Dr. Monika Hauser ist Gynäkologin und Gründerin von Medica Mondiale. Die Organisation hilft Frauen mit sexuellen Gewalterfahrungen in Kriegs- und Krisengebieten.
"Dies hat einen großen Schock ausgelöst bei dieser kosovarischen jungen Frau, die wir im Therapiezentrum begleitet haben. Auch wenn sie es nur über die Zeitung erfahren hat, hat es sie absolut erinnert an das, was in der Kriegszeit geschehen ist und dass eine enge Freundin von ihrer genau dieses durch die feindlichen Soldaten erlebt hat."
"Ich bin relativ häufig in der Hafenstadt Beira gewesen, das ist die größte Stadt in Zentralmozambique, und praktisch alle Hotels der Stadt waren gefüllt entweder mit Blauhelm-Soldaten oder mit anderen UNO-Diplomaten. Und dort haben sich dann auch mozambikanische Mädchen eingefunden, dann wurden ein, zwei Getränke getrunken und dann ging´s in irgendwelche Hotels oder Strandlokale."
Rainer Tump arbeitet als Gutachter für deutsche und europäische Entwicklungsorganisationen - er prüft Projekte vor allem im südlichen Afrika.
"Es gab einzelne Bars, da waren dann bestimmt 50, 100 Frauen, die wirklich mit dem einen Ziel kamen, mit einem Blauhelm-Soldat auszugehen und vielleicht ein bisschen was für die nächsten Tage zu verdienen. Und das hat sich dann innerhalb der zwei Jahre, in denen ich das beobachten konnte, zu einem wahren Industrie- und florierenden Wirtschaftszweig entwickelt. Ich weiß, dass das Mindestalter so zwölf, 13 war, und ich würde sagen, der Schwerpunkt lag so zwischen 15 und 18 Jahren."
"Man muss einfach die Realität anerkennen. Wir sagen immer, wo viele Männer sind, sind auch viele Frauen. Das ist so. Das ist so überall auf der Welt. Diese Bordelle schießen natürlich dann auch aus dem Boden."
Kriminaloberrat Uwe Mainz war ein Jahr lang im Kosovo, danach bei der nordrhein-westfälischen Polizei zuständig für Auslandsmissionen.
Internationale Friedensmissionen sollen Kampfhandlungen beenden und für Sicherheit sorgen. Seit 1948 hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen rund 50 mal eine Friedenstruppe losgeschickt - in den Libanon und nach Kambodscha, nach Haiti und Zypern, nach Angola, Ruanda, Namibia, Liberia und kürzlich an die Elfenbeinküste. Die Soldaten, die den blauen Helm der UNO tragen, sind eine multinational zusammengesetzte Truppe. Welche Nationen wie viele Soldaten entsenden, wird für jeden Einsatz neu ausgehandelt. 1988 erhielten die Blauhelm-Soldaten den Friedensnobelpreis.
International zusammengesetzte Truppen treten auch im Auftrag anderer Organisationen in Aktion. In Afghanistan beispielsweise agiert die International Security Assistance Force, kurz ISAF, unter dem Dach der NATO.
Die Bundeswehr ist momentan mit rund 7000 Angehörigen an sieben Orten im Auslandseinsatz.
Das Problem: Die Soldaten aus aller Welt sind ihrer anspruchsvollen Aufgabe mitunter überhaupt nicht gewachsen. Statt Frieden bringen sie manchmal neue Gewalt, Entwürdigung und Ausbeutung - die Opfer sind vor allem Frauen.
Peacekeeper sind ganz überwiegend Männer. Bei der Bundeswehr liegt der Männeranteil um 95 Prozent. In einigen Armeen, die Soldaten für Friedensmissionen entsenden, ist der Männeranteil geringer, in anderen beträgt er 100 Prozent.
"Meine Damen und Herren, in Kürze erreichen wir Berlin-Ostbahnhof. Sie haben Anschluss an den Regionalexpress..."
Anja Seiffert arbeitet beim Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr im brandenburgischen
Strausberg. In den Neunzigerjahren war sie beteiligt an einer Untersuchung über sexuelle Übergriffe männlicher Bundeswehrangehöriger gegen Kolleginnen in den eigenen Reihen. Anja Seiffert betont, dass sie nicht für die Bundeswehr, sondern nur im eigenen Namen über ihre Forschungsergebnisse sprechen darf:
"Wir haben hauptsächlich Sanitätsoffiziersanwärterinnen interviewt als auch Sanitätsoffiziere. Damals waren Frauen nur im Sanitätsdienst zugelassen und im Musikdienst. Das waren zum Teil gerade die etwas reiferen Frauen, die schon Erfahrungen auch im zivilberuflichen Leben hatten, die sagten, das was sie dort in den Streitkräften, also in der Bundeswehr, erlebt hätten, sei an sexueller Belästigung weitaus auffallender gewesen als was sie in anderen Bereichen erlebt hätten. Das bestätigt auch Erfahrungen anderer Armeen."
Armeen, deren männliche Mitglieder im Durchschnitt sexuell gewalttätiger sind als Männer in anderen Großorganisationen, sollen nun für Gewaltfreiheit sorgen. Eingesetzt werden sie in Gegenden, wo Frauen oft über Jahre hinweg Opfer von Gewalt, auch sexueller Gewalt, wurden.
