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Madame Bovarys Kleider knistern

Valerie Stiegele ist wohl renommierteste Bearbeiterin von literarischen Vorlagen für das Hörspiel hierzulande. Nun hat sie einen Klassiker des realistischen Romans in eine Hörspielfassung gebracht: "Madame Bovary" von Gustave Flaubert. Mit der Regisseurin Christiane Ohaus habe ich mich über die Realisation unterhalten

Von Frank Olbert |
    Frank Olbert: Im Kino würde man sich "Madame Bovary" als historischen Ausstattungsfilm vorstellen. Wie ist das im Hörspiel?

    Christiane Ohaus: Im Hörspiel kann man glücklicherweise auf Ausstattung verzichten. Das steht einem gar nicht zu Gebote. Wenn man auf dem Foto im Programmheft von Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk eine Madame Bovary in einem wunderschönen, langen Seidenkleid sieht, dann haben wir sie nur für Aufnahmen von Geräuschen damit bekleidet. Wir haben Stoffgeräusche eingesetzt, die einfach die Erotik der Verhüllung darstellen sollen, aber eher als ein stilisiertes Element in diesem Hörspiel. Ansonsten haben wir eigentlich auf Historismen verzichtet. Man hätte Geräusche wie Kutschen oder Pferde oder dergleichen einsetzen können. Das Einzige, das darauf hindeutet, dass wir das Stück nicht aktualisieren, sondern dezidiert im 19. Jahrhundert belassen wollten, ist die Musik. Michael Riesslers Komposition greift ganz bewusst romantische Musik auf, überschreitet sie allerdings, um zu zeigen, dass die Romantik nicht mehr funktioniert, dass sie schon in die Phase der Dekadenz übergegangen ist. Das ist ja auch zentrales Thema des Romans "Madame Bovary".

    Frank Olbert: Warum eignete sich der Roman für eine Hörspielbearbeitung?

    Christiane Ohaus: Zum einen enthält er wunderbare Dialoge, was ja bei Romanen gar nicht selbstverständlich ist. Sie sind knapp, pointiert, aber auch psychologisch sehr genau gearbeitet und haben zudem ein zentrales Thema, was man auch in der dramatischen Literatur nicht schöner finden kann, nämlich das Thema, wie mit Sprache gelogen wird. Die Figuren verirren sich selber in der Scheinhaftigkeit ihrer Rede. Zum anderen ist der Erzähler nicht nur ein allwissender, außerhalb des Geschehens stehender, sondern er spielt auch mehrere Rollen. Er ist auch beteiligt, ist voller Wut und Ressentiment oder philosophiert vor sich hin oder gibt Gemeinplätze von sich. Aber das spannendste ist, dass er sich in seine Figuren hineinversetzt, in erlebter Rede spricht. Und das entspricht der so genannten Gedankenstimme im Hörspiel, die eigentlich in der Weise auch nur im Hörspiel möglich ist. Auf dem Theater ist sie nicht möglich, vielleicht im Film, aber im Hörspiel ist sie besonders schön realisierbar. Das haben wir so umgesetzt dass der Erzähler, wenn er in die erlebte Rede fällt, sich auf der Stereobasis der jeweiligen Figur auch annähert.

    Die vierteilige Hörspielfassung von Gustave Flauberts Roman "Madame Bovary" sendet Deutschlandradio Kultur, ab Sonntag, den 5. Juni, 18.30 Uhr:
    Hörspiel Hörspiel - Madame Bovary (1)
    Hörspiel Hörspiel - Madame Bovary (2)