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"Made in Germany" als Verpflichtung

"Made in Germany" - mit der Pflicht, die Herkunft von Waren auszuzeichnen, wollte die britische Regierung vor 125 Jahren Billigimporte bekämpfen. Doch der Schuss ging nach hinten los: "Made in Germany" wurde ein Gütesiegel, das den deutschen Export noch immer beflügelt, was auch Unternehmen wie dem 1854 gegründeten Remscheider Werkzeugmaschinenhersteller FLOTT zu verdanken ist.

Von Mirko Smiljanic | 20.04.2012
    Remscheid in den Produktionshallen der Arnz FLOTT GmbH. Zwei Mitarbeiter stehen an großen plexiglasverkleideten Maschinen, justieren an Monitoren ein paar Einstellungen, nehmen hier und da matt glänzende Stahlteile von einer Palette. Es ist laut, aber fern von jeder Hektik.

    "Hier stehen zwei CNC-Maschinen drin, ein großes Zentrum, wo wir die großen Köpfe drauf bearbeiten, und hier werden kleinere Sachen hergestellt, wie Spindeln, Phiolen, Kleinteile, die wir für die Fertigung der Bohrmaschinen brauchen","

    erklärt der verantwortliche Techniker Serge Rodenbusch. So also sieht der Ort aus, an dem ein mittelständisches Unternehmen aus dem Bergischen Land, Zitat, "High Quality - made in Germany" produziert. Die Arnz FLOTT GmbH ist ein Familienunternehmen in fünfter Generation. 1854 entwickelte sie erste Bohrmaschinen und blieb diesem Produkt bis heute treu. Neben klassischen Tischsäulenbohrmaschinen für den industriellen Einsatz hat sie mittlerweile aber noch zwei weitere Standbeine: die Schleiftechnik - Doppel- und Bandschleifmaschinen etwa - und die Sägetechnik.

    ""Hier wird gerade ein Kopf bearbeitet, hier kommen Bohrwerkzeuge, Bohrer, Ausbohrwerkzeuge, Ausdrehwerkzeuge zum Einsatz, zum Ausspindeln, damit die Fassungen genau sind, weil hier vieles mit Fassungen ist."

    Präzise muss alles sein, wer Werkzeuge von Arnz FLOTT kauft, entscheidet sich für Hightech-Maschinen mit hohen Anforderungen: Langlebigkeit, beste Materialien, gute Verarbeitung, geringe Reparaturquoten. Es gab Phasen in der Firmengeschichte, in denen diese Qualitätsmerkmale nicht erfüllt wurden. Erst eine Neustrukturierung inklusive einer Reduzierung des Sortiments stellte die Weichen für den heutigen Erfolg, wobei die FLOTT-Führung voll auf "Made in Germany" setzte.

    "Das heißt, man hat sich von Komponenten, die man nicht selbst hergestellt hat, getrennt","

    Bernd Schüler, Leiter des Vertriebs:

    " "Man hat natürlich auch beäugt, in der Eigenproduktion selbstkritisch, wo liegt eine entsprechende Reklamationsquote, hat diese natürlich auch zurückgefahren, weil eben der Anspruch Qualitätsprodukte, Langlebigkeit und Zuverlässigkeit eine ganz elementare Ausgangsbasis für die Firma FLOTT ist und war. Hier haben wir neu aufgesetzt und haben unser gesamtes Produktionsprogramm wirklich unter diesem Aspekt 'High Quality - made in Germany' neu ausgerichtet.".

    Wobei gute Materialien und eine einwandfreie Verarbeitung auf Dauer aber nicht reichen. Der Markt, das haben FLOTT-Ingenieure bei Kundenumfragen herausgefunden, braucht Maschinen mit neuen Einsatzprofilen. Also entwickelten sie gemeinsam mit der Bergischen Universität Wuppertal die Tischbohrmaschine TB 13 Plus:

    " Das Highlight, das wir auf der Eisenwarenmesse in Köln vorgestellt haben, das jetzt in Serie produziert wird seit wenigen Wochen, das ist die neue Generation der Plus-Maschinen von FLOTT."

    Die auf die Wünsche der Kunden abgestimmt wurde. Klassische Skalenanzeigen zum Beispiel, sagt Toni Dragano, seien nicht mehr zeitgemäß:

    "Heutzutage muss alles digital sein, Digitalanzeige für Drehzahl, für Bohrtiefe, und was häufig dann auch vorkam, viele Kunden haben sich im Wechselstrombereich eine Maschine gewünscht, die auch Gewinde schneiden kann."

    Stufenlos 40 bis 4000 Umdrehungen pro Minute schafft die Bohrmaschine.

    "In der Maschine haben wir einen Frequenzumrichter, der uns ermöglicht, einen extremen Drehzahlbereich auch einzustellen, vollelektronisch wird dieser Wert dann erreicht, wir haben einen bürstenlosen Motor, der auch sehr einfach zu bedienen ist, ist auch in der Drehzahl verstellbar, wartungsfrei."

    Wobei das technisch Neue die integrierte Gewindeschneidfunktion ist. Mit ein paar Handgriffen stellt Toni Dragano die Maschine auf eine Bohrtiefe von vier Millimetern ein.

    "Bei den vier Millimetern hören wir wieder den Bestätigungston und wir sehen, dass die Maschine in den Linkslauf wechselt. Wir können die Drehzahl mal etwas höher setzen, sie bremst kurz ab."

    Um dann richtig schnell zu werden.

    Die Finanzkrise ging auch an der Arnz FLOTT GmbH nicht spurlos vorüber, die Umsätze brachen ein, liegen aktuell bei fünf Mio. Euro jährlich, Tendenz steigend. 24 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in Remscheid. Die Kostenstruktur, sagt Bernd Schüler, habe man im Griff, zumal man Teile der Endmontage an einen Industriedienstleister nach Dresden vergeben habe. Heute bestellt der Kunde eine Maschine, die dann bis ins letzte technische Detail für ihn innerhalb von zwei Wochen gebaut und ausgeliefert wird - Werkzeugmaschinen on demand! Und "Made in Germany"? Die Entscheidung, auf das juristisch bedeutungslose Gütesiegel zu setzen, sei eine richtig gewesen, sagt Schüler. Der weiche Faktor "Made in Germany" habe im Ausland auch nach 125 Jahren eine erstaunlich harte Bedeutung:

    "Richtig, juristisch gesehen ist es keine Aussage. Wir flankieren das natürlich mit Leben und haben dadurch natürlich bedingt gewisse Serviceleistungen, Garantien, die uns wirklich im Markt differenzieren. Das sind eigentlich die Stärken, die wir mit dieser Headline unterstreichen möchten, und das bringt uns letztendlich in unseren Aufbaumaßnamen beim Export Riesenschritte nach vorne."