In Bosnien und im Kosovo hat die Ärztin Monika Hauser erlebt, dass junge Frauen aus armen osteuropäischen Ländern - allen voran aus Moldawien, Bulgarien und der Ukraine - in die von Menschenhändlern für die Peacekeeper eingerichteten Bordelle geschafft wurden:
"Ich habe sehr oft gehört, dass ihnen gesagt wurde, wir bringen dich zum Kellnern nach Italien während der Saison, da kannst du dann sehr viel Geld verdienen, und die Frauen in ihrer wirtschaftlichen Not natürlich jeden Strohhalm ergreifen und dann aber sich verschleppt wieder finden in irgendeinem kosovarischen Bordell.
Wir wissen aber auch real von Kidnapping, also von Frauen, auch hier wieder vor allem von jungen Mädchen, die in diesen extrem armen Ländern einfach von der Straße weg gekidnappt werden und als Sex-Sklavinnen, man kann es nicht anders bezeichnen, in diesen Bordellen festgehalten werden."
Auch einheimische Frauen sehen mitunter keinen anderen Ausweg als sich zu prostituieren. Und das nach einem Krieg mit all seinen Misshandlungen und Vergewaltigungen von Männern an Frauen.
"Ich habe in Zentralbosnien während des Krieges gesehen, dass vor dem kanadischen Stützpunkt der UNPROFOR damals in den Jahren 1993/94 die Mädchen, die von diesem Stützpunkt morgens rauskamen, immer jünger wurden und tatsächlich viele dieser jungen Frauen 20, 30 Familienmitglieder während der schrecklichen Hungerszeiten im Krieg durchgefüttert haben."
In Mozambique waren zwei Jahre lang, bis 1995, Blauhelm-Soldaten im Einsatz. Das ostafrikanische Land hatte einen lang andauernden Krieg durchlitten - erst gegen die Kolonialmacht Portugal, danach zwischen den beiden rivalisierenden mozambiquanischen Organisationen FRELIMO und RENAMO. Schulen, Straßen und Gesundheitsstationen waren weitgehend zerstört, die Menschen völlig verarmt.
Bei der Vermittlung zwischen FRELIMO und RENAMO erwarb sich Italien Verdienste und stellte anschließend ein großes Kontingent für die UN-Friedenstruppe. Die jungen italienischen Blauhelme erwiesen sich allerdings als völlige Fehlbesetzung: Schamlos nutzten sie ihre überlegene Position in dem bitterarmen Land zum eigenen Vorteil aus. Entwicklungsberater Rainer Tump hat beobachtet, wie die italienischen Soldaten an Freitagnachmittagen mit ihren Fahrzeugen eine bestimmte Kreuzung ansteuerten:
"Dann fiel auf, dass an einem Kreuzungspunkt, etwa hundert Kilometer von Beira entfernt, eine Unmenge von Mädchen da stand, wartete, und da war´s so, die kamen mit ihren Pickups, teilweise Dienstfahrzeuge, und haben dann diese Autos voller Mädchen geladen. Ziel war vor allem das Hotel Caruso, ein etwas runtergekommenes Hotel, aber mit dem einzigen funktionierenden Swimmingpool.
In den Kriegsjahren gab´s überhaupt nichts in dem Land, absolut verarmt, und durch die Blauhelm-Soldaten kam natürlich Geld rein, wozu die wenigsten von diesen Frauen normalerweise Zugang gehabt hätten.
Medienberichte über das Treiben ihrer Soldaten schreckten die italienische Öffentlichkeit auf und führten zum Abzug der Blauhelme. Für die oft minderjährigen Mozambiquanerinnen hatte das kurze Vergnügen weit reichende Folgen. Zum Beispiel gab es...
"... Konflikte innerhalb der Familien, vor allen Dingen zwischen diesen jungen Mädchen und älteren Brüdern, das ist eine große Schande für so eine Familie, wenn ein junges Mädchen, ohne verheiratet zu sein, eben eine Beziehung mit einem Ausländer überhaupt eingeht und das ganz offensichtlich nicht auf eine langfristige Beziehung angelegt ist."
Bei derartigen Konflikten wurden junge Frauen von männlichen Familienangehörigen mitunter schwer verletzt. Mit einer Frau, die damals dabei war, hat Rainer Tump vor kurzem gesprochen:
"Sie behauptet, dass sie die einzige ist von ihrem ganzen Kreis in Beira von ich schätze mal 400, 500 Mädchen. Viele ihrer Kolleginnen, sagt sie, sind nach Maputo gegangen, haben da teilweise geheiratet, aber arbeiten da teilweise als Prostituierte. Andere sind von Beira weggegangen, aufs Land, wo man sie nicht kannte. Aber sie sagt, dass ein ganz großer Teil von ihren ehemaligen Freundinnen mittlerweile auch gestorben ist."
Wer in Afrika heute als Prostituierte - oft ohne Kondom - arbeitet, geht ein sehr hohes Risiko ein, an AIDS zu erkranken und bald zu sterben.
Vorfälle wie die in Mozambique und auf dem Balkan sorgen meist nur kurze Zeit für Aufmerksamkeit - wenn sie überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen. Immerhin scheint die Sensibilität der Verantwortlichen - meist sind es Männer - zu wachsen.
