
Macron betonte, die Reform sei notwendig, und sie bereite ihm sicher kein Vergnügen. Heute gebe es 17 Millionen Rentner in Frankreich, und im nächsten Jahrzehnt würden es dann schon 20 Millionen sein. Macron betonte mit Blick auf die Proteste, man müsse der legitimen Wut der Menschen zuhören. Doch Gewalt werde man nicht dulden.
140 Festnahmen
Die Rentenreform sorgt in Frankreich seit Wochen für Massenproteste. Gestern Abend und in der Nacht gingen erneut tausende Menschen auf die Straße. Dabei gab es Zusammenstöße mit der Polizei; allein in Paris wurden mehr als 140 Menschen festgenommen.
Der Unmut vieler Menschen richtet sich nicht nur gegen die Reform, sondern auch dagegen, dass die Regierung sie ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchgesetzt hat. Das Verfahren wurde durch einen umstrittenen Verfassungsartikel ermöglicht. In der Folge musste sich die Regierung zwei Misstrauensabstimmungen stellen, die aber beide scheiterten. Kernpunkt der Reform ist die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre.
"Die Rentenreform absolut notwendig"
Die französische Abgeordnete aus dem Regierungslager, Sabine Thillaye, sagte im Deutschlandfunk, die Lage sei emotional aufgeheizt und beunruhigend. Zwar sei die Rentenreform absolut notwendig, doch seien in der Kommunikation Fehler gemacht worden. So sei die Rentenreform als Sozialreform präsentiert worden, was aber nicht der Fall sei. Die Rentenreform diene dazu, den Schuldenberg Frankreichs abzubauen, damit das Land ein verlässlicher Partner auch für seine Verbündeten sein könne.
Der Verfassungsrat wird sich demnächst mit der Rentenreform befassen. Premierministerin Borne kündigte an, dass sie das Gesetz so schnell wie möglich prüfen lassen werde. Wie der Fernsehsender BMFTV weiter berichtet, haben der rechtsnationale Rassemblement National und das links-grüne Bündnis Nupes Beschwerde gegen die Rentenreform eingelegt. Das Gesetz wurde ohne Abstimmung per Dekret von Präsident Macron in Kraft gesetzt. Die Beschleunigung des Verfahrens war nur möglich, weil die Regierung sich auf eine Sonderregelung der Verfassung berief. Ein anschließendes Misstrauensvotum im Parlament überstand sie nur knapp.
Marine Le Pen warnt vor "sozialer Explosion"
Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen warf dem Präsidenten vor, mit seiner Rentenreform eine "soziale Explosion" im Land zu riskieren. Sie werde aber nicht dabei helfen, "das Feuer" der wütenden Proteste löschen, sagte Le Pen der Nachrichtenagentur AFP. Ähnlich hatte sich der linkspopulistische Politiker Jean-Luc Mélenchon von der Bewegung France Insoumise (Unbeugsames Frankreich) geäußert.
Der Vorsitzende der französischen Menschenrechtsliga, Baudouin, hat sich angesichts der Ausschreitungen bei Protesten gegen die Rentenreform besorgt gezeigt. Baudouin sagte dem Sender France Info, man befinde sich in einer besonders beunruhigenden Situation für die Demokratie und wisse nicht, wohin sich die Lage entwickle. Baudouin bezeichnete das Vorgehen der Sicherheitskräfte als unverhältnismäßig. So versuchten diese etwa zu verhindern, dass Demonstrierende den Ort einer Kundgebung erreichten. Der Pariser Polizeipräfekt Nunez wies die Vorwürfe umgehend zurück.
Diese Nachricht wurde am 22.03.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.