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Männer, Frauen, Gleichheit

Vor drei Wochen hat Hassan Rohani das Amt des iranischen Präsidenten übernommen. Der 64-jährige Geistliche versprach, sich für die Belange der Frauen einzusetzen. Deren Erwartungen an den neuen Präsidenten der islamischen Republik halten sich jedoch in Grenzen.

Von Reinhard Baumgarten |
    Männer, Frauen, Gleichheit – das ist es, was Tausende Frauen bei einer Wahlkampfveranstal-tung Hassan Rohanis Anfang Juni fordern. Der 64-jährige Geistliche gewinnt unerwartet deutlich die Präsidentenwahl. Er setzt sich mit großem Abstand gegen fünf konservative und erzkonservative Mitbewerber durch. Nun ist der als moderat geltende Geistliche an der Macht.

    "Unsere Regierung der Besinnung und Hoffnung hat sich eine wichtige Aufgabe gesetzt. Sie will die Leiden und Sorgen der iranischen Nation lindern, sie will Freude in das Leben der Iraner zurückzubringen."

    Knapp 51 Prozent der Wähler haben Hassan Rohani ihre Stimme gegeben. Erwartung, und Skepsis, Optimismus und Pessimismus – die iranische Bevölkerung hört die Worte ihres neuen Präsidenten.

    Hassan Rohanis sanfte Töne nach acht Jahren der gesellschaftlichen Polarisation und Konfrontation unter Präsident Mahmoud Ahmedinejad mögen gut klingen, doch viele Iraner sind noch skeptisch, wenn der neue Präsident sagt:

    "Die Menschen verlangen die Einhaltung der Bürgerrechte, sowie die Wahrung der Rechte aller Minderheiten und aller Kleinkulturen, Ruhe und Rationalität bei den politischen Entscheidungen, Wahrung der gesetzmäßigen Freiheiten der Gruppen, Parteien und Personen und Wahrung der Privatsphäre aller Bürger."

    Er werde sich für die Belange der Frauen einsetzen hat Hassan Rohani im Wahlkampf versprochen. Was das konkret bedeutet, hat der neue Präsident noch nicht ausgeführt. Fereshteh ist 24. Sie studiert in Teheran Videodesign. Gemeinsam mit drei Freundinnen dreht sie im Park Khan-e Honar Mandān einen kleinen Film.

    "Ich erwarte die wahre Gleichberechtigung. Am Anfang wird viel versprochen. Sie sagen zum Beispiel, sie würden die Jugend in Ruhe lassen, aber dann halten sie uns an wegen unserer Mäntel; er ist zu kurz oder zu lang, oder sie sagen: Warum sieht ihre Hose so und so aus."

    Schirin, schmales Gesicht, starke Augenbrauen, hohe Wangenknochen hält mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. Sie habe keine Erwartungen an den neuen Präsidenten, sagt die 23-Jährige Kunststudentin.

    "Wenn ich Erwartungen hätte, dann würde ich mein eigenes Denkvermögen beleidigen. Der Präsident hat hier im Iran nicht genügend Befugnisse. Ich möchte lieber sagen, welche Erwartungen ich an die Gesellschaft habe, in der ich lebe. Gesetze über Frauen sollten auch von Frauen gemacht werden. Die Gesetze über Frauen werden von Männern gemacht, so dass die Frauen nicht mehr wissen, welche Erwartungen sie haben sollten. Sie haben sie einfach vergessen."

    Mit der Unterstützung des Volkes habe er sich für das Amt beworben, unterstreicht der neue Präsident.

    "Die Menschen wollen einen Wechsel und sie wünschen sich einen bes¬seren Le¬bens-standard und mehr Menschenwürde. Diese Bürger wollen besser leben und von Ar¬mut, Korruption und Diskriminierung befreit werden."

    Mina ist 34 Jahre, verheiratet und kinderlos. Sie arbeitet als Ingenieurin in der Ölbranche. Die Machtverhältnisse im Iran seien extrem kompliziert, sagt die zierliche Frau im dunkelblauen Mantel. Der Präsident alleine könne gegen den Widerstand anderer Machzirkel nur wenig erreichen. Minas Lippen sind rot geschminkt, ihr Kopftuch sitzt locker auf dem vollen schwarzen Haar. Viele Iraner wollen Veränderung, betont Mina. Aber sie glaube nicht daran.

    "Gestern Abend habe ich seine Pressekonferenz im Fernsehen verfolgt. Ich denke, die Situation hier im Iran ist einfach katastrophal. Für jemanden mit viel Kraft und Willen würde es wahrscheinlich mehr als 30 Jahre dauern, hier etwas zu ändern. Wenn ich 80 bin, werde ich vielleicht, vielleicht, eine Veränderung erleben. Aber selbst daran glaube ich nicht."

    Erste Anzeichen für Veränderungen könnte es geben. Die Zahl der Sittenwächter ist seit Hassan Rohanis Wahl zurückgegangen. Trotzdem müssen Frauen immer mit Kontrollen und Zurechtweisungen rechnen, klagt Mina.

    "Abends habe ich einen Sportklub besucht. Es war sehr umständlich, dahin zu gehen und mich ständig entsprechend anzuziehen. Ich hab’s aufgegeben."

    "Ich gehe sehr gern spazieren. Wenn ich aber spazieren gehen möchte, muss ich ständig damit rechnen, von der Polizei angehalten zu werden. Ich ziehe es als Frau deshalb vor, Zuhause zu bleiben."

    "Allmählich überkommt mich eine Depression und ich fühle mich nicht mehr jung. So werde Schritt ich für Schritt alles verlieren. Das ist das Problem."

    Männer und Frauen erfahren im Iran eine sehr unterschiedliche Behandlung. Löhne und Gehälter von Männern sind trotz gleichem Job höher. Zeugenaussagen von Frauen gelten nur halb so viel wie von Männern. Männer erben doppelt so viel. Frauen werden an manchen Unis für Studienfächer, die Männer für Männer spezifisch halten nicht mehr zugelassen. Geht eine Ehe in die Brüche, ist das vor allem für Frauen sehr proble¬ma¬tisch, erklärt Mina.

    "Das Problem ist nicht zwischen mir und meinem Mann. Das Problem sind die Gesetze und dass alles zu seinem Vorteil ist. Vielleicht ist er der beste Ehemann der Welt. Aber wenn es ein Problem gibt, dann steht das Gesetz auf seiner Seite. Ich bin zwar keine Mutter, aber meine Freundinnen. Sie müssen sogar ihre eigenen Kinder verlassen, wenn es zur Scheidung kommt. Eine finanzielle Sicherheit fehlt komplett."

    Mann, Frau, Gleichheit – Hassan Rohani hat einige Hoffnungen mit seinen Versprechungen geweckt. Doch in der Islamischen Republik ist der Präsident nur ein Rad im großen Herrschaftsgetriebe.