generationen überspringen müsste."

    Die düsteren Prophezeiungen von Nanni Moretti haben sich erfüllt. Zwar konnte eine breite Mitte-Links-Koalition 2006 noch einmal mit knapper Not die Wahl gewinnen, aber schon noch einem Jahr war sie am Ende. Die Neuwahlen brachten dem Rechtsbündnis von Silvio Berlusconi einen klaren Sieg. Und trotz skandalträchtiger Enthüllungen aus seinem Privatleben scheint seine Popularität ungebrochen, während die Opposition ein zerstrittener Haufen zielloser Parteiführer geworden ist - und hilflos zusehen muss, wie Berlusconi das Land nach seiner Fasson regiert. Da nützt es nichts, wenn der Altkommunist Massimo D'Alema zum x-ten Male Berlusconis bevorstehenden Untergang heraufbeschwört:

    "Berlusconis persönliche Macht hat inzwischen ihren Höhepunkt erreicht. Es ist aber nun auch der Moment gekommen, in dem diese Macht die ersten Risse zeigt."

    Es ist Berlusconis "Partei der Freiheiten", die heute Wahlergebnisse vorweist, wie sie die italienischen Kommunisten in ihren besten Zeiten Ende der 70er-Jahre hatten: um die 35 Prozent. Damals war die Opposition noch ein kompakter Block im Parlament. Heute sind die Kommunisten in zwei Miniparteien gespalten und bangen ums Überleben. Oliviero Diliberto der Sekretär der Partei der Kommunisten Italiens will nach Jahren des Bruderkampfes nun endlich das Kriegsbeil begraben.

    "Ist es denn gar so schwer, sich einen Ruck zu geben und mitzuhelfen, damit sich die beiden Parteien, die sich noch kommunistisch nennen, wieder vereinen? Wir sind bereit für ein neues politisches Projekt, eine geeinte kommunistische Partei in Italien."

    Doch nicht die letzten zerstrittenen Genossen, sondern der PD, "Partito Democratico", ein ideologiefreies Zweckbündnis zwischen Mitte und Links, hat das eigentliche Erbe der im Jahr 1991 aufgelösten PCI übernommen. Mehrmals hatte die altehrwürdige kommunistische Partei seither den Namen geändert und sich immer mehr in die politische Mitte bewegt. Sie ist ein Auffangbecken geworden für all jene, die nicht auf Berlusconis Seite gelandet sind; ehemalige Kommunisten und Sozialisten, ein paar wenig farbechte Grüne, progressive Katholiken und traditionelle Ex-Christdemokraten. Sie alle verteidigen jedoch ihre politische Identität und verhindern so, dass aus dem PD eine stabile Oppositionspartei mit einem klaren Alternativprogramm zur Berlusconiregierung wird.

    Derzeit sucht der "Partito Democratico" einen neuen Führer. Der aussichtsreichste Kandidat ist Pierluigi Bersani. Ein Garant für den Neuanfang ist er aber nicht, denn er gehört just zu jener alten Parteinomenklatur, die Nanni Moretti schon vor sieben Jahren als "Burokrazia" angeprangert hatte. Und natürlich hält Bersani wenig von einem schnellen Generationswechsel.

    "Ich habe eine Partei im Sinn, die Respekt hat vor der älteren Generation; eine Partei in der die vorangegangene Generation es für ihre Aufgabe hält, den jüngeren den Weg zu öffnen, sie zu begleiten und zu unterstützen."

    Im Klartext heißt das: Die Führungsriege wird nicht ersetzt, auch wenn sie bereits zwei Wahlen gegen Berlusconi kläglich verloren hat - wofür sie allerdings nur bedingt verantwortlich ist. Bei einer Umfrage nach den jüngsten Europawahlen hat sich herausgestellt, dass sich knapp 80 Prozent der Bürger in ihrer politischen Orientierung nach den Hauptnachrichtensendungen richten, die unter dem direkten Einfluss des Medienzars und Ministerpräsidenten Berlusconi stehen. Ausgewogene Diskussionen mit politischen und programmatischen Inhalten finden praktisch im öffentlichen Leben nicht mehr statt - und wenn doch, stoßen sie auf immer geringeres Interesse. Und damit schrumpft der Handlungsspielraum der Opposition, die aus traditionellen Parteien besteht. Ein Modell, das Berlusconi längst durch ein neues, erfolgreicheres ersetzt hat - und das nur noch einen mächtigen Führer und viel gehorsames Fußvolk vorsieht. Der Opposition fehlt es an beidem.