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Männerbastion gefallen

Zum ersten Mal in der 82-jährigen Geschichte der Oscars wurde eine Frau als beste Regisseurin und dann auch noch für den besten Film des Jahres ausgezeichnet. Lina Wertmüller aus Italien, Jane Campion und Sophia Coppola waren zwar schon nominiert worden, aber erst jetzt emanzipierte sich Hollywood.

Von Josef Schnelle | 08.03.2010
    Eine dicke Lippe hatten die deutschen Filmförderer - allen voran das Medienboard Berlin-Brandenburg – riskiert. Sie kamen auf 13 für den Oscar nominierte Filme, die zumindest mit deutscher Beteiligung realisiert worden seien. Die Siegesmeldungen, die auch zwei Partys rund um die Oscar-Zeremonie ankündigten, klangen so, als habe Deutschland Hollywood im Handstreich genommen. Am Ende muss dann wohl Katzenjammer geherrscht haben, denn weder der hoch favorisierte deutsch-österreichische Film "Das weiße Band" von Michael Haneke, noch der mehrheitlich deutsch finanzierte israelische Film "Ajami" konnte eine der begehrten Trophäen als bester nicht-englisch-sprachige Film holen. Nur der schon lange als wichtigster Kandidat für den Oscar als bester männlicher Nebendarsteller gehandelte Christoph Waltz konnte triumphieren. Er dankte aber nicht der deutschen Filmförderung oder dem Studio Babelsberg, wo der Film "Inglorious basterds" gedreht worden war, sondern auf der Bühne und hinterher vor der Thank-You-Kamera ausschließlich seinem Regisseur Quentin Tarantino.

    Tatsache ist natürlich trotzdem, dass immer mehr Filme der Traumfabrik Hollywood auch in Deutschland gedreht werden, und die Produzenten es natürlich nicht versäumen, Fördergelder des Deutschen Film Förder Fonds abzuholen. Tatsache ist auch, dass bei immer mehr internationalen Filmen gar nicht mehr so recht festzustellen ist, welcher Nation sie sind, weil viele Länder beteiligt sind. Das gilt insbesondere für Filme aus den kleinen Filmländern des Nahen Ostens oder Afrikas. Die Oscar-Verleihung 2010 stand ganz im alten Glanz der Filmmetropole. Großer Gewinner war "The Hurt Locker", die Geschichte eines Bombenentschärfungskommandos im Irak von Kathryn Bigelow. Der Moment ist gekommen, kündigte die Moderatorin an, und Bigelow beschrieb die Situation als Augenblick, den man nur einmal im Leben erwarten darf.

    Es war mehr als das, denn zum ersten Mal in der 82-jährigen Geschichte der Oscars wurde überhaupt eine Frau als beste Regisseurin und dann auch noch für den besten Film des Jahres ausgezeichnet. Lina Wertmüller aus Italien, Jane Campion und Sophia Coppola waren zwar schon nominiert worden, aber erst jetzt schien tatsächlich der Moment gekommen. "The Hurt Locker" hatte in den letzten Monaten schon alle wichtigen Filmpreise bekommen und lediglich "Avatar", der sensationell erfolgreiche Science-Fiction-Film von James Cameron schien ihr Konkurrent zu sein. Im Vorfeld hatte es jedoch Krach gegeben. Einer der vier Produzenten des Films hatte in einer Rund-E-Mail für den Film geworben und gleichzeitig gegen den 500 Millionen-Dollar Film "Avatar" polemisiert. Nun gibt es zwar jedes Jahr einen heftigen Wahlkampf um die Gunst der 9000 Mitglieder der Akademie, direkte und derart plumpe Werbung ist jedoch verboten. Nicolas Chartier wurde von der Oscar-Zeremonie ausgeschlossen und muss sich seinen Oscar nun später im Büro der Akademie abholen. "The Hurt Locker", 2008 auf dem Filmfestival von Venedig gefeiert, hatte es sowieso schwer gehabt, überhaupt einen amerikanischen Verleih zu finden. In Deutschland war der Film vor einem Jahr schon im Kino. In Amerika kam er mit großer Verspätung erst nach der Inauguration von Barack Obama ins Kino. Erst dann schien die Stimmung geeignet für einen Film, der hart und eindringlich nach dem Drehbuch eines Irakkriegteilnehmers, auch das gab einen Oscar, zeigt wie der Krieg wirklich ist. Zum Vorteil gereichte dem kleinen unabhängigen Film auch das neue Auswahlsystem, das 10 statt bisher 5 Filme für den Oscar als bester Film nominiert. Damit nicht knapp 11 Prozent der Stimmkarten ihren Favoriten mit dem Oscar küren können, mussten die Mitglieder der Akademie noch Zweit und Drittpräferenzen angeben, die in das Ergebnis eingerechnet werden. James Cameron war der der große Verlierer des Abends war mit ausschließlich Preisen in den Tricktechnischen Nebenkategorien. Er kann sich trotzdem entspannt zurücklehnen. Sein Film hat alle Kassenrekorde gebrochen und ist trotz seiner dünnen Geschichte aber in 3-D der erfolgreichste Film aller Zeiten. Nachdem auch Tim Burtons "Alice im Wunderland" als 3-D-Event punktet erwartet sich die Branche in Hollywood von der neuen Technologie nun die Rettung aus der Krise, die die Filmindustrie im letzten Jahr heftig gebeutelt hatte und zur Schließung eines runden Dutzend von Firmen geführt hatte. So glich der ganze Glamour im Kodak Theater am Hollywood-Boulevard dem trotzigen Pfeifen im Walde mit der Hoffnung auf bessere Zeiten. Und auch die Fernsehshow Oscar-Zeremonie hat als Weltmedienereignis an Strahlkraft verloren 2002 sahen noch 46 Millionen das Spektakel 2009 nur noch 31. Die Zahlen der letzten Nacht dürften noch geringer ausfallen, weil durch einen Streit zwischen zwei Fernsehnetzen die Show in manchen Teilen der USA gar nicht zu sehen war. Vielleicht hat der Attraktionswert der schönen Dankesreden mit tränenerstickter Stimme auch endgültig nachgelassen.