Archiv

Madeira
Paradies aus Vulkangestein

Weinberge, tropische Früchte, exotische Bergwälder: Madeira wird nicht umsonst die "Insel des ewigen Frühlings" genannt. Die Vulkaninsel vor der Küste Portugals wird seit 600 Jahren bewohnt - erst kamen Seefahrer, dann Siedler und Tuberkulosekranke und schließlich die Touristen.

Von Regina Kusch |
Der Küstenfelsen Eagle Rock (Penha de Aguia) auf Madeira.
Das milde Klima auf Madeira galt im 19. Jahrhundert als besonders heilsam bei Tuberkulose (picture alliance / Robert Harding)
"Die Insel war unbewohnt, aber die Entdecker wussten, dass es irgendwo im Atlantik eine Insel gab, eine Insel mit dem Namen Isola de Legname. Legname kommt von Holz. Das war schon geschrieben in alten Landkarten von Medici. Eine Insel mit einem Wald und man konnte nicht hineingehen, und sie mussten viele Bäume schneiden und Feuer setzen, damit sie Häuser bauen konnten. Das ist das Bild, wenn ich über Madeira lese."
Mara Cardoso, kennt Orte auf Madeira, die noch ursprünglich und unberührt wirken. Sie ist auf der Vulkaninsel geboren und hat ihre Geschichte an der Universität der Hauptstadt Funchal studiert.
"Funchal, bekannt wegen des vielen Fenchel, der überall wuchs, wilder Fenchel. Auf portugiesisch sagt man Funcho. Funchal ist ein Platz mit viel Funcho."
Lorbeerwälder auf Madeira
Noch gibt es viele Lorbeerwälder auf Madeira (Deutschlandfunk / Regina Kusch)
Strategisch gesehen war das etwa 740 Quadratkilometer große Eiland - knapp 1.000 Kilometer von Portugal und 800 Kilometer von Marokko entfernt - eher uninteressant, erzählt Isabel Gouveia, die das Heimatmuseum in Machico leitet. Bereits vor der Erwähnung in den ersten Seekarten, seien dort Schiffbrüchige gestrandet, gewissermaßen die ersten Einwohner Madeiras:
"Die Legende von Robert Machin und Anna Dafair aus England erzählt von einer unglücklichen Liebe im 14. Jahrhundert. Annas Familie war gegen eine Heirat und die beiden beschlossen, nach Frankreich zu fliehen. Nach einem Unwetter auf See erlitten sie Schiffbruch und strandeten hier in Machico. Drei Tage später starb Anna, und fünf Tage später auch Robert Machin. Sie wurden hier begraben und einige Historiker sagen, dass der Ort Machico nach Robert Machin benannt worden sei."
Portugiesische Siedlung
Um arabischen Sultanen oder dem Königreich Kastilien zuvorzukommen, ordnete der portugiesische Prinz und Förderer großer Entdeckungsreisen, Heinrich der Seefahrer, Anfang des 15. Jahrhunderts an, die Insel zu besiedeln:
"Vor 600 Jahren kamen zwei wichtige Männer auf unsere Insel, die portugiesischen Seefahrer João Gonçalves Zarco und Tristão Vaz Teixeira. Ihr Schiff legte am 1. Juli 1419 hier in Machico an."
Um die Insel urbar zu machen, mussten Fenchelhaine, Drachenbäume und üppige Lorbeerwälder Dörfern und Feldern weichen.
Madeirawein aus der Faja
Sklaven aus den Kolonien und Siedler vom portugiesischen Festland schlugen Terrassen in die Felshänge und bauten dort Weizen, Zuckerrohr und Wein an. Sogar die abgelegenen Buchten, die nur durch waghalsige Kletterpartien oder bei ruhiger See mit dem Boot zu erreichen waren, wurden zu landwirtschaftlichen Anbauflächen.
"Die Faja. Faja, eine Ebene neben dem Meer, die von den Bauern genutzt werden. Kartoffeln haben wir da unten, Weinberge, tropische Früchte wie Papayas, Mangos, Pitangas, Surinamkirschenbäume."
Den etwa 100 Meter schmalen Küstenstreifen Faja dos Padres erreicht man heute bequem mit einer Seilbahn. Windgeschützt liegt er unter einer gut 300 Meter hohen Felswand. Einst produzierten hier Jesuiten den berühmten Madeirawein aus der Malvasia-Traube, die Heinrich der Seefahrer aus Kreta importieren ließ.
Der Elektroingenieur und Hobbywinzer Mario Jardim Fernandes verbringt jede freie Minute im ehemaligen Weinkeller der Mönche.
Der Duft von Holz und Wein: Hobbywinzer Mario Jardim (Regina Kusch / Deutschlandradio)
Der Elektroingenieur und Hobbywinzer Mario Jardim Fernandes verbringt jede freie Minute im ehemaligen Weinkeller der Mönche. Da reifen in alten Eichenfässern bei barocken Opernarien gut 700 Liter Malvasier:
"Hier ist alles alt. Alles hat Tradition. Die Jesuiten waren nach Madeira gekommen, um Bildung auf die Insel zu bringen. Doch sie waren auch gute Geschäftsleute. Sie haben den Weinhandel aufgebaut, hatten das Monopol für Madeirawein und haben den Handel international ausgebaut."
Heilsame Lorbeerwälder
In den regenreichen Bergregionen im Norden erstrecken sich noch über 150 Quadratkilometer die Lorbeerwälder Madeiras. Etwa ein Fünftel der Insel ist von den knorrigen alten Bäumen überzogen, denen man im Mittelalter Zauberkräfte nachsagte. Überall plätschern kleine Bäche, in denen sich häufig Forellen tummeln, die Levadas. Mit Hilfe dieses kilometerlangen Kanalsystems aus dem 15. Jahrhundert, werden die Felder und Plantagen im trockenen Süden bewässert. Diese Wege, an denen entlang man wunderbar wandern oder radeln kann, erstrecken sich über die gesamte Insel.
