Archiv


Mädchen in der Pubertät

Psychologie. - Die Pubertät, der Prozess des Erwachsenwerdens, ist für junge Menschen meist ein schwieriger Prozess. Besondere Probleme haben in dieser Zeit diejenigen, deren Entwicklung schneller oder langsamer als im Durchschnitt verläuft. Psychologen der Universität Jena ist es jetzt gelungen, einige Facetten der Mädchenpubertät methodisch zu erhellen. Danach agieren die Heranwachsenden nach Mustern, die ihnen die Natur und nicht die Mode vorgibt.

    Die frühentwickelten Mädchen, das stellten die Jenaer Forscher fest, hatten mit den spätentwickelten vor allem eines gemeinsam: Sie suchten häufiger als ihre normal entwickelten Altergenossinnen die Auseinandersetzung mit ihrer Mutter. Der Entwicklungspsychologe Professor Rainer Silbereisen erläutert: "Es wird gestritten, wie lange man wegbleiben darf oder wo man Ferien macht. Die Frühentwickelten wie die Spätentwickelten treten dabei autonom auf, im Gegensatz zu den normativ Entwickelten." Mütter lassen die Angriffe der Spätentwickler eher an sich abprallen, Frühentwickler können sich hingegen häufiger durchsetzen. Deren Dominanz hat allerdings auch ihren Preis: Die frühentwickelten Töchter werden häufiger auffällig. Dafür gibt es vor allem einen Grund, erklärt Silbereisen: "Wir haben nachgewiesen, dass der Zusammenhang zwischen Früher-Sein und Auffällig-Sein eine direkte Funktion der Menge von Kontakten mit älteren männlichen Jugendlichen ist."

    Aus entwicklungspsychologischer Sicht muss all dies aber nicht in einer Katastrophe münden, schließlich dauere die Frühreife nur ein paar Jahre, bis die anderen Kinder aufholen, so Silbereisen: "Aber es gibt Langzeit-Effekte: Mehr Kinder, frühere Heiraten, weniger Bildung." Ob die Früh- oder Spätreife der Mädchen auch biologische Ursachen hat, untersuchte der Jenaer Verhaltenspsychologe Wolfgang Miltner anhand der so genannten salienten Reize. Das sind Reize, die bei einer Person besondere Aufmerksamkeit erfordern, wie zum Beispiel der Anblick einer Spinne für einen Menschen mit Spinnenphobie. Miltner setzte Mädchen vor einen Computerbildschirm, auf dem verschiedene Wörter, darunter Reizwörter aus dem sexuellen Bereich, auftauchten, manchmal groß, manchmal klein geschrieben. Die Versuchspersonen sollten entscheiden, wie die Worte geschrieben waren. Miltner zur Versuchsthese: "Auf die Wörter, die besonders salient sind, also Aufmerksamkeit fordern, wird langsamer reagiert, weil diese Begriffe Aufmerksamkeitskapazität und Verarbeitungsressourcen belegen. Und genau das kam heraus." Die Frühreifen brauchten zur Verarbeitung peinlicher Wörter deutlich mehr Zeit als die Normalentwickler. Die Spätreifen brauchten darüber hinaus für alle Wörter die längste Zeit.

    [Quelle: Mathias Schulenburg]