Bis in die Medien drang die Empörung von UN-Generalsekretär Kofi Annan, als im Frühjahr 2002 bekannt wurde, dass Mitarbeiter der UNO und anderer Hilfsorganisationen von Mädchen in westafrikanischen Flüchtlingslagern sexuelle Handlungen forderten, bevor sie ihnen Lebensmittel und Medikamente aushändigten.
Dabei gibt es seit 1997 einen Zehn-Punkte-Verhaltenskodex für Blauhelm-Soldaten. In Punkt 4 heißt es:
"Ergehen sie sich nicht in unmoralischen Handlungen, in sexuellem, physischem oder psychischem Missbrauch oder sexueller, physischer oder psychischer Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung oder des einheimischen UN-Personals, vor allem Frauen und Kindern."
Mittlerweile hat auch die NATO sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern durch ihre Soldaten in Einsatzgebieten als Problem erkannt. Udo Schnittker, Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums:
"In der Allianz wird derzeit ganz aktuell an einem Grundsatzpapier gearbeitet, in dem es darum gehen soll, dass die NATO-Staaten, aber eben auch eingeladene zu einem solchen Einsatz, sich auf Prinzipien verständigen wollen, wie wir unsere Soldaten ausbilden und vorbereiten wollen für so einen Einsatz. Der Titel dieses Papiers heißt "Kampf gegen Menschenhandel" und umfasst damit natürlich auch den Aspekt der Prostitution und der Bordelle."
Die wichtigsten Grundsätze des noch zu erarbeitenden Papiers lauten:
"Erstens: Beachte die Kultur und das Recht des Gastlandes, in das du gehst als Soldat. Und zweitens: Das nationale Recht, das du von zu Hause kennst, folgt dir in den Einsatz mit. Eine Straftat zu Hause ist auch eine Straftat im Einsatz."
Die Papier-Lage hat sich also gebessert. Auch die Vorbereitung der Peacekeeper auf ihre Einsätze soll sich verbessert haben.
Allerdings: Nicht jedes Ausnutzen des Machtgefälles durch die Männer der Friedensmissionen gegenüber einheimischen Frauen fällt unter Paragraphen wie Menschenhandel oder Vergewaltigung.
Und: Den guten Absichten folgen oft keine Taten.
In der kosovarischen Stadt Prizren, so berichtete ein Reporter von Deutschlandradio Berlin, sind die Bordelle unverändert zahlreich. Für deutsche Soldaten tabu, heißt es bei der Bundeswehr. Aber ein Engagement gegen den Missstand ist nicht auszumachen. Oberstleutnant Schnittker:
"Es wird seit schon etwa drei, vier Jahren immer wieder dieser Zusammenhang hergestellt, dass wir im Einsatz Prostitution und Bordelle zumindest mal irgendwo provozieren, sozusagen deren Einrichtung provozieren. Dazu muss ich Ihnen sagen, dass ich erstens keine eigenen Erlebnisse dieser Art habe, die das bestätigen können, und zweitens wir als die Streitkraft, die sozusagen einem Staat die friedlche Entwicklung ermöglichen will, nicht den Auftrag haben, solche Ermittlungen anzustellen."
Das erinnert an die drei Affen: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Ein Interview mit deutschen Soldaten über Bordelle und Prostitution an ausländischen Einsatzorten gestattet das Bundesverteidigungsministerium nicht. "Da wollen wir schlicht nicht ran", erklärt Udo Schnittker.
Kein Problem mit Peacekeepern auf der Jagd nach sexuellen Abenteuern gibt es in Afghanistan. Siba Shakib beschäftigt sich seit Jahren mit dem Land am Hindukusch - als Journalistin, als Schriftstellerin, jetzt außerdem als Beraterin der deutschen Soldaten von ISAF:
"Prostitution in der Form, wie wir das aus dem Balkan beispielsweise kennen, gibt es in Afghanistan nicht. Eine Fahrt durch Kabul macht einem schon klar: Hier ist man auf einem anderen Planeten. Jeder, der in Kabul gewesen ist, weiß, wie leicht er Opfer einer Rache werden könnte oder wie leicht man in Schwierigkeiten kommt, wie eigentlich hinter jeder Ecke die Gefahr lauert, man muss immer wachsam sein."
Verhindert allein die Angst vor rachsüchtigen afghanischen Männern die im Umfeld internationaler Einsätze üblichen Bordelle und Prostitutionsgeschäfte? Es kommt wohl ein zweiter
Faktor hinzu: Die ISAF-Soldaten leben strikt kaserniert, Freizeit außerhalb des Truppengeländes gibt es nicht.
In Angola hat Bruno Friedrich als Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe Ende der Neunzigerjahre erlebt, welchen Unterschied es macht, ob Peacekeeper "völlige Freiheit" haben oder aus ihren Kasernen nur zum dienstlichen Einsatz herauskommen:
"Die UN hat sich dann mehrere Gebäude in der Stadt aquiriert oder angemietet, und das führte oftmals zu kulturellen Konflikten, dass sie ihre Bedürfnisse in einer Form auslebten, sie hatten ja Geld, sie hatten Fahrzeuge, sie hatten Kommunikation, sie waren relativ reich, das führte dann doch schon zu Schieflagen.