Wasserfall an einer Levada bei Ponta do Sol auf Madeira.
Das ganzjährig milde Klima sorgt für eine einzigartige Vegetation (picture alliance / Peter Sürth)
Schon Kaiserin Sisi schwärmte in Briefen an ihren Mann von ausgiebigen Wanderungen durch die exotischen Bergwälder. Seit dem 18. Jahrhundert ist der Fremdenverkehr eine wichtige Einnahmequelle Madeiras. Das milde Klima galt damals als besonders heilsam bei Tuberkulose, und viele wohlhabende Nordeuropäer verbrachten den Winter auf der "Insel des ewigen Frühlings". Der Schotte William Reid, der wegen eines Lungenleidens nach Madeira gekommen war, vermietete bald Landgüter an reiche Urlauber, träumte aber von einem eigenen Luxushotel.
"Weil er schon immer ein Visionär war, kaufte William Reid einen Felsen. Er ließ jede Menge englischen Boden nach Madeira transportieren. Er legte einen botanischen Garten an und begann dann mit dem Bau dieses pinkfarbenen Palastes."
Kaiserinnen, Könige und Dichter,
Patricia Duarte ist Managerin in "Reid’s Palace", das 1891 eröffnete und bis heute als erste Adresse Funchals gilt. Die Ankunft der ersten Gäste erlebte William Reid nicht mehr. Seine Söhne führten das Luxushotel, in dem der Polarforscher Robert Falcon Scott auf dem Weg in die Antarktis einen Zwischenstopp einlegte. Der englische König Eduard VII. unterschrieb im Gästebuch, ebenso wie der irische Dramatiker George Bernard Shaw. Alle genossen beim fünf-Uhr-Tee auf der Terrasse den unverbaubaren Blick auf den Hafen und die alte Festung. Eine Suite, heute noch mit Originalmöbeln ausgestattet, ist besonders gefragt: Da logierte Winston Churchill im Januar 1950, um zu malen und seine Memoiren zu schreiben:
"Das Haus war während des Krieges viele Jahre geschlossen, da brauchten wir jemanden, der "Reid’s" wieder ins Gespräch brachte. Deshalb hat man ihn eingeladen und ihm einen sehr guten Preis gemacht. Doch das Hotel war in schlechtem Zustand. Man musste Möbel von englischen Familien ausleihen, die hier lebten. Eine gab uns das Bett, eine andere lieh uns ein Auto, jeder brachte einen Luxusartikel ins Hotel, so dass wir Churchill schließlich angemessen empfangen konnten."
Historische Fotografie auf einer Postkarte: das Reid's Palace Hotel in Funchal, Madeira.
Erstes Haus am Platz: Im Reid's Palace residierten Könige und Staatsmänner (picture allliance / Mary Evans )
Die Fortbewegung auf dem bergigen Eiland war beschwerlich. Meistens fuhr man mit Ochsenkarren. Kranke oder reiche Touristen ließen sich in Hängematten tragen, erzählt Mara Cardoso auf ihren Altstadtspaziergängen:
"Früher mussten wir immer zu Fuß durch die Ortschaften gehen und das Mittagessen für die Väter transportieren, und dann sind die Kinder zurück nach Hause gegangen, immer bergauf."
Haupteinnahmequelle Tourismus
Die exotischen Gärten im Villenviertel Monte liegen acht Kilometer oberhalb Funchals. Bergab nehmen solvente Urlauber gerne einen Korbschlitten. Das sind geflochtene Sessel auf Holzkufen, die bei der rasanten Abfahrt durch die kurvenreichen Gassen bis zu zwölf Stundenkilometer schnell werden und von zwei Schlittenlenkern geschoben, gezogen oder gebremst werden. Die meisten Madeirer leben vom Fremdenverkehr. Viele arbeiten in Hotels oder als Fremdenführer, junge Leute eröffnen Hostels oder originelle Restaurants, andere kleine Museen. Wer hier Geld verdienen kann bleibt, so wie Isabel Gouveia.
"Ich lebe in Funchal und arbeite hier in Machico. Ich kann jeden Tag in 20 Minuten über die Autobahn im Museum sein. Hier haben wir eine Lebensqualität, die es oft auf dem Festland nicht gibt. Wir haben eine Tourismus-Tradition, eine ungemein interessante Geschichte und sehr gutes Wetter. Eine herrliche Insel! Fehlt nur noch eine Brücke nach Lissabon."
"Ich bin immer wieder wiedergekommen. Viele Kollegen sind zurückgekehrt. Musik und Kultur werden auf Madeira sehr hochgehalten."
Die Sängerin Vânia Fernandes ist mit ihren Interpretationen madeirischer Volkslieder in ganz Portugal erfolgreich. Einige Jahre lebte und arbeitete sie in Lissabon. Jetzt ist sie Dozentin an der Musikschule Funchals und steht fast jeden Abend auf der Bühne.
"Madeira ist wie ein kultureller Schmelztiegel, alles konzentriert sich auf diesen kleinen Ort. Das Gefühl, hier auf einer Insel, 1.000 Kilometer vom Festland entfernt, gefangen zu sein, hat sich geändert. So lange Künstler und gute Musiker aus der ganzen Welt hierherkommen, bleibe ich auch."