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Machtwechsel in Dänemark

Lange: Machtwechsel also in Dänemark und ein Rechtsruck, für dessen Ursachen wir uns natürlich interessieren. Am Telefon ist nun Jens-Peter Bonde, seit vielen Jahren dänischer Abgeordneter im Europäischen Parlament und Mitglied der Fraktion der Unabhängigen für das Europa der Nationen, einer EU-kritischen Gruppe, wie man hinzufügen muss. Guten Morgen Herr Bonde!

    Bonde: Guten Morgen.

    Lange: Herr Bonde, wie erklären Sie sich den Wahlsieg von Oppositionsführer Anders Fogh Rasmussen?

    Bonde: Er hat seine klare Mehrheit bekommen. EU-mäßig gibt es aber keine Änderungen. Ein Rasmussen ändert sich in einen anderen Rasmussen, aber die politischen Unterschiede sind nach wie vor groß.

    Lange: Was hat denn die gegenwärtige Regierung von Poul Nyrup Rasmussen falsch gemacht? Vor zwei Monaten sahen doch seine Chancen gar nicht so schlecht aus?

    Bonde: Nein. Er hat wirtschaftlich ganz gute Erfolge gehabt. Wir haben eine Wirtschaft, die viel, viel besser ist als die der Nachbarwirtschaften. Wenn man hier einen Vergleich macht, so hat die Regierung das ganz gut gemacht. Aber nach neun Jahren in der Regierung denken die Leute, wir müssen eine Veränderung haben. Dadurch hat der andere liberale Rasmussen eine klare Mehrheit bekommen.

    Lange: Also die Dänen waren ihn einfach leid?

    Bonde: Ich glaube man ist müde, immer dieselben Minister im Fernsehen zu sehen.

    Lange: Aber Herr Bonde, warum auf einmal dieses Klima von Abwehr und Verdruss und Ausländerfeindlichkeit? Warum hat das jetzt im Wahlkampf so eine große Rolle gespielt?

    Bonde: Ich bin auch nicht so stolz darauf, weil wir haben ja nicht so viele Ausländer wie etliche andere Länder, aber wir haben ein Integrationsproblem und das müssen wir selbstverständlich lösen. Man kann nicht blind sein. Es gibt Probleme und diese Probleme sollen gelöst werden.

    Lange: Wie sehen diese Probleme aus? Können Sie das etwas näher beschreiben?

    Bonde: Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es nicht so große Probleme, aber wir haben ein soziales Sicherheitssystem in Dänemark. Es ist ganz offen für alle. Wir haben kein Versicherungssystem. Dann denken die Leute, es ist zu einfach für Ausländer, Geld von Dänemark zu bekommen. Das muss man regulieren.

    Lange: Das Anliegen halten Sie also für berechtigt, dort etwas zu tun?

    Bonde: Nein, ich empfinde es eigentlich nicht als ein großes Problem. Aber es ist klar, wenn man sich die Ziffern ansieht. Die dänische Volkspartei hat ja ein ganz klares Profil dort gehabt und hat dadurch gewonnen. Ich bin nicht von dieser Seite der Politik, aber EU-mäßig kommt überhaupt keine Änderung in Dänemark. Das muss ich sagen. Die neue Regierung ist vielleicht ein bisschen näher an der Stoiber-Position, Kompetenzkatalog, Abgrenzung, EU-Kompetenzen. Da gibt es einen Unterschied im Verhältnis zur heutigen Regierung.

    Lange: Die dänische Volkspartei, Herr Bonde, gilt als eine ausländerfeindliche Partei nach Art der FPÖ von Jörg Haider in Österreich. Die hat jetzt noch mal zugelegt. Was ist von dieser Partei zu erwarten?

    Bonde: Ich glaube die dänische Volkspartei ist eine Partei, die die Ausländereinwanderung begrenzen will, scharf begrenzen will. Das ist klar. Auf der anderen Seite ist das nicht eine rassistische Partei. EU-mäßig ist das eine kritische Partei. Somit hat sich auch die Mehrheit für oder gegen die EU nicht geändert.

    Lange: Ist die Gleichsetzung mit der Haider-Partei gerechtfertigt, oder tut das der dänischen Volkspartei eher Unrecht?

    Bonde: Macht man Recht gegen Haider, das finde ich eigentlich auch nicht. Der hat ja seine Aussprachen vor vielen Jahren gemacht, aber die Position in Österreich gegen Ausländer ist ja nicht schlimmer als in anderen Ländern. Es ist viel Medienhysterie darüber gemacht worden.

    Lange: Würde denn eine Regierungsbeteiligung der dänischen Volkspartei zum Problem, wenn Ihr Land im nächsten Jahr die EU-Präsidentschaft übernimmt?

    Bonde: Nein!

    Lange: Warum nicht?

    Bonde: EU-mäßig ist die dänische Volkspartei mehr auf der Linie der Mehrheit in der Bevölkerung. Eine Regierung braucht es, darüber nachzudenken, dass man ein Resultat im Konvent bekommt und nachher in der Regierungskonferenz, was in einem Volksentscheid beschlossen werden kann. Da gibt es keinen Unterschied. Die Minister können nicht von den eigenen Positionen verhandeln; die müssen auf die Mehrheit der Bevölkerung Rücksicht nehmen. Da gibt es also auch gar keinen Unterschied. Ein Rasmussen geht, ein anderer Rasmussen kommt, aber EU-mäßig wird es genau dasselbe bleiben.

    Lange: Und eine neue Volksabstimmung wird jetzt aber doch noch lange Zeit brauchen, bis die kommt?

    Bonde: Ja, und da machen sie auch keinen Unterschied im Wahlprogramm. Die Liberalen und Konservativen haben gesagt, dass man keinen Volksentscheid haben will, bevor sich die Mehrheit geändert hat. Die Mehrheit ist nicht mit mehr Union und mehr Brüssel zu beschließen.

    Lange: Vor einigen Monaten, Herr Bonde, haben die Sozialdemokraten in Norwegen eine heftige Niederlage einstecken müssen. Jetzt sind es die Sozialdemokraten in Dänemark. Gibt es dort für Sie Parallelen oder einen Trend, dass diese Parteien vielleicht verbraucht sind und jetzt einfach fällig sind?

    Bonde: Ich glaube es gibt einen Trend, dass die sozialdemokratischen Regierungen die Wirtschaft und die Wohlfahrt machen, aber auch zu viel Systemdenken verursachen. Sie verteidigen nicht den einzelnen Menschen, aber mehr die Systeme. Da glaube ich hat der liberale Rasmussen Punkte gewonnen.

    Lange: Sind die skandinavischen Sozialdemokraten da etwas weiter zurück, gemessen an den britischen oder an den deutschen?

    Bonde: Ich glaube die gehen mehr in Richtung der britischen.

    Lange: Die Deutschen?

    Bonde: Der britischen und der deutschen als der französischen.

    Lange: In den "Informationen am Morgen" war das Jens-Peter Bonde, dänisches Mitglied im Europäischen Parlament. - Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch und auf Wiederhören Herr Bonde.

    Link: Interview als RealAudio