Tatsächlich kann man aber sagen, dass die UN-Einheiten, die im ländlichen Raum untergebracht waren und dort nicht Häuser vorfanden, sich dann also selbst eine Kasernenanlage bauen mussten und die dann auch kaserniert untergebracht waren, dass in diesen Gegenden wenig Konfliktpotenzial sich aufbaute zwischen der Bevölkerung und dem UN-Personal."
Strikte Kasernierung - auch in der Freizeit - bewahrt Frauen und Kinder vor den sexuellen Zumutungen von Peacekeepern. Kasernierung ist jedoch nur bei Soldaten möglich, deren Aufgabe es ist, auf Patrouille unterwegs zu sein und die wenig Kontakt mit der Bevölkerung haben. Peacekeeper aus Polizei und diplomatischem Dienst dagegen kann man kaum derart abschotten von den Einheimischen.
Aber es gibt ja noch eine andere Lösung: Mehr Frauen, viel mehr Frauen müssten bei Friedensmissionen eingesetzt werden. Das hat auch die UNO erkannt und in ihrer Resolution 1325 aus dem Jahr 2000 gefordert. Besonders laut vorgetragen wurde die Forderung, nachdem die massiven sexuellen Übergriffe männlicher Helfer in Westafrika im Jahre 2002 bekannt geworden waren.
Neben dem Schutz vor sexuellem Fehlverhalten durch männliche Peacekeeper verlangt der Friedensprozess selber, dass Frauen in weitaus größerer Zahl eingesetzt werden.
Projektberater Rainer Tump nach seinen Erfahrungen in Mozambique:
"Wenn ich da mit einem reinen Männerteam reingehe, dann werde ich nur mit Männern zusammentreffen, das ist auch meine eigene Erfahrung als Berater in diesen Ländern, und ich werde direkt keine Stimmen von Frauen bekommen. Da wird sich keine Frau trauen, gegenüber einem Mann offen was zu sagen. Was ich mir auch vorstellen könnte ist, dass man sich in so einem Dorf auch trennt, Männer sich mit Männern zusammen setzen, Frauen mit Frauen, wo man eine ganze Menge mehr rausbekommen könnte als wie es bei solchen Missionen jetzt zur Zeit läuft."
Die derzeitigen, männlich dominierten Friedensmissionen sind mangelhaft: Vieles kommt den männlichen Peacekeepern gar nicht in den Sinn, weil sie nur aus männlicher Perspektive denken, Fragen stellen, Antworten suchen. Oft kommen sie nicht einmal auf die Idee, Frauen einzubeziehen. Das ist schlecht für den Friedensprozess. Und besonders schlecht für die Frauen.
"Es gab zwei spezielle Probleme, die Frauen hatten nach diesem Friedensabkommen. Das erste war, dass bei der Einschreibung sehr viel weniger Frauen, offizielle Demobilisierte registriert worden sind als man wusste, dass es Frauen gab. Das heißt, es ist Druck auf Frauen ausgeübt worden, sich gar nicht registrieren zu lassen, und damit standen ihnen auch nicht die Demobilisierungsgelder zur Verfügung.
Und hinzu kam, dass diese Demobilisierungscamps sehr stark von Männern dominiert waren, und es einfach für Frauen nicht sehr attraktiv war, drei, vier oder sechs Monate in so einem Demobilisierungscamp fast ausschließlich unter Männern zu bleiben."
In Afghanistan wird momentan deutlich, wie verheerend es ist, wenn Peacekeeping Männersache ist. Siba Shakib hat beobachtet...
".... dass die Hälfte der Bevölkerung in Afghanistan, in Ländern wie Afghanistan, ausgeschlossen ist von Hilfe. Das geht ja sogar so weit, dass wenn die männlichen Soldaten draußen sind und irgendwelche sogenannten Produkte verteilen, Bleistifte, Kugelschreiber, Drachen für Kinder, Poster, Plakate, Handzettel, egal, die Frauen in der Regel noch nicht einmal das bekommen können. Weil sie nicht in die Nähe von ausländischen Männern dürfen."
Überraschend ist, dass sogar das Frieden-Stiften Peacekeeperinnen mitunter leichter fällt. Weil die vom Männlichkeitswahn infizierten afghanischen Männer Frauen nicht als Konkurrenten sehen und - so paradox das klingen mag - sie deshalb eher den Anweisungen einer ausländischen Frau Folge leisten.
So kommt es mitunter zu völlig überraschenden Situationen - die zeigen, dass Peacekeeping nicht länger eine Männerdomäne bleiben darf.
"In einem kleinen Ort in der Nähe von Kabul gab es eine Schura, das ist eine Volksversammlung, wo traditionell die älteren und Macht habenden Männer sich treffen und beraten über bestimmte Dinge, die beschlossen werden müssen, gemacht werden müssen. Jetzt gab es in diesem kleinen Vorort eine Gruppe von Frauen, die es geschafft hatten, mit an dieser Schura teilzunehmen. Jetzt sollte es ein Treffen geben mit ISAF, um dieses Problem zu besprechen. Dann haben die Fauen den ISAF-Soldaten gesagt: Ihr müsst aber Frauen mitbringen, sonst reden wir nicht mit euch. Und die Männer haben das auch unterstützt. Das fand ich so großartig, da krieg ich wirklich Tränen in den Augen, wenn ich mich daran erinnere - haben die afghanischen Frauen, afghanischen Männer den europäischen Soldaten gesagt, wenn ihr mit uns reden wollt, müsst ihr aber mit Frauen kommen, wir reden nicht mit euch, wenn ihr nur Männer seid."
"Dies hat einen großen Schock ausgelöst bei dieser kosovarischen jungen Frau, die wir im Therapiezentrum begleitet haben. Auch wenn sie es nur über die Zeitung erfahren hat, hat es sie absolut erinnert an das, was in der Kriegszeit geschehen ist und dass eine enge Freundin von ihrer genau dieses durch die feindlichen Soldaten erlebt hat."
"Ich bin relativ häufig in der Hafenstadt Beira gewesen, das ist die größte Stadt in Zentralmozambique, und praktisch alle Hotels der Stadt waren gefüllt entweder mit Blauhelm-Soldaten oder mit anderen UNO-Diplomaten. Und dort haben sich dann auch mozambikanische Mädchen eingefunden, dann wurden ein, zwei Getränke getrunken und dann ging´s in irgendwelche Hotels oder Strandlokale."
Rainer Tump arbeitet als Gutachter für deutsche und europäische Entwicklungsorganisationen - er prüft Projekte vor allem im südlichen Afrika.
"Es gab einzelne Bars, da waren dann bestimmt 50, 100 Frauen, die wirklich mit dem einen Ziel kamen, mit einem Blauhelm-Soldat auszugehen und vielleicht ein bisschen was für die nächsten Tage zu verdienen. Und das hat sich dann innerhalb der zwei Jahre, in denen ich das beobachten konnte, zu einem wahren Industrie- und florierenden Wirtschaftszweig entwickelt. Ich weiß, dass das Mindestalter so zwölf, 13 war, und ich würde sagen, der Schwerpunkt lag so zwischen 15 und 18 Jahren."
"Man muss einfach die Realität anerkennen. Wir sagen immer, wo viele Männer sind, sind auch viele Frauen. Das ist so. Das ist so überall auf der Welt. Diese Bordelle schießen natürlich dann auch aus dem Boden."
Kriminaloberrat Uwe Mainz war ein Jahr lang im Kosovo, danach bei der nordrhein-westfälischen Polizei zuständig für Auslandsmissionen.
Internationale Friedensmissionen sollen Kampfhandlungen beenden und für Sicherheit sorgen. Seit 1948 hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen rund 50 mal eine Friedenstruppe losgeschickt - in den Libanon und nach Kambodscha, nach Haiti und Zypern, nach Angola, Ruanda, Namibia, Liberia und kürzlich an die Elfenbeinküste. Die Soldaten, die den blauen Helm der UNO tragen, sind eine multinational zusammengesetzte Truppe. Welche Nationen wie viele Soldaten entsenden, wird für jeden Einsatz neu ausgehandelt. 1988 erhielten die Blauhelm-Soldaten den Friedensnobelpreis.
International zusammengesetzte Truppen treten auch im Auftrag anderer Organisationen in Aktion. In Afghanistan beispielsweise agiert die International Security Assistance Force, kurz ISAF, unter dem Dach der NATO.
Die Bundeswehr ist momentan mit rund 7000 Angehörigen an sieben Orten im Auslandseinsatz.
Das Problem: Die Soldaten aus aller Welt sind ihrer anspruchsvollen Aufgabe mitunter überhaupt nicht gewachsen. Statt Frieden bringen sie manchmal neue Gewalt, Entwürdigung und Ausbeutung - die Opfer sind vor allem Frauen.
Peacekeeper sind ganz überwiegend Männer. Bei der Bundeswehr liegt der Männeranteil um 95 Prozent. In einigen Armeen, die Soldaten für Friedensmissionen entsenden, ist der Männeranteil geringer, in anderen beträgt er 100 Prozent.
"Meine Damen und Herren, in Kürze erreichen wir Berlin-Ostbahnhof. Sie haben Anschluss an den Regionalexpress..."
Anja Seiffert arbeitet beim Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr im brandenburgischen
Strausberg. In den Neunzigerjahren war sie beteiligt an einer Untersuchung über sexuelle Übergriffe männlicher Bundeswehrangehöriger gegen Kolleginnen in den eigenen Reihen. Anja Seiffert betont, dass sie nicht für die Bundeswehr, sondern nur im eigenen Namen über ihre Forschungsergebnisse sprechen darf:
"Wir haben hauptsächlich Sanitätsoffiziersanwärterinnen interviewt als auch Sanitätsoffiziere. Damals waren Frauen nur im Sanitätsdienst zugelassen und im Musikdienst. Das waren zum Teil gerade die etwas reiferen Frauen, die schon Erfahrungen auch im zivilberuflichen Leben hatten, die sagten, das was sie dort in den Streitkräften, also in der Bundeswehr, erlebt hätten, sei an sexueller Belästigung weitaus auffallender gewesen als was sie in anderen Bereichen erlebt hätten. Das bestätigt auch Erfahrungen anderer Armeen."
Armeen, deren männliche Mitglieder im Durchschnitt sexuell gewalttätiger sind als Männer in anderen Großorganisationen, sollen nun für Gewaltfreiheit sorgen. Eingesetzt werden sie in Gegenden, wo Frauen oft über Jahre hinweg Opfer von Gewalt, auch sexueller Gewalt, wurden.
In Bosnien und im Kosovo hat die Ärztin Monika Hauser erlebt, dass junge Frauen aus armen osteuropäischen Ländern - allen voran aus Moldawien, Bulgarien und der Ukraine - in die von Menschenhändlern für die Peacekeeper eingerichteten Bordelle geschafft wurden:
"Ich habe sehr oft gehört, dass ihnen gesagt wurde, wir bringen dich zum Kellnern nach Italien während der Saison, da kannst du dann sehr viel Geld verdienen, und die Frauen in ihrer wirtschaftlichen Not natürlich jeden Strohhalm ergreifen und dann aber sich verschleppt wieder finden in irgendeinem kosovarischen Bordell.
Wir wissen aber auch real von Kidnapping, also von Frauen, auch hier wieder vor allem von jungen Mädchen, die in diesen extrem armen Ländern einfach von der Straße weg gekidnappt werden und als Sex-Sklavinnen, man kann es nicht anders bezeichnen, in diesen Bordellen festgehalten werden."
Auch einheimische Frauen sehen mitunter keinen anderen Ausweg als sich zu prostituieren. Und das nach einem Krieg mit all seinen Misshandlungen und Vergewaltigungen von Männern an Frauen.
"Ich habe in Zentralbosnien während des Krieges gesehen, dass vor dem kanadischen Stützpunkt der UNPROFOR damals in den Jahren 1993/94 die Mädchen, die von diesem Stützpunkt morgens rauskamen, immer jünger wurden und tatsächlich viele dieser jungen Frauen 20, 30 Familienmitglieder während der schrecklichen Hungerszeiten im Krieg durchgefüttert haben."
In Mozambique waren zwei Jahre lang, bis 1995, Blauhelm-Soldaten im Einsatz. Das ostafrikanische Land hatte einen lang andauernden Krieg durchlitten - erst gegen die Kolonialmacht Portugal, danach zwischen den beiden rivalisierenden mozambiquanischen Organisationen FRELIMO und RENAMO. Schulen, Straßen und Gesundheitsstationen waren weitgehend zerstört, die Menschen völlig verarmt.
Bei der Vermittlung zwischen FRELIMO und RENAMO erwarb sich Italien Verdienste und stellte anschließend ein großes Kontingent für die UN-Friedenstruppe. Die jungen italienischen Blauhelme erwiesen sich allerdings als völlige Fehlbesetzung: Schamlos nutzten sie ihre überlegene Position in dem bitterarmen Land zum eigenen Vorteil aus. Entwicklungsberater Rainer Tump hat beobachtet, wie die italienischen Soldaten an Freitagnachmittagen mit ihren Fahrzeugen eine bestimmte Kreuzung ansteuerten:
"Dann fiel auf, dass an einem Kreuzungspunkt, etwa hundert Kilometer von Beira entfernt, eine Unmenge von Mädchen da stand, wartete, und da war´s so, die kamen mit ihren Pickups, teilweise Dienstfahrzeuge, und haben dann diese Autos voller Mädchen geladen. Ziel war vor allem das Hotel Caruso, ein etwas runtergekommenes Hotel, aber mit dem einzigen funktionierenden Swimmingpool.
In den Kriegsjahren gab´s überhaupt nichts in dem Land, absolut verarmt, und durch die Blauhelm-Soldaten kam natürlich Geld rein, wozu die wenigsten von diesen Frauen normalerweise Zugang gehabt hätten.
Medienberichte über das Treiben ihrer Soldaten schreckten die italienische Öffentlichkeit auf und führten zum Abzug der Blauhelme. Für die oft minderjährigen Mozambiquanerinnen hatte das kurze Vergnügen weit reichende Folgen. Zum Beispiel gab es...
"... Konflikte innerhalb der Familien, vor allen Dingen zwischen diesen jungen Mädchen und älteren Brüdern, das ist eine große Schande für so eine Familie, wenn ein junges Mädchen, ohne verheiratet zu sein, eben eine Beziehung mit einem Ausländer überhaupt eingeht und das ganz offensichtlich nicht auf eine langfristige Beziehung angelegt ist."
Bei derartigen Konflikten wurden junge Frauen von männlichen Familienangehörigen mitunter schwer verletzt. Mit einer Frau, die damals dabei war, hat Rainer Tump vor kurzem gesprochen:
"Sie behauptet, dass sie die einzige ist von ihrem ganzen Kreis in Beira von ich schätze mal 400, 500 Mädchen. Viele ihrer Kolleginnen, sagt sie, sind nach Maputo gegangen, haben da teilweise geheiratet, aber arbeiten da teilweise als Prostituierte. Andere sind von Beira weggegangen, aufs Land, wo man sie nicht kannte. Aber sie sagt, dass ein ganz großer Teil von ihren ehemaligen Freundinnen mittlerweile auch gestorben ist."
Wer in Afrika heute als Prostituierte - oft ohne Kondom - arbeitet, geht ein sehr hohes Risiko ein, an AIDS zu erkranken und bald zu sterben.
Vorfälle wie die in Mozambique und auf dem Balkan sorgen meist nur kurze Zeit für Aufmerksamkeit - wenn sie überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen. Immerhin scheint die Sensibilität der Verantwortlichen - meist sind es Männer - zu wachsen.
Bis in die Medien drang die Empörung von UN-Generalsekretär Kofi Annan, als im Frühjahr 2002 bekannt wurde, dass Mitarbeiter der UNO und anderer Hilfsorganisationen von Mädchen in westafrikanischen Flüchtlingslagern sexuelle Handlungen forderten, bevor sie ihnen Lebensmittel und Medikamente aushändigten.
Dabei gibt es seit 1997 einen Zehn-Punkte-Verhaltenskodex für Blauhelm-Soldaten. In Punkt 4 heißt es:
"Ergehen sie sich nicht in unmoralischen Handlungen, in sexuellem, physischem oder psychischem Missbrauch oder sexueller, physischer oder psychischer Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung oder des einheimischen UN-Personals, vor allem Frauen und Kindern."
Mittlerweile hat auch die NATO sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern durch ihre Soldaten in Einsatzgebieten als Problem erkannt. Udo Schnittker, Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums:
"In der Allianz wird derzeit ganz aktuell an einem Grundsatzpapier gearbeitet, in dem es darum gehen soll, dass die NATO-Staaten, aber eben auch eingeladene zu einem solchen Einsatz, sich auf Prinzipien verständigen wollen, wie wir unsere Soldaten ausbilden und vorbereiten wollen für so einen Einsatz. Der Titel dieses Papiers heißt "Kampf gegen Menschenhandel" und umfasst damit natürlich auch den Aspekt der Prostitution und der Bordelle."
Die wichtigsten Grundsätze des noch zu erarbeitenden Papiers lauten:
"Erstens: Beachte die Kultur und das Recht des Gastlandes, in das du gehst als Soldat. Und zweitens: Das nationale Recht, das du von zu Hause kennst, folgt dir in den Einsatz mit. Eine Straftat zu Hause ist auch eine Straftat im Einsatz."
Die Papier-Lage hat sich also gebessert. Auch die Vorbereitung der Peacekeeper auf ihre Einsätze soll sich verbessert haben.
Allerdings: Nicht jedes Ausnutzen des Machtgefälles durch die Männer der Friedensmissionen gegenüber einheimischen Frauen fällt unter Paragraphen wie Menschenhandel oder Vergewaltigung.
Und: Den guten Absichten folgen oft keine Taten.
In der kosovarischen Stadt Prizren, so berichtete ein Reporter von Deutschlandradio Berlin, sind die Bordelle unverändert zahlreich. Für deutsche Soldaten tabu, heißt es bei der Bundeswehr. Aber ein Engagement gegen den Missstand ist nicht auszumachen. Oberstleutnant Schnittker:
"Es wird seit schon etwa drei, vier Jahren immer wieder dieser Zusammenhang hergestellt, dass wir im Einsatz Prostitution und Bordelle zumindest mal irgendwo provozieren, sozusagen deren Einrichtung provozieren. Dazu muss ich Ihnen sagen, dass ich erstens keine eigenen Erlebnisse dieser Art habe, die das bestätigen können, und zweitens wir als die Streitkraft, die sozusagen einem Staat die friedlche Entwicklung ermöglichen will, nicht den Auftrag haben, solche Ermittlungen anzustellen."
Das erinnert an die drei Affen: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Ein Interview mit deutschen Soldaten über Bordelle und Prostitution an ausländischen Einsatzorten gestattet das Bundesverteidigungsministerium nicht. "Da wollen wir schlicht nicht ran", erklärt Udo Schnittker.
Kein Problem mit Peacekeepern auf der Jagd nach sexuellen Abenteuern gibt es in Afghanistan. Siba Shakib beschäftigt sich seit Jahren mit dem Land am Hindukusch - als Journalistin, als Schriftstellerin, jetzt außerdem als Beraterin der deutschen Soldaten von ISAF:
"Prostitution in der Form, wie wir das aus dem Balkan beispielsweise kennen, gibt es in Afghanistan nicht. Eine Fahrt durch Kabul macht einem schon klar: Hier ist man auf einem anderen Planeten. Jeder, der in Kabul gewesen ist, weiß, wie leicht er Opfer einer Rache werden könnte oder wie leicht man in Schwierigkeiten kommt, wie eigentlich hinter jeder Ecke die Gefahr lauert, man muss immer wachsam sein."
Verhindert allein die Angst vor rachsüchtigen afghanischen Männern die im Umfeld internationaler Einsätze üblichen Bordelle und Prostitutionsgeschäfte? Es kommt wohl ein zweiter
Faktor hinzu: Die ISAF-Soldaten leben strikt kaserniert, Freizeit außerhalb des Truppengeländes gibt es nicht.
In Angola hat Bruno Friedrich als Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe Ende der Neunzigerjahre erlebt, welchen Unterschied es macht, ob Peacekeeper "völlige Freiheit" haben oder aus ihren Kasernen nur zum dienstlichen Einsatz herauskommen:
"Die UN hat sich dann mehrere Gebäude in der Stadt aquiriert oder angemietet, und das führte oftmals zu kulturellen Konflikten, dass sie ihre Bedürfnisse in einer Form auslebten, sie hatten ja Geld, sie hatten Fahrzeuge, sie hatten Kommunikation, sie waren relativ reich, das führte dann doch schon zu Schieflagen.
Tatsächlich kann man aber sagen, dass die UN-Einheiten, die im ländlichen Raum untergebracht waren und dort nicht Häuser vorfanden, sich dann also selbst eine Kasernenanlage bauen mussten und die dann auch kaserniert untergebracht waren, dass in diesen Gegenden wenig Konfliktpotenzial sich aufbaute zwischen der Bevölkerung und dem UN-Personal."
Strikte Kasernierung - auch in der Freizeit - bewahrt Frauen und Kinder vor den sexuellen Zumutungen von Peacekeepern. Kasernierung ist jedoch nur bei Soldaten möglich, deren Aufgabe es ist, auf Patrouille unterwegs zu sein und die wenig Kontakt mit der Bevölkerung haben. Peacekeeper aus Polizei und diplomatischem Dienst dagegen kann man kaum derart abschotten von den Einheimischen.
Aber es gibt ja noch eine andere Lösung: Mehr Frauen, viel mehr Frauen müssten bei Friedensmissionen eingesetzt werden. Das hat auch die UNO erkannt und in ihrer Resolution 1325 aus dem Jahr 2000 gefordert. Besonders laut vorgetragen wurde die Forderung, nachdem die massiven sexuellen Übergriffe männlicher Helfer in Westafrika im Jahre 2002 bekannt geworden waren.
Neben dem Schutz vor sexuellem Fehlverhalten durch männliche Peacekeeper verlangt der Friedensprozess selber, dass Frauen in weitaus größerer Zahl eingesetzt werden.
Projektberater Rainer Tump nach seinen Erfahrungen in Mozambique:
"Wenn ich da mit einem reinen Männerteam reingehe, dann werde ich nur mit Männern zusammentreffen, das ist auch meine eigene Erfahrung als Berater in diesen Ländern, und ich werde direkt keine Stimmen von Frauen bekommen. Da wird sich keine Frau trauen, gegenüber einem Mann offen was zu sagen. Was ich mir auch vorstellen könnte ist, dass man sich in so einem Dorf auch trennt, Männer sich mit Männern zusammen setzen, Frauen mit Frauen, wo man eine ganze Menge mehr rausbekommen könnte als wie es bei solchen Missionen jetzt zur Zeit läuft."
Die derzeitigen, männlich dominierten Friedensmissionen sind mangelhaft: Vieles kommt den männlichen Peacekeepern gar nicht in den Sinn, weil sie nur aus männlicher Perspektive denken, Fragen stellen, Antworten suchen. Oft kommen sie nicht einmal auf die Idee, Frauen einzubeziehen. Das ist schlecht für den Friedensprozess. Und besonders schlecht für die Frauen.
"Es gab zwei spezielle Probleme, die Frauen hatten nach diesem Friedensabkommen. Das erste war, dass bei der Einschreibung sehr viel weniger Frauen, offizielle Demobilisierte registriert worden sind als man wusste, dass es Frauen gab. Das heißt, es ist Druck auf Frauen ausgeübt worden, sich gar nicht registrieren zu lassen, und damit standen ihnen auch nicht die Demobilisierungsgelder zur Verfügung.
Und hinzu kam, dass diese Demobilisierungscamps sehr stark von Männern dominiert waren, und es einfach für Frauen nicht sehr attraktiv war, drei, vier oder sechs Monate in so einem Demobilisierungscamp fast ausschließlich unter Männern zu bleiben."
In Afghanistan wird momentan deutlich, wie verheerend es ist, wenn Peacekeeping Männersache ist. Siba Shakib hat beobachtet...
".... dass die Hälfte der Bevölkerung in Afghanistan, in Ländern wie Afghanistan, ausgeschlossen ist von Hilfe. Das geht ja sogar so weit, dass wenn die männlichen Soldaten draußen sind und irgendwelche sogenannten Produkte verteilen, Bleistifte, Kugelschreiber, Drachen für Kinder, Poster, Plakate, Handzettel, egal, die Frauen in der Regel noch nicht einmal das bekommen können. Weil sie nicht in die Nähe von ausländischen Männern dürfen."
Überraschend ist, dass sogar das Frieden-Stiften Peacekeeperinnen mitunter leichter fällt. Weil die vom Männlichkeitswahn infizierten afghanischen Männer Frauen nicht als Konkurrenten sehen und - so paradox das klingen mag - sie deshalb eher den Anweisungen einer ausländischen Frau Folge leisten.
So kommt es mitunter zu völlig überraschenden Situationen - die zeigen, dass Peacekeeping nicht länger eine Männerdomäne bleiben darf.
"In einem kleinen Ort in der Nähe von Kabul gab es eine Schura, das ist eine Volksversammlung, wo traditionell die älteren und Macht habenden Männer sich treffen und beraten über bestimmte Dinge, die beschlossen werden müssen, gemacht werden müssen. Jetzt gab es in diesem kleinen Vorort eine Gruppe von Frauen, die es geschafft hatten, mit an dieser Schura teilzunehmen. Jetzt sollte es ein Treffen geben mit ISAF, um dieses Problem zu besprechen. Dann haben die Fauen den ISAF-Soldaten gesagt: Ihr müsst aber Frauen mitbringen, sonst reden wir nicht mit euch. Und die Männer haben das auch unterstützt. Das fand ich so großartig, da krieg ich wirklich Tränen in den Augen, wenn ich mich daran erinnere - haben die afghanischen Frauen, afghanischen Männer den europäischen Soldaten gesagt, wenn ihr mit uns reden wollt, müsst ihr aber mit Frauen kommen, wir reden nicht mit euch, wenn ihr nur Männer